Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778.Forster's Reise um die Welt 1773.August.kamen wir neben einem geräumigen Hause vorbey, das in der angenehmsten Lage unter einem Haufen niedriger Cocos-Palmen erbauet war, die voller Früchte hiengen. Etliche kleine gebratene Fische, die man uns für ein Paar Corallen verkaufte, wurden hier zum Anbiß vorgelegt; Andre von unsrer Gesellschaft, denen es nicht ums Essen zu thun war, badeten unterdessen in der See und er- schienen alsdenn, anstatt in ihrer gewöhnlichen Tracht, nach Tahitischer Manier, in Ahaus von hiesigem Zeuge gekleidet, welches den Leuten um uns her zum größten Vergnügen gereichte. Von hier aus führte uns der Weg längst dem See-Ufer hin, neben einem andern Marai vorbey, das dem vorigen sehr ähn- lich war, und jenseits diesem kamen wir zu einem hübschen Hause, in welchem ein sehr fetter Mann ausgestreckt da lag, und in der nachläßigsten Stellung, das Haupt auf ein hölzernes Kopfküssen gelehnt, faullenzte. Vor ihm waren zwey Bediente beschäftigt seinen Nachtisch zu bereiten. Zu dem Ende stießen sie et- was Brodfrucht und Pisange in einem ziemlich großen hölzernen Troge klein, mischten etwas von dem gegohrnen, sauren Teige der Brodfrucht, welcher Mahei genannt wird, darunter, und gossen Wasser hinzu bis das Gemische so dünn als ein Trank war. Das Instrument, womit sie es durcheinander rieben, war eine Mörser-Keule von einem schwarzen polirten Steine, der eine Basalt-Art zu seyn schien. *) Inmittelst setzte sich eine Frauensperson neben ihn und stopfte ihm von einem großen gebacknen Fische und von Brodfrüchten jedesmal eine gute Hand voll ins Maul, welches er mit sehr gefräßigem Appetit verschlang. Man sahe offenbar, daß er für nichts als den Bauch sorgte, und überhaupt war er ein vollkommnes Bild pflegmatischer Fühllosigkeit. Kaum würdigte er uns eines Seitenblicks und einsylbigte Wörter, die er unterm Kauen zuweilen hören ließ, waren nur eben so viel Befehle an seine Leute, daß sie über dem Hingucken nach uns, das Futtern nicht vergessen mögten. Das große Vergnügen, welches wir auf unsern bisherigen Spatziergängen in der Insel, besonders aber heut, em- pfunden hatten, ward durch den Anblick und durch das Betragen dieses vorneh- men Mannes nicht wenig vermindert. Wir hatten uns bis dahin mit der ange- nehmen Hofnung geschmeichelt, daß wir doch endlich einen kleinen Winkel der Erde *) S. Hawkesworths Geschichte der engl. See-Reisen, in 4. zweyter Band, pag. 199.
Forſter’s Reiſe um die Welt 1773.Auguſt.kamen wir neben einem geraͤumigen Hauſe vorbey, das in der angenehmſten Lage unter einem Haufen niedriger Cocos-Palmen erbauet war, die voller Fruͤchte hiengen. Etliche kleine gebratene Fiſche, die man uns fuͤr ein Paar Corallen verkaufte, wurden hier zum Anbiß vorgelegt; Andre von unſrer Geſellſchaft, denen es nicht ums Eſſen zu thun war, badeten unterdeſſen in der See und er- ſchienen alsdenn, anſtatt in ihrer gewoͤhnlichen Tracht, nach Tahitiſcher Manier, in Ahaus von hieſigem Zeuge gekleidet, welches den Leuten um uns her zum groͤßten Vergnuͤgen gereichte. Von hier aus fuͤhrte uns der Weg laͤngſt dem See-Ufer hin, neben einem andern Marai vorbey, das dem vorigen ſehr aͤhn- lich war, und jenſeits dieſem kamen wir zu einem huͤbſchen Hauſe, in welchem ein ſehr fetter Mann ausgeſtreckt da lag, und in der nachlaͤßigſten Stellung, das Haupt auf ein hoͤlzernes Kopfkuͤſſen gelehnt, faullenzte. Vor ihm waren zwey Bediente beſchaͤftigt ſeinen Nachtiſch zu bereiten. Zu dem