Auch unter dem hiesigen Frauenzimmer habe ich manches hübsche Flämische Ge¬ sicht bemerkt und in einem Buchladen glaub¬ te ich an der Frau vom Hause das Ebenbild einer von Rubens Frauen zu sehen; nur Schade, dass diese schönen und zum Theil auch feinen Züge, dieses völlige Gesicht mit den grossen, offenen braunen Augen, den starken Augenbrauen, der kleinen, geraden Nase, den zarten rosenrothen Lippen und der durchschimmernden Röthe auf dem le¬ bendigen Weiss des Teints -- so stumm und seelenlos erscheinen und von jener Empfäng¬ lichkeit, die überall das Erbe des Weibes seyn sollte, nichts verrathen. Ferne sei es, dass ich hier die ausgebildeten Reize des ideenreichen Wesens fordern sollte, die nach den Umständen unmöglich hier anzutreffen sind; aber Seele könnte doch das Auge stra¬ len, leise, sanft und innig könnten auch un¬
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Auch unter dem hiesigen Frauenzimmer habe ich manches hübsche Flämische Ge¬ sicht bemerkt und in einem Buchladen glaub¬ te ich an der Frau vom Hause das Ebenbild einer von Rubens Frauen zu sehen; nur Schade, daſs diese schönen und zum Theil auch feinen Züge, dieses völlige Gesicht mit den groſsen, offenen braunen Augen, den starken Augenbrauen, der kleinen, geraden Nase, den zarten rosenrothen Lippen und der durchschimmernden Röthe auf dem le¬ bendigen Weiſs des Teints — so stumm und seelenlos erscheinen und von jener Empfäng¬ lichkeit, die überall das Erbe des Weibes seyn sollte, nichts verrathen. Ferne sei es, daſs ich hier die ausgebildeten Reize des ideenreichen Wesens fordern sollte, die nach den Umständen unmöglich hier anzutreffen sind; aber Seele könnte doch das Auge stra¬ len, leise, sanft und innig könnten auch un¬
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Auch unter dem hiesigen Frauenzimmer
habe ich manches hübsche Flämische Ge¬
sicht bemerkt und in einem Buchladen glaub¬
te ich an der Frau vom Hause das Ebenbild
einer von Rubens Frauen zu sehen; nur
Schade, daſs diese schönen und zum Theil
auch feinen Züge, dieses völlige Gesicht mit
den groſsen, offenen braunen Augen, den
starken Augenbrauen, der kleinen, geraden
Nase, den zarten rosenrothen Lippen und
der durchschimmernden Röthe auf dem le¬
bendigen Weiſs des Teints — so stumm und
seelenlos erscheinen und von jener Empfäng¬
lichkeit, die überall das Erbe des Weibes
seyn sollte, nichts verrathen. Ferne sei es,
daſs ich hier die ausgebildeten Reize des
ideenreichen Wesens fordern sollte, die nach
den Umständen unmöglich hier anzutreffen
sind; aber Seele könnte doch das Auge stra¬
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Forster, Georg: Ansichten vom Niederrhein. Bd. 2. Berlin, 1791, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_niederrhein02_1791/285>, abgerufen am 22.11.2024.
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