Die reine, treue Darstellung des Leben¬ digen und Natürlichen würde diese gefällige Wirkung auf die Empfindung des Zuschauers nie verfehlen, wenn es nicht in der Natur selbst Gegenstände gäbe, deren erster und mächtigster Eindruck unsern Selbsterhaltungs¬ trieb aufregt, und Abneigung, Widerwillen, Abscheu oder Furcht und Schrecken zuwege bringt. Der Anblick alles Missgestalteten, Unzweckmässigen, Schädlichen in der Natur, des Gewaltthätigen und Zerstörenden, des körperlichen Schmerzes, heftiger Krämpfe, ekelhafter Zerfleischungen, kranker oder auch leidenschaftlicher Entstellung, dies alles er¬ schüttert zuerst unser Nervensystem mit dem Gefühle der eigenen Verletzbarkeit, welches zur Erhaltung eines endlichen Daseyns wir¬ ken muss. Ist es daher nicht sonderdar, dass so viele Künstler, und unter diesen manche der berühmtesten, gerade diese Ge¬
Die reine, treue Darstellung des Leben¬ digen und Natürlichen würde diese gefällige Wirkung auf die Empfindung des Zuschauers nie verfehlen, wenn es nicht in der Natur selbst Gegenstände gäbe, deren erster und mächtigster Eindruck unsern Selbsterhaltungs¬ trieb aufregt, und Abneigung, Widerwillen, Abscheu oder Furcht und Schrecken zuwege bringt. Der Anblick alles Miſsgestalteten, Unzweckmäſsigen, Schädlichen in der Natur, des Gewaltthätigen und Zerstörenden, des körperlichen Schmerzes, heftiger Krämpfe, ekelhafter Zerfleischungen, kranker oder auch leidenschaftlicher Entstellung, dies alles er¬ schüttert zuerst unser Nervensystem mit dem Gefühle der eigenen Verletzbarkeit, welches zur Erhaltung eines endlichen Daseyns wir¬ ken muſs. Ist es daher nicht sonderdar, daſs so viele Künstler, und unter diesen manche der berühmtesten, gerade diese Ge¬
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0185"n="173"/><p>Die reine, treue Darstellung des Leben¬<lb/>
digen und Natürlichen würde diese gefällige<lb/>
Wirkung auf die Empfindung des Zuschauers<lb/>
nie verfehlen, wenn es nicht in der Natur<lb/>
selbst Gegenstände gäbe, deren erster und<lb/>
mächtigster Eindruck unsern Selbsterhaltungs¬<lb/>
trieb aufregt, und Abneigung, Widerwillen,<lb/>
Abscheu oder Furcht und Schrecken zuwege<lb/>
bringt. Der Anblick alles Miſsgestalteten,<lb/>
Unzweckmäſsigen, Schädlichen in der Natur,<lb/>
des Gewaltthätigen und Zerstörenden, des<lb/>
körperlichen Schmerzes, heftiger Krämpfe,<lb/>
ekelhafter Zerfleischungen, kranker oder auch<lb/>
leidenschaftlicher Entstellung, dies alles er¬<lb/>
schüttert zuerst unser Nervensystem mit dem<lb/>
Gefühle der eigenen Verletzbarkeit, welches<lb/>
zur Erhaltung eines endlichen Daseyns wir¬<lb/>
ken muſs. Ist es daher nicht sonderdar,<lb/>
daſs so viele Künstler, und unter diesen<lb/>
manche der berühmtesten, gerade diese Ge¬<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[173/0185]
Die reine, treue Darstellung des Leben¬
digen und Natürlichen würde diese gefällige
Wirkung auf die Empfindung des Zuschauers
nie verfehlen, wenn es nicht in der Natur
selbst Gegenstände gäbe, deren erster und
mächtigster Eindruck unsern Selbsterhaltungs¬
trieb aufregt, und Abneigung, Widerwillen,
Abscheu oder Furcht und Schrecken zuwege
bringt. Der Anblick alles Miſsgestalteten,
Unzweckmäſsigen, Schädlichen in der Natur,
des Gewaltthätigen und Zerstörenden, des
körperlichen Schmerzes, heftiger Krämpfe,
ekelhafter Zerfleischungen, kranker oder auch
leidenschaftlicher Entstellung, dies alles er¬
schüttert zuerst unser Nervensystem mit dem
Gefühle der eigenen Verletzbarkeit, welches
zur Erhaltung eines endlichen Daseyns wir¬
ken muſs. Ist es daher nicht sonderdar,
daſs so viele Künstler, und unter diesen
manche der berühmtesten, gerade diese Ge¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Forster, Georg: Ansichten vom Niederrhein. Bd. 1. Berlin, 1791, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_niederrhein01_1791/185>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.