1773. August.Körbe und andre Geräthschaften, desgleichen Coco-Nüsse, Brodfrucht, Yams und Pisangfrüchte in großen Ueberfluß zusammen brachten. Die Verkäufer kamen zum Theil aufs Verdeck und nahmen der Gelegenheit wahr, allerhand Kleinigkeiten wegzustehlen; einige machten es gar so arg, daß sie unsre erhan- delten Coco-Nüsse wieder über Bord und ihren Cameraden zu practicirten, und diese verkauften sie unsern Leuten alsdenn zum zweytenmal. Um nicht wieder so betrogen zu werden, wurden die Diebe vom Schiffe gejagt und mit einigen Peitschen-Hieben gezüchtigt, welche sie geduldig ertrugen.
Die Hitze war heute eben so groß als gestern. Das Thermometer stand auf 90 im Schatten, wenn der Himmel mit Wolken bedeckt war; und um Mit- tag ward es wieder windstill. Ob wir gleich bey dieser Hitze heftig schwitzten, so war sie uns übrigens doch gar nicht so empfindlich und zur Last, als man wohl denken möchte. Wir befanden uns im Gegentheil ungleich frischer und muntrer, als es, vornemlich der gestrigen abmattenden Arbeit nach, zu ver- muthen war. Diesen Vortheil hatten wir aber ohne Zweifel blos der Nachbar- schaft des Landes zu verdanken; die Brodfrucht und die Yams, welche man uns von dorther zubrachte, schmeckten und bekamen uns besser als unser wurm- stichigter Zwieback; und die Pisangs, nebst einer Apfel-Frucht, die von den Ein- wohnern E-vie genannt wird, gaben einen herrlichen Nachtisch ab. Das ein- zige, was wir uns an frischen Lebensmitteln noch wünschen konnten, waren Hühner und Schweine, damit wir anstatt des täglichen Pöckelfleisches eine Abwechslung haben mögten.
Nachmittags giengen die Capitains, nebst einigen anderen Herren zum erstenmal ans Land, um den O-Aheatua zu besuchen, den alle Einwohner hie- siger Gegenden für ihren Erih oder König erkannten. Während dieser Zeit war das Schiff mit einer Menge von Canots umringt, die außer allerhand Kräuterwerk, auch große Quantitäten einländischen Zeugs verhandelten. So gar auf den Verdecken wimmelte es von Indianern, unter welchen es ver- schiedne Frauenspersonen gab, die sich ohne Schwierigkeiten den Wünschen un- srer Matrosen überließen. Einige von denen, die dieses Gewerbe trieben, mochten kaum neun oder zehen Jahr alt seyn und hatten noch nicht das geringste Zeichen der Mannbarkeit an sich. So frühzeitige Ausschweifungen scheinen ei-
nen
Forſter’s Reiſe um die Welt
1773. Auguſt.Koͤrbe und andre Geraͤthſchaften, desgleichen Coco-Nuͤſſe, Brodfrucht, Yams und Piſangfruͤchte in großen Ueberfluß zuſammen brachten. Die Verkaͤufer kamen zum Theil aufs Verdeck und nahmen der Gelegenheit wahr, allerhand Kleinigkeiten wegzuſtehlen; einige machten es gar ſo arg, daß ſie unſre erhan- delten Coco-Nuͤſſe wieder uͤber Bord und ihren Cameraden zu practicirten, und dieſe verkauften ſie unſern Leuten alsdenn zum zweytenmal. Um nicht wieder ſo betrogen zu werden, wurden die Diebe vom Schiffe gejagt und mit einigen Peitſchen-Hieben gezuͤchtigt, welche ſie geduldig ertrugen.
Die Hitze war heute eben ſo groß als geſtern. Das Thermometer ſtand auf 90 im Schatten, wenn der Himmel mit Wolken bedeckt war; und um Mit- tag ward es wieder windſtill. Ob wir gleich bey dieſer Hitze heftig ſchwitzten, ſo war ſie uns uͤbrigens doch gar nicht ſo empfindlich und zur Laſt, als man wohl denken moͤchte. Wir befanden uns im Gegentheil ungleich friſcher und muntrer, als es, vornemlich der geſtrigen abmattenden Arbeit nach, zu ver- muthen war. Dieſen Vortheil hatten wir aber ohne Zweifel blos der Nachbar- ſchaft des Landes zu verdanken; die Brodfrucht und die Yams, welche man uns von dorther zubrachte, ſchmeckten und bekamen uns beſſer als unſer wurm- ſtichigter Zwieback; und die Piſangs, nebſt einer Apfel-Frucht, die von den Ein- wohnern E-vie genannt wird, gaben einen herrlichen Nachtiſch ab. Das ein- zige, was wir uns an friſchen Lebensmitteln noch wuͤnſchen konnten, waren Huͤhner und Schweine, damit wir anſtatt des taͤglichen Poͤckelfleiſches eine Abwechslung haben moͤgten.
