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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778.

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in den Jahren 1772 bis 1775.
ganz aus den Augen gesetzt, um der königlichen Würde desto mehr Ansehen zu1773.
August.

verschaffen, und eine solche Verläugnung der natürlichen Verhältnisse, zeigt
meines Erachtens einen höhern Grad von Cultur und Einsicht an, als andre Rei-
sende den Einwohnern von Tahiti zugestanden haben. Ohnerachtet aber Hap-
pai
die oberste Herrschaft nicht mehr in Händen hatte, so lies ihm dennoch das ge-
meine Volk, seiner Geburt und seines Standes wegen, große Ehre wiederfahren, und
auch der König hatte ihn mit einem anständigen Unterhalte versorgt. Der Di-
strict oder die Provinz O-Parre stand nemlich unmittelbar unter seinen Be-
fehlen, und aus dieser zog er für sich und seine Bedienten was er nöthig hatte.
Wir hielten uns dieses alten Herrn wegen nur um ein weniges länger auf als
wir zuvor willens gewesen waren, beurlaubten uns sodann vom Vater und
Sohne und kehrten wieder nach der Pinnasse zurück, welche Maratata die ganze
Zeit über nicht verlassen hatte, vermuthlich, um sich dadurch bey seinen Landsleu-
ten das Ansehen zu geben, als ob er in besondern Credit bey uns stände. Wäh-
rend unsrer Abwesenheit waren auf (der Landspitze) Point Venus für die Holz-
hauer, die Wasserträger und die Kranken der Adventure etliche Zelte aufge-
schlagen worden. Auch hatten die Astronomen beyder Schiffe ihre Sternwar-
ten ohngefähr auf eben dem Platz errichtet, wo auf der vorigen Reise von
Herrn Green und Capitain Cook der Durchgang der Venus beobachtet wor-
den war. Bey unserer Rückkunft an Bord fanden wir das Schiff voller India-
ner und unter denselben auch verschiedne Personen von höherem Range. Diese
hatten ihres Standes wegen im ganzen Schiff überall freyen Zutritt, aber eben
deshalb war man auch, vor ihrer Betteley um Glas-Corallen und andre Klei-
nigkeiten, in keinem Winkel sicher. Um dieser unerträglichen Unverschämtheit
zu entgehen, verfügten sich die Capitains bald wieder nach den Zelten zurück,
und wir begleiteten sie dahin, um zu sehen, was für natürliche Merkwürdig-
keiten das Land hervorbringe. In gleicher Absicht machten wir auch nach Tische
einen neuen Spatziergang; da wir aber beydemal nicht weit hatten kommen
können, so bestanden unsre Entdeckungen nur aus wenigen Pflanzen und Vö-
geln, dergleichen wir zu Aitepiha noch nicht gesehen hatten.

Am folgenden Morgen, sehr frühe, kam eine Menge Canots von Parre
ans Schiff und in einem der kleinsten befand sich der König, der seine Gegenge-

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in den Jahren 1772 bis 1775.
ganz aus den Augen geſetzt, um der koͤniglichen Wuͤrde deſto mehr Anſehen zu1773.
Auguſt.

verſchaffen, und eine ſolche Verlaͤugnung der natuͤrlichen Verhaͤltniſſe, zeigt
meines Erachtens einen hoͤhern Grad von Cultur und Einſicht an, als andre Rei-
ſende den Einwohnern von Tahiti zugeſtanden haben. Ohnerachtet aber Hap-
pai
die oberſte Herrſchaft nicht mehr in Haͤnden hatte, ſo lies ihm dennoch das ge-
meine Volk, ſeiner Geburt und ſeines Standes wegen, große Ehre wiederfahren, und
auch der Koͤnig hatte ihn mit einem anſtaͤndigen Unterhalte verſorgt. Der Di-
ſtrict oder die Provinz O-Parre ſtand nemlich unmittelbar unter ſeinen Be-
fehlen, und aus dieſer zog er fuͤr ſich und ſeine Bedienten was er noͤthig hatte.
Wir hielten uns dieſes alten Herrn wegen nur um ein weniges laͤnger auf als
wir zuvor willens geweſen waren, beurlaubten uns ſodann vom Vater und
Sohne und kehrten wieder nach der Pinnaſſe zuruͤck, welche Maratata die ganze
Zeit uͤber nicht verlaſſen hatte, vermuthlich, um ſich dadurch bey ſeinen Landsleu-
ten das Anſehen zu geben, als ob er in beſondern Credit bey uns ſtaͤnde. Waͤh-
rend unſrer Abweſenheit waren auf (der Landſpitze) Point Venus fuͤr die Holz-
hauer, die Waſſertraͤger und die Kranken der Adventure etliche Zelte aufge-
ſchlagen worden. Auch hatten die Aſtronomen beyder Schiffe ihre Sternwar-
ten ohngefaͤhr auf eben dem Platz errichtet, wo auf der vorigen Reiſe von
Herrn Green und Capitain Cook der Durchgang der Venus beobachtet wor-
den war. Bey unſerer Ruͤckkunft an Bord fanden wir das Schiff voller India-
ner und unter denſelben auch verſchiedne Perſonen von hoͤherem Range. Dieſe
hatten ihres Standes wegen im ganzen Schiff uͤberall freyen Zutritt, aber eben
deshalb war man auch, vor ihrer Betteley um Glas-Corallen und andre Klei-
nigkeiten, in keinem Winkel ſicher. Um dieſer unertraͤglichen Unverſchaͤmtheit
zu entgehen, verfuͤgten ſich die Capitains bald wieder nach den Zelten zuruͤck,
und wir begleiteten ſie dahin, um zu ſehen, was fuͤr natuͤrliche Merkwuͤrdig-
keiten das Land hervorbringe. In gleicher Abſicht machten wir auch nach Tiſche
einen neuen Spatziergang; da wir aber beydemal nicht weit hatten kommen
koͤnnen, ſo beſtanden unſre Entdeckungen nur aus wenigen Pflanzen und Voͤ-
geln, dergleichen wir zu Aitepiha noch nicht geſehen hatten.

