Die Schöpf- und Ketten-Pumpen wurden in Gang gebracht und die Leute ar- beiteten mit dem lebhaftesten Eifer. Endlich entdeckte man zum großen Glück, daß das Wasser nicht durch ein verborgnes und unzugängliches Leck eindrang, wie jedermann besorgt hatte, sondern daß es in die Vorraths-Cammer des Boots- manns, zu einem Fenster oder Luftloch hereinkam, welches gegen die stürmische See dieser Gegenden nicht fest genug zugemacht und durch die Gewalt der Wel- len eingeschlagen worden war. Nunmehro war keine Gefahr weiter dabey; es ward augenblicklich wieder vermacht und so entkamen wir diesmal ohne andern Schaden, als daß die Kleider und das Gepäck der Matrosen und Officier von dem eingedrungnen Seewasser ganz durchnässet worden waren. Es würde uns indessen schwer wo nicht unmöglich gewesen seyn, das Schiff über Wasser zu hal- ten, wenn der Unterofficier nicht gleichsam durch eine besondre Schickung erwacht wäre, ehe das Uebel überhand genommen hatte. Alle Gegenwart des Geistes unsrer Officiers sammt dem Muth unsers Schiffvolks, würde alsdenn ver- gebens gewesen seyn, und wir hätten zu Grund und Boden gehen müssen, ohne daß uns wegen der sehr finstern Nacht und stürmenden Wellen von dem andern Schiffe aus die geringste Hülfe hätte geleistet werden können.
Ohngefähr um diese Zeit wurden an alle Leute am Bord Fisch-Angeln und Leinen ausgetheilt, damit, so bald wir Land antreffen würden, ein jeder so- gleich Gebrauch davon machen könnte.
Das stürmische Wetter dauerte inzwischen, abwechselnd mit Regen und Nebel vermischt, bis zum 5ten December *) fort, an welchem Tage der Wind zum erstenmale, nachdem wir das Cap verlassen hatten, wieder so gemäßigt war, daß die höchsten Braam-Seegel aufgesetzt werden konnten. Um Mittag befanden wir uns unter dem 47°. 10 Minuten südlicher Breite. Die Freude über das gute Wetter war von kurzer Dauer, denn noch heute Nachmittag fiel schon wie- der Regenwetter ein und die Wellen, welche sich sehr hoch aus Westen her wälz- ten, verkündigten uns, daß wir aus diesem Striche Wind zu gewarten hätten. Er stellte sich auch würklich noch in derselben Nacht und zwar aus Südwest ein, wodurch die Luft so kalt wurde, daß das Thermometer in eben dieser Nacht von
*) Wir hatten in dem bisherigen stürmischen Wetter sechs greße Schweine und einige Schafe verlohren.
Forſter’s Reiſe um die Welt
1772. Decem- ber.
Die Schoͤpf- und Ketten-Pumpen wurden in Gang gebracht und die Leute ar- beiteten mit dem lebhafteſten Eifer. Endlich entdeckte man zum großen Gluͤck, daß das Waſſer nicht durch ein verborgnes und unzugaͤngliches Leck eindrang, wie jedermann beſorgt hatte, ſondern daß es in die Vorraths-Cammer des Boots- manns, zu einem Fenſter oder Luftloch hereinkam, welches gegen die ſtuͤrmiſche See dieſer Gegenden nicht feſt genug zugemacht und durch die Gewalt der Wel- len eingeſchlagen worden war. Nunmehro war keine Gefahr weiter dabey; es ward augenblicklich wieder vermacht und ſo entkamen wir diesmal ohne andern Schaden, als daß die Kleider und das Gepaͤck der Matroſen und Officier von dem eingedrungnen Seewaſſer ganz durchnaͤſſet worden waren. Es wuͤrde uns indeſſen ſchwer wo nicht unmoͤglich geweſen ſeyn, das Schiff uͤber Waſſer zu hal- ten, wenn der Unterofficier nicht gleichſam durch eine beſondre Schickung erwacht waͤre, ehe das Uebel uͤberhand genommen hatte. Alle Gegenwart des Geiſtes unſrer Officiers ſammt dem Muth unſers Schiffvolks, wuͤrde alsdenn ver- gebens geweſen ſeyn, und wir haͤtten zu Grund und Boden gehen muͤſſen, ohne daß uns wegen der ſehr finſtern Nacht und ſtuͤrmenden Wellen von dem andern Schiffe aus die geringſte Huͤlfe haͤtte geleiſtet werden koͤnnen.