Nachmittags giengen die Capitains, nebſt einigen anderen Herren zum erſtenmal ans Land, um den O-Aheatua zu beſuchen, den alle Einwohner hie- ſiger Gegenden fuͤr ihren Erih oder Koͤnig erkannten. Waͤhrend dieſer Zeit war das Schiff mit einer Menge von Canots umringt, die außer allerhand Kraͤuterwerk, auch große Quantitaͤten einlaͤndiſchen Zeugs verhandelten. So gar auf den Verdecken wimmelte es von Indianern, unter welchen es ver- ſchiedne Frauensperſonen gab, die ſich ohne Schwierigkeiten den Wuͤnſchen un- ſrer Matroſen uͤberließen. Einige von denen, die dieſes Gewerbe trieben, mochten kaum neun oder zehen Jahr alt ſeyn und hatten noch nicht das geringſte Zeichen der Mannbarkeit an ſich. So fruͤhzeitige Ausſchweifungen ſcheinen ei-
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Forſter’s Reiſe um die Welt
Koͤrbe und andre Geraͤthſchaften, desgleichen Coco-Nuͤſſe, Brodfrucht, Yams
und Piſangfruͤchte in großen Ueberfluß zuſammen brachten. Die Verkaͤufer
kamen zum Theil aufs Verdeck und nahmen der Gelegenheit wahr, allerhand
Kleinigkeiten wegzuſtehlen; einige machten es gar ſo arg, daß ſie unſre erhan-
delten Coco-Nuͤſſe wieder uͤber Bord und ihren Cameraden zu practicirten, und
dieſe verkauften ſie unſern Leuten alsdenn zum zweytenmal. Um nicht wieder
ſo betrogen zu werden, wurden die Diebe vom Schiffe gejagt und mit einigen
Peitſchen-Hieben gezuͤchtigt, welche ſie geduldig ertrugen.
1773.
Auguſt.
Die Hitze war heute eben ſo groß als geſtern. Das Thermometer ſtand
auf 90 im Schatten, wenn der Himmel mit Wolken bedeckt war; und um Mit-
tag ward es wieder windſtill. Ob wir gleich bey dieſer Hitze heftig ſchwitzten,
ſo war ſie uns uͤbrigens doch gar nicht ſo empfindlich und zur Laſt, als man
wohl denken moͤchte. Wir befanden uns im Gegentheil ungleich friſcher und
muntrer, als es, vornemlich der geſtrigen abmattenden Arbeit nach, zu ver-
muthen war. Dieſen Vortheil hatten wir aber ohne Zweifel blos der Nachbar-
ſchaft des Landes zu verdanken; die Brodfrucht und die Yams, welche man
uns von dorther zubrachte, ſchmeckten und bekamen uns beſſer als unſer wurm-
ſtichigter Zwieback; und die Piſangs, nebſt einer Apfel-Frucht, die von den Ein-
wohnern E-vie genannt wird, gaben einen herrlichen Nachtiſch ab. Das ein-
zige, was wir uns an friſchen Lebensmitteln noch wuͤnſchen konnten, waren
Huͤhner und Schweine, damit wir anſtatt des taͤglichen Poͤckelfleiſches eine
Abwechslung haben moͤgten.
Nachmittags giengen die Capitains, nebſt einigen anderen Herren zum
erſtenmal ans Land, um den O-Aheatua zu beſuchen, den alle Einwohner hie-
ſiger Gegenden fuͤr ihren Erih oder Koͤnig erkannten. Waͤhrend dieſer
Zeit war das Schiff mit einer Menge von Canots umringt, die außer allerhand
Kraͤuterwerk, auch große Quantitaͤten einlaͤndiſchen Zeugs verhandelten. So
gar auf den Verdecken wimmelte es von Indianern, unter welchen es ver-
ſchiedne Frauensperſonen gab, die ſich ohne Schwierigkeiten den Wuͤnſchen un-
ſrer Matroſen uͤberließen. Einige von denen, die dieſes Gewerbe trieben,
mochten kaum neun oder zehen Jahr alt ſeyn und hatten noch nicht das geringſte
Zeichen der Mannbarkeit an ſich. So fruͤhzeitige Ausſchweifungen ſcheinen ei-
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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/253>, abgerufen am 16.07.2024.
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