Am folgenden Morgen, ſehr fruͤhe, kam eine Menge Canots von Parre
ans Schiff und in einem der kleinſten befand ſich der Koͤnig, der ſeine Gegenge-

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[251/0304] in den Jahren 1772 bis 1775. ganz aus den Augen geſetzt, um der koͤniglichen Wuͤrde deſto mehr Anſehen zu verſchaffen, und eine ſolche Verlaͤugnung der natuͤrlichen Verhaͤltniſſe, zeigt meines Erachtens einen hoͤhern Grad von Cultur und Einſicht an, als andre Rei- ſende den Einwohnern von Tahiti zugeſtanden haben. Ohnerachtet aber Hap- pai die oberſte Herrſchaft nicht mehr in Haͤnden hatte, ſo lies ihm dennoch das ge- meine Volk, ſeiner Geburt und ſeines Standes wegen, große Ehre wiederfahren, und auch der Koͤnig hatte ihn mit einem anſtaͤndigen Unterhalte verſorgt. Der Di- ſtrict oder die Provinz O-Parre ſtand nemlich unmittelbar unter ſeinen Be- fehlen, und aus dieſer zog er fuͤr ſich und ſeine Bedienten was er noͤthig hatte. Wir hielten uns dieſes alten Herrn wegen nur um ein weniges laͤnger auf als wir zuvor willens geweſen waren, beurlaubten uns ſodann vom Vater und Sohne und kehrten wieder nach der Pinnaſſe zuruͤck, welche Maratata die ganze Zeit uͤber nicht verlaſſen hatte, vermuthlich, um ſich dadurch bey ſeinen Landsleu- ten das Anſehen zu geben, als ob er in beſondern Credit bey uns ſtaͤnde. Waͤh- rend unſrer Abweſenheit waren auf (der Landſpitze) Point Venus fuͤr die Holz- hauer, die Waſſertraͤger und die Kranken der Adventure etliche Zelte aufge- ſchlagen worden. Auch hatten die Aſtronomen beyder Schiffe ihre Sternwar- ten ohngefaͤhr auf eben dem Platz errichtet, wo auf der vorigen Reiſe von Herrn Green und Capitain Cook der Durchgang der Venus beobachtet wor- den war. Bey unſerer Ruͤckkunft an Bord fanden wir das Schiff voller India- ner und unter denſelben auch verſchiedne Perſonen von hoͤherem Range. Dieſe hatten ihres Standes wegen im ganzen Schiff uͤberall freyen Zutritt, aber eben deshalb war man auch, vor ihrer Betteley um Glas-Corallen und andre Klei- nigkeiten, in keinem Winkel ſicher. Um dieſer unertraͤglichen Unverſchaͤmtheit zu entgehen, verfuͤgten ſich die Capitains bald wieder nach den Zelten zuruͤck, und wir begleiteten ſie dahin, um zu ſehen, was fuͤr natuͤrliche Merkwuͤrdig- keiten das Land hervorbringe. In gleicher Abſicht machten wir auch nach Tiſche einen neuen Spatziergang; da wir aber beydemal nicht weit hatten kommen koͤnnen, ſo beſtanden unſre Entdeckungen nur aus wenigen Pflanzen und Voͤ- geln, dergleichen wir zu Aitepiha noch nicht geſehen hatten. 1773. Auguſt. Am folgenden Morgen, ſehr fruͤhe, kam eine Menge Canots von Parre ans Schiff und in einem der kleinſten befand ſich der Koͤnig, der ſeine Gegenge- J i 2

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Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/304>, abgerufen am 21.07.2024.