Ohngefaͤhr um dieſe Zeit wurden an alle Leute am Bord Fiſch-Angeln und Leinen ausgetheilt, damit, ſo bald wir Land antreffen wuͤrden, ein jeder ſo- gleich Gebrauch davon machen koͤnnte.
Das ſtuͤrmiſche Wetter dauerte inzwiſchen, abwechſelnd mit Regen und Nebel vermiſcht, bis zum 5ten December *) fort, an welchem Tage der Wind zum erſtenmale, nachdem wir das Cap verlaſſen hatten, wieder ſo gemaͤßigt war, daß die hoͤchſten Braam-Seegel aufgeſetzt werden konnten. Um Mittag befanden wir uns unter dem 47°. 10 Minuten ſuͤdlicher Breite. Die Freude uͤber das gute Wetter war von kurzer Dauer, denn noch heute Nachmittag fiel ſchon wie- der Regenwetter ein und die Wellen, welche ſich ſehr hoch aus Weſten her waͤlz- ten, verkuͤndigten uns, daß wir aus dieſem Striche Wind zu gewarten haͤtten. Er ſtellte ſich auch wuͤrklich noch in derſelben Nacht und zwar aus Suͤdweſt ein, wodurch die Luft ſo kalt wurde, daß das Thermometer in eben dieſer Nacht von
*) Wir hatten in dem bisherigen ſtuͤrmiſchen Wetter ſechs greße Schweine und einige Schafe verlohren.
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Forſter’s Reiſe um die Welt
Die Schoͤpf- und Ketten-Pumpen wurden in Gang gebracht und die Leute ar-
beiteten mit dem lebhafteſten Eifer. Endlich entdeckte man zum großen Gluͤck,
daß das Waſſer nicht durch ein verborgnes und unzugaͤngliches Leck eindrang,
wie jedermann beſorgt hatte, ſondern daß es in die Vorraths-Cammer des Boots-
manns, zu einem Fenſter oder Luftloch hereinkam, welches gegen die ſtuͤrmiſche
See dieſer Gegenden nicht feſt genug zugemacht und durch die Gewalt der Wel-
len eingeſchlagen worden war. Nunmehro war keine Gefahr weiter dabey; es
ward augenblicklich wieder vermacht und ſo entkamen wir diesmal ohne andern
Schaden, als daß die Kleider und das Gepaͤck der Matroſen und Officier von
dem eingedrungnen Seewaſſer ganz durchnaͤſſet worden waren. Es wuͤrde uns
indeſſen ſchwer wo nicht unmoͤglich geweſen ſeyn, das Schiff uͤber Waſſer zu hal-
ten, wenn der Unterofficier nicht gleichſam durch eine beſondre Schickung erwacht
waͤre, ehe das Uebel uͤberhand genommen hatte. Alle Gegenwart des Geiſtes
unſrer Officiers ſammt dem Muth unſers Schiffvolks, wuͤrde alsdenn ver-
gebens geweſen ſeyn, und wir haͤtten zu Grund und Boden gehen muͤſſen, ohne
daß uns wegen der ſehr finſtern Nacht und ſtuͤrmenden Wellen von dem andern
Schiffe aus die geringſte Huͤlfe haͤtte geleiſtet werden koͤnnen.
Ohngefaͤhr um dieſe Zeit wurden an alle Leute am Bord Fiſch-Angeln
und Leinen ausgetheilt, damit, ſo bald wir Land antreffen wuͤrden, ein jeder ſo-
gleich Gebrauch davon machen koͤnnte.
Das ſtuͤrmiſche Wetter dauerte inzwiſchen, abwechſelnd mit Regen und
Nebel vermiſcht, bis zum 5ten December *) fort, an welchem Tage der Wind
zum erſtenmale, nachdem wir das Cap verlaſſen hatten, wieder ſo gemaͤßigt war,
daß die hoͤchſten Braam-Seegel aufgeſetzt werden konnten. Um Mittag befanden
wir uns unter dem 47°. 10 Minuten ſuͤdlicher Breite. Die Freude uͤber das
gute Wetter war von kurzer Dauer, denn noch heute Nachmittag fiel ſchon wie-
der Regenwetter ein und die Wellen, welche ſich ſehr hoch aus Weſten her waͤlz-
ten, verkuͤndigten uns, daß wir aus dieſem Striche Wind zu gewarten haͤtten.
Er ſtellte ſich auch wuͤrklich noch in derſelben Nacht und zwar aus Suͤdweſt ein,
wodurch die Luft ſo kalt wurde, daß das Thermometer in eben dieſer Nacht von
*) Wir hatten in dem bisherigen ſtuͤrmiſchen Wetter ſechs greße Schweine und einige Schafe
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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/113>, abgerufen am 26.11.2024.
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