dung, oder endlich der Mimik und De¬ klamation, auf die höchste Stufe der Voll¬ kommenheit zu bringen. Vielleicht aber liegt es schon in der Natur menschlicher An¬ lagen, dass gemeinhin bei der Concentration aller Kräfte auf diese mechanischen Vorü¬ bungen, die Fähigkeit zu den höheren Zwek¬ ken der Kunst hinanzusteigen, verloren geht oder wohl gar von Grund aus schon fehlt. In der Mechanik der Kunst konnten die Nie¬ derländer selbst einen Raphael übertreffen; allein wer seine Formen sieht, in seinen Ge¬ mälden Gedanken liest und Gefühle ahndet, den umfassenden, erschöpfenden wählenden Sinn darin erkennt, womit der hohe Künst¬ ler den Menschen und sein Treiben durch¬ schaute -- wird ihm der nicht die kleinen Mängel seiner Palette gern erlassen? Ich möchte fast noch weiter gehen, ich möchte mich überreden, dass den grössten Meistern
dung, oder endlich der Mimik und De¬ klamation, auf die höchste Stufe der Voll¬ kommenheit zu bringen. Vielleicht aber liegt es schon in der Natur menschlicher An¬ lagen, daſs gemeinhin bei der Concentration aller Kräfte auf diese mechanischen Vorü¬ bungen, die Fähigkeit zu den höheren Zwek¬ ken der Kunst hinanzusteigen, verloren geht oder wohl gar von Grund aus schon fehlt. In der Mechanik der Kunst konnten die Nie¬ derländer selbst einen Raphael übertreffen; allein wer seine Formen sieht, in seinen Ge¬ mälden Gedanken liest und Gefühle ahndet, den umfassenden, erschöpfenden wählenden Sinn darin erkennt, womit der hohe Künst¬ ler den Menschen und sein Treiben durch¬ schaute — wird ihm der nicht die kleinen Mängel seiner Palette gern erlassen? Ich möchte fast noch weiter gehen, ich möchte mich überreden, daſs den gröſsten Meistern
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0305"n="299"/>
dung, oder endlich der Mimik und De¬<lb/>
klamation, auf die höchste Stufe der Voll¬<lb/>
kommenheit zu bringen. Vielleicht aber<lb/>
liegt es schon in der Natur menschlicher An¬<lb/>
lagen, daſs gemeinhin bei der Concentration<lb/>
aller Kräfte auf diese mechanischen Vorü¬<lb/>
bungen, die Fähigkeit zu den höheren Zwek¬<lb/>
ken der Kunst hinanzusteigen, verloren geht<lb/>
oder wohl gar von Grund aus schon fehlt.<lb/>
In der Mechanik der Kunst konnten die Nie¬<lb/>
derländer selbst einen <hirendition="#i">Raphael</hi> übertreffen;<lb/>
allein wer seine Formen sieht, in seinen Ge¬<lb/>
mälden Gedanken liest und Gefühle ahndet,<lb/>
den umfassenden, erschöpfenden wählenden<lb/>
Sinn darin erkennt, womit der hohe Künst¬<lb/>
ler den Menschen und sein Treiben durch¬<lb/>
schaute — wird ihm der nicht die kleinen<lb/>
Mängel seiner Palette gern erlassen? Ich<lb/>
möchte fast noch weiter gehen, ich möchte<lb/>
mich überreden, daſs den gröſsten Meistern<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[299/0305]
dung, oder endlich der Mimik und De¬
klamation, auf die höchste Stufe der Voll¬
kommenheit zu bringen. Vielleicht aber
liegt es schon in der Natur menschlicher An¬
lagen, daſs gemeinhin bei der Concentration
aller Kräfte auf diese mechanischen Vorü¬
bungen, die Fähigkeit zu den höheren Zwek¬
ken der Kunst hinanzusteigen, verloren geht
oder wohl gar von Grund aus schon fehlt.
In der Mechanik der Kunst konnten die Nie¬
derländer selbst einen Raphael übertreffen;
allein wer seine Formen sieht, in seinen Ge¬
mälden Gedanken liest und Gefühle ahndet,
den umfassenden, erschöpfenden wählenden
Sinn darin erkennt, womit der hohe Künst¬
ler den Menschen und sein Treiben durch¬
schaute — wird ihm der nicht die kleinen
Mängel seiner Palette gern erlassen? Ich
möchte fast noch weiter gehen, ich möchte
mich überreden, daſs den gröſsten Meistern
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Forster, Georg: Ansichten vom Niederrhein. Bd. 2. Berlin, 1791, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_niederrhein02_1791/305>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.