Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.fehlte noch und kam auch wirklich um eine halbe Stunde zu spät. Wir waren, um Fourniers willen, in einer tödlichen Verlegenheit. Er aber, ganz feiner Mann, blieb durchaus ruhig und heiter und sagte nur zu meiner Braut: "Es ist vielleicht von Vorbedeutung, - Sie sollen warten lernen." Und nun waren wir getraut und fuhren in unsrer Kutsche zu "Georges", wo in einem kleinen Hintersaal, der den Blick auf einen Garten hatte, gedeckt war. Eine Balkonthür stand auf, denn es war ein wunderschöner Tag. Draußen flogen noch die Vögel hin und her, aber es waren wohl bloß Sperlinge. Das Arrangement hatten wir Wilhelm Spreetz überlassen. Wilhelm Spreetz, ein behäbiger Herr von Mitte 30, war Oberkellner im Cafe national hinter der Katholischen Kirche, dem Lokal also, drin wir seit einer ganzen Reihe von Jahren unsre Tunnelsitzungen hatten. Bei diesen Sitzungen uns zu bedienen, war der Stolz unsres litterarisch etwas angekränkelten Wilhelm Spreetz, und als er davon hörte, daß ich Hochzeit machen wollte, bat er darum, dabei sein und so weit das in einem fremden Lokale möglich, alles leiten zu dürfen. Eine Bitte, die ich, schon weil ich an die Macht freundlicher Hände glaube, mit tausend Freuden erfüllte. fehlte noch und kam auch wirklich um eine halbe Stunde zu spät. Wir waren, um Fourniers willen, in einer tödlichen Verlegenheit. Er aber, ganz feiner Mann, blieb durchaus ruhig und heiter und sagte nur zu meiner Braut: „Es ist vielleicht von Vorbedeutung, – Sie sollen warten lernen.“ Und nun waren wir getraut und fuhren in unsrer Kutsche zu „Georges“, wo in einem kleinen Hintersaal, der den Blick auf einen Garten hatte, gedeckt war. Eine Balkonthür stand auf, denn es war ein wunderschöner Tag. Draußen flogen noch die Vögel hin und her, aber es waren wohl bloß Sperlinge. Das Arrangement hatten wir Wilhelm Spreetz überlassen. Wilhelm Spreetz, ein behäbiger Herr von Mitte 30, war Oberkellner im Café national hinter der Katholischen Kirche, dem Lokal also, drin wir seit einer ganzen Reihe von Jahren unsre Tunnelsitzungen hatten. Bei diesen Sitzungen uns zu bedienen, war der Stolz unsres litterarisch etwas angekränkelten Wilhelm Spreetz, und als er davon hörte, daß ich Hochzeit machen wollte, bat er darum, dabei sein und so weit das in einem fremden Lokale möglich, alles leiten zu dürfen. Eine Bitte, die ich, schon weil ich an die Macht freundlicher Hände glaube, mit tausend Freuden erfüllte. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0686" n="677"/> fehlte noch und kam auch wirklich um eine halbe Stunde zu spät. Wir waren, um Fourniers willen, in einer tödlichen Verlegenheit. Er aber, ganz feiner Mann, blieb durchaus ruhig und heiter und sagte nur zu meiner Braut: „Es ist vielleicht von Vorbedeutung, – <hi rendition="#g">Sie sollen warten lernen</hi>.“</p><lb/> <p>Und nun waren wir getraut und fuhren in unsrer Kutsche zu „Georges“, wo in einem kleinen Hintersaal, der den Blick auf einen Garten hatte, gedeckt war. Eine Balkonthür stand auf, denn es war ein wunderschöner Tag. Draußen flogen noch die Vögel hin und her, aber es waren wohl bloß Sperlinge.</p><lb/> <p>Das Arrangement hatten wir Wilhelm Spreetz überlassen. Wilhelm Spreetz, ein behäbiger Herr von Mitte 30, war Oberkellner im <hi rendition="#aq">Café national</hi> hinter der Katholischen Kirche, <hi rendition="#g">dem</hi> Lokal also, drin wir seit einer ganzen Reihe von Jahren unsre Tunnelsitzungen hatten. Bei diesen Sitzungen uns zu bedienen, war der Stolz unsres litterarisch etwas angekränkelten Wilhelm Spreetz, und als er davon hörte, daß ich Hochzeit machen wollte, bat er darum, dabei sein und so weit das in einem fremden Lokale möglich, alles leiten zu dürfen. Eine Bitte, die ich, schon weil ich an die Macht freundlicher Hände glaube, mit tausend Freuden erfüllte.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [677/0686]
fehlte noch und kam auch wirklich um eine halbe Stunde zu spät. Wir waren, um Fourniers willen, in einer tödlichen Verlegenheit. Er aber, ganz feiner Mann, blieb durchaus ruhig und heiter und sagte nur zu meiner Braut: „Es ist vielleicht von Vorbedeutung, – Sie sollen warten lernen.“
Und nun waren wir getraut und fuhren in unsrer Kutsche zu „Georges“, wo in einem kleinen Hintersaal, der den Blick auf einen Garten hatte, gedeckt war. Eine Balkonthür stand auf, denn es war ein wunderschöner Tag. Draußen flogen noch die Vögel hin und her, aber es waren wohl bloß Sperlinge.
Das Arrangement hatten wir Wilhelm Spreetz überlassen. Wilhelm Spreetz, ein behäbiger Herr von Mitte 30, war Oberkellner im Café national hinter der Katholischen Kirche, dem Lokal also, drin wir seit einer ganzen Reihe von Jahren unsre Tunnelsitzungen hatten. Bei diesen Sitzungen uns zu bedienen, war der Stolz unsres litterarisch etwas angekränkelten Wilhelm Spreetz, und als er davon hörte, daß ich Hochzeit machen wollte, bat er darum, dabei sein und so weit das in einem fremden Lokale möglich, alles leiten zu dürfen. Eine Bitte, die ich, schon weil ich an die Macht freundlicher Hände glaube, mit tausend Freuden erfüllte.
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(2018-07-25T10:02:20Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T10:02:20Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
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