Ende ſtießen ſie et- was Brodfrucht und Piſange in einem ziemlich großen hoͤlzernen Troge klein, miſchten etwas von dem gegohrnen, ſauren Teige der Brodfrucht, welcher Mahei genannt wird, darunter, und goſſen Waſſer hinzu bis das Gemiſche ſo duͤnn als ein Trank war. Das Inſtrument, womit ſie es durcheinander rieben, war eine Moͤrſer-Keule von einem ſchwarzen polirten Steine, der eine Baſalt-Art zu ſeyn ſchien. *) Inmittelſt ſetzte ſich eine Frauensperſon neben ihn und ſtopfte ihm von einem großen gebacknen Fiſche und von Brodfruͤchten jedesmal eine gute Hand voll ins Maul, welches er mit ſehr gefraͤßigem Appetit verſchlang. Man ſahe offenbar, daß er fuͤr nichts als den Bauch ſorgte, und uͤberhaupt war er ein vollkommnes Bild pflegmatiſcher Fuͤhlloſigkeit. Kaum wuͤrdigte er uns eines Seitenblicks und einſylbigte Woͤrter, die er unterm Kauen zuweilen hoͤren ließ, waren nur eben ſo viel Befehle an ſeine Leute, daß ſie uͤber dem Hingucken nach uns, das Futtern nicht vergeſſen moͤgten. Das große Vergnuͤgen, welches wir auf unſern bisherigen Spatziergaͤngen in der Inſel, beſonders aber heut, em- pfunden hatten, ward durch den Anblick und durch das Betragen dieſes vorneh- men Mannes nicht wenig vermindert. Wir hatten uns bis dahin mit der ange- nehmen Hofnung geſchmeichelt, daß wir doch endlich einen kleinen Winkel der Erde *) S. Hawkesworths Geſchichte der engl. See-Reiſen, in 4. zweyter Band, pag. 199.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0277" n="224"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><persName>Forſter’s</persName> Reiſe um die Welt</hi></fw><lb/><note place="left">1773.<lb/> Auguſt.</note>kamen wir neben einem geraͤumigen Hauſe vorbey, das in der angenehmſten Lage<lb/> unter einem Haufen niedriger Cocos-Palmen erbauet war, die voller Fruͤchte<lb/> hiengen. Etliche kleine gebratene Fiſche, die man uns fuͤr ein Paar Corallen<lb/> verkaufte, wurden hier zum Anbiß vorgelegt; Andre von unſrer Geſellſchaft,<lb/> denen es nicht ums Eſſen zu thun war, badeten unterdeſſen in der See und er-<lb/> ſchienen alsdenn, anſtatt in ihrer gewoͤhnlichen Tracht, nach <hi rendition="#fr">Tahitiſcher</hi> Manier,<lb/> in <hi rendition="#fr">Ahaus</hi> von hieſigem Zeuge gekleidet, welches den Leuten um uns her zum<lb/> groͤßten Vergnuͤgen gereichte. Von hier aus fuͤhrte uns der Weg laͤngſt dem<lb/> See-Ufer hin, neben einem andern <hi rendition="#fr">Marai</hi> vorbey, das dem vorigen ſehr aͤhn-<lb/> lich war, und jenſeits dieſem kamen wir zu einem huͤbſchen Hauſe, in welchem ein<lb/> ſehr fetter Mann ausgeſtreckt da lag, und in der nachlaͤßigſten Stellung, das<lb/> Haupt auf ein hoͤlzernes Kopfkuͤſſen gelehnt, faullenzte. Vor ihm waren zwey<lb/> Bediente beſchaͤftigt ſeinen Nachtiſch zu bereiten. Zu dem Ende ſtießen ſie et-<lb/> was Brodfrucht und Piſange in einem ziemlich großen hoͤlzernen Troge klein,<lb/> miſchten etwas von dem gegohrnen, ſauren Teige der Brodfrucht, welcher<lb/><hi rendition="#fr">Mahei</hi> genannt wird, darunter, und goſſen Waſſer hinzu bis das Gemiſche ſo duͤnn<lb/> als ein Trank war. Das Inſtrument, womit ſie es durcheinander rieben, war eine<lb/> Moͤrſer-Keule von einem ſchwarzen polirten Steine, der eine Baſalt-Art zu<lb/> ſeyn ſchien. <note place="foot" n="*)">S. <persName>Hawkesworths</persName> Geſchichte der engl. See-Reiſen, in 4. zweyter Band, <hi rendition="#aq">pag.</hi> 199.