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Forster, Georg: Ansichten vom Niederrhein. Bd. 1. Berlin, 1791.

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gerade dieser Scene ein eigenthümliches, nicht
durch die Nebenidee der Religion hineinge¬
tragenes Interesse zu geben. Das kleine Bild,
wo Christus mit dem von ihm geheilten
Gichtbrüchigen spricht, hat eine fast tizia¬
nische Wahrheit, der man aber wegen des
äusserst unedlen Christuskopfes nicht froh
werden kann. Eben so ärgerlich find' ich
es, dass der travestirte Jupiter, der als Satyr
die schlafende Antiope überrascht, so ganz
im Satyr verloren, so ganz gemeiner Satyr
ist, und nur, weil sein Adler sich blicken
lässt, als Donnergott anerkannt werden muss.
Die Nymphe hat zwar eine Frische Farbe;
aber so wunderschön ist sie eben nicht, dass
sie eine Jupitersverwandlung verdiente. Ei¬
ne Madonna mit dem Christkinde und dem
kleinen Johannes hat alle Vorzüge der Farbe
und des Fleisches, wiewohl dem Bilde noch
die letzte Hand des Künstlers zu fehlen

I. Theil. N

gerade dieser Scene ein eigenthümliches, nicht
durch die Nebenidee der Religion hineinge¬
tragenes Interesse zu geben. Das kleine Bild,
wo Christus mit dem von ihm geheilten
Gichtbrüchigen spricht, hat eine fast tizia¬
nische Wahrheit, der man aber wegen des
äuſserst unedlen Christuskopfes nicht froh
werden kann. Eben so ärgerlich find’ ich
es, daſs der travestirte Jupiter, der als Satyr
die schlafende Antiope überrascht, so ganz
im Satyr verloren, so ganz gemeiner Satyr
ist, und nur, weil sein Adler sich blicken
läſst, als Donnergott anerkannt werden muſs.
Die Nymphe hat zwar eine Frische Farbe;
aber so wunderschön ist sie eben nicht, daſs
sie eine Jupitersverwandlung verdiente. Ei¬
ne Madonna mit dem Christkinde und dem
kleinen Johannes hat alle Vorzüge der Farbe
und des Fleisches, wiewohl dem Bilde noch
die letzte Hand des Künstlers zu fehlen

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[193/0205] gerade dieser Scene ein eigenthümliches, nicht durch die Nebenidee der Religion hineinge¬ tragenes Interesse zu geben. Das kleine Bild, wo Christus mit dem von ihm geheilten Gichtbrüchigen spricht, hat eine fast tizia¬ nische Wahrheit, der man aber wegen des äuſserst unedlen Christuskopfes nicht froh werden kann. Eben so ärgerlich find’ ich es, daſs der travestirte Jupiter, der als Satyr die schlafende Antiope überrascht, so ganz im Satyr verloren, so ganz gemeiner Satyr ist, und nur, weil sein Adler sich blicken läſst, als Donnergott anerkannt werden muſs. Die Nymphe hat zwar eine Frische Farbe; aber so wunderschön ist sie eben nicht, daſs sie eine Jupitersverwandlung verdiente. Ei¬ ne Madonna mit dem Christkinde und dem kleinen Johannes hat alle Vorzüge der Farbe und des Fleisches, wiewohl dem Bilde noch die letzte Hand des Künstlers zu fehlen I. Theil. N

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Zitationshilfe: Forster, Georg: Ansichten vom Niederrhein. Bd. 1. Berlin, 1791, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_niederrhein01_1791/205>, abgerufen am 27.04.2024.