</note> Inmittelſt ſetzte ſich eine Frauensperſon neben ihn und ſtopfte<lb/> ihm von einem großen gebacknen Fiſche und von Brodfruͤchten jedesmal eine<lb/> gute Hand voll ins Maul, welches er mit ſehr gefraͤßigem Appetit verſchlang.<lb/> Man ſahe offenbar, daß er fuͤr nichts als den Bauch ſorgte, und uͤberhaupt war<lb/> er ein vollkommnes Bild pflegmatiſcher Fuͤhlloſigkeit. Kaum wuͤrdigte er uns<lb/> eines Seitenblicks und einſylbigte Woͤrter, die er unterm Kauen zuweilen hoͤren<lb/> ließ, waren nur eben ſo viel Befehle an ſeine Leute, daß ſie uͤber dem Hingucken nach<lb/> uns, das Futtern nicht vergeſſen moͤgten. Das große Vergnuͤgen, welches wir<lb/> auf unſern bisherigen Spatziergaͤngen in der Inſel, beſonders aber heut, em-<lb/> pfunden hatten, ward durch den Anblick und durch das Betragen dieſes vorneh-<lb/> men Mannes nicht wenig vermindert. Wir hatten uns bis dahin mit der ange-<lb/> nehmen Hofnung geſchmeichelt, daß wir doch endlich einen kleinen Winkel der<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Erde</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [224/0277]
Forſter’s Reiſe um die Welt
kamen wir neben einem geraͤumigen Hauſe vorbey, das in der angenehmſten Lage
unter einem Haufen niedriger Cocos-Palmen erbauet war, die voller Fruͤchte
hiengen. Etliche kleine gebratene Fiſche, die man uns fuͤr ein Paar Corallen
verkaufte, wurden hier zum Anbiß vorgelegt; Andre von unſrer Geſellſchaft,
denen es nicht ums Eſſen zu thun war, badeten unterdeſſen in der See und er-
ſchienen alsdenn, anſtatt in ihrer gewoͤhnlichen Tracht, nach Tahitiſcher Manier,
in Ahaus von hieſigem Zeuge gekleidet, welches den Leuten um uns her zum
groͤßten Vergnuͤgen gereichte. Von hier aus fuͤhrte uns der Weg laͤngſt dem
See-Ufer hin, neben einem andern Marai vorbey, das dem vorigen ſehr aͤhn-
lich war, und jenſeits dieſem kamen wir zu einem huͤbſchen Hauſe, in welchem ein
ſehr fetter Mann ausgeſtreckt da lag, und in der nachlaͤßigſten Stellung, das
Haupt auf ein hoͤlzernes Kopfkuͤſſen gelehnt, faullenzte. Vor ihm waren zwey
Bediente beſchaͤftigt ſeinen Nachtiſch zu bereiten. Zu dem Ende ſtießen ſie et-
was Brodfrucht und Piſange in einem ziemlich großen hoͤlzernen Troge klein,
miſchten etwas von dem gegohrnen, ſauren Teige der Brodfrucht, welcher
Mahei genannt wird, darunter, und goſſen Waſſer hinzu bis das Gemiſche ſo duͤnn
als ein Trank war. Das Inſtrument, womit ſie es durcheinander rieben, war eine
Moͤrſer-Keule von einem ſchwarzen polirten Steine, der eine Baſalt-Art zu
ſeyn ſchien. *) Inmittelſt ſetzte ſich eine Frauensperſon neben ihn und ſtopfte
ihm von einem großen gebacknen Fiſche und von Brodfruͤchten jedesmal eine
gute Hand voll ins Maul, welches er mit ſehr gefraͤßigem Appetit verſchlang.
Man ſahe offenbar, daß er fuͤr nichts als den Bauch ſorgte, und uͤberhaupt war
er ein vollkommnes Bild pflegmatiſcher Fuͤhlloſigkeit. Kaum wuͤrdigte er uns
eines Seitenblicks und einſylbigte Woͤrter, die er unterm Kauen zuweilen hoͤren
ließ, waren nur eben ſo viel Befehle an ſeine Leute, daß ſie uͤber dem Hingucken nach
uns, das Futtern nicht vergeſſen moͤgten. Das große Vergnuͤgen, welches wir
auf unſern bisherigen Spatziergaͤngen in der Inſel, beſonders aber heut, em-
pfunden hatten, ward durch den Anblick und durch das Betragen dieſes vorneh-
men Mannes nicht wenig vermindert. Wir hatten uns bis dahin mit der ange-
nehmen Hofnung geſchmeichelt, daß wir doch endlich einen kleinen Winkel der
Erde
1773.
Auguſt.
*) S. Hawkesworths Geſchichte der engl. See-Reiſen, in 4. zweyter Band, pag. 199.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |