Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.ob sie schon durch sich selbst und ihre mehr oder weniger fragwürdige Gegenwart ein Schmuck und ein Stolz der Gesellschaft wären, so ist das nicht bloß ein elender Geiz, sondern auch Ueberhebung und in den schlimmen und schlimmsten Fällen ein Etwas, das an der Grenze der Unverschämtheit liegt. Zu dieser letzteren Gruppe gehörte der aus purem Dünkel und Uebermut seinen Beitrag verweigernde Stockjobber, der sich, eitel und pfiffig, in unsern Tunnel eingedrängt hatte. Diesen Kranz auf sein Grab! Doch zurück zu freundlicheren Bildern. Am 15. Oktober war Polterabend gewesen, am 16. war Hochzeit. Ich habe viele hübsche Hochzeiten mitgemacht, aber keine hübschere als meine eigne. Da wir nur wenig Personen waren, etwa zwanzig, so hatten wir uns auch ein ganz kleines Hochzeitslokal ausgesucht und zwar ein Lokal in der Bellevuestraße - schräg gegenüber dem jetzigen Wilhelmsgymnasium - das "Bei Georges" hieß und sich wegen seiner "Spargel und Kalbkoteletts" bei dem vormärzlichen Berliner eines großen Ansehns erfreute. Dem Gastmahl voraus ging natürlich die Trauung, die zu 2 Uhr in der Fournierschen Kirche, Klosterstraße, festgesetzt worden war. Alles hatte sich rechtzeitig in der Sakristei versammelt, nur mein Vater ob sie schon durch sich selbst und ihre mehr oder weniger fragwürdige Gegenwart ein Schmuck und ein Stolz der Gesellschaft wären, so ist das nicht bloß ein elender Geiz, sondern auch Ueberhebung und in den schlimmen und schlimmsten Fällen ein Etwas, das an der Grenze der Unverschämtheit liegt. Zu dieser letzteren Gruppe gehörte der aus purem Dünkel und Uebermut seinen Beitrag verweigernde Stockjobber, der sich, eitel und pfiffig, in unsern Tunnel eingedrängt hatte. Diesen Kranz auf sein Grab! Doch zurück zu freundlicheren Bildern. Am 15. Oktober war Polterabend gewesen, am 16. war Hochzeit. Ich habe viele hübsche Hochzeiten mitgemacht, aber keine hübschere als meine eigne. Da wir nur wenig Personen waren, etwa zwanzig, so hatten wir uns auch ein ganz kleines Hochzeitslokal ausgesucht und zwar ein Lokal in der Bellevuestraße – schräg gegenüber dem jetzigen Wilhelmsgymnasium – das „Bei Georges“ hieß und sich wegen seiner „Spargel und Kalbkoteletts“ bei dem vormärzlichen Berliner eines großen Ansehns erfreute. Dem Gastmahl voraus ging natürlich die Trauung, die zu 2 Uhr in der Fournierschen Kirche, Klosterstraße, festgesetzt worden war. Alles hatte sich rechtzeitig in der Sakristei versammelt, nur mein Vater <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0685" n="676"/> ob sie schon <hi rendition="#g">durch sich selbst</hi> und ihre mehr oder weniger fragwürdige Gegenwart ein Schmuck und ein Stolz der Gesellschaft wären, so ist das nicht bloß ein elender Geiz, sondern auch Ueberhebung und in den schlimmen und schlimmsten Fällen ein Etwas, das an der Grenze der Unverschämtheit liegt.</p><lb/> <p>Zu dieser letzteren Gruppe gehörte der aus purem Dünkel und Uebermut seinen Beitrag verweigernde Stockjobber, der sich, eitel und pfiffig, in unsern Tunnel eingedrängt hatte. Diesen Kranz auf sein Grab!</p><lb/> <p>Doch zurück zu freundlicheren Bildern.</p><lb/> <p>Am 15. Oktober war Polterabend gewesen<choice><sic/><corr>,</corr></choice> am 16. war Hochzeit. Ich habe viele hübsche Hochzeiten mitgemacht, aber keine hübschere als meine eigne. Da wir nur wenig Personen waren, etwa zwanzig, so hatten wir uns auch ein ganz kleines Hochzeitslokal ausgesucht und zwar ein Lokal in der Bellevuestraße – schräg gegenüber dem jetzigen Wilhelmsgymnasium – das „Bei Georges“ hieß und sich wegen seiner „Spargel und Kalbkoteletts“ bei dem vormärzlichen Berliner eines großen Ansehns erfreute. Dem Gastmahl voraus ging natürlich die Trauung, die zu 2 Uhr in der Fournierschen Kirche, Klosterstraße, festgesetzt worden war. Alles hatte sich rechtzeitig in der Sakristei versammelt, nur mein Vater<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [676/0685]
ob sie schon durch sich selbst und ihre mehr oder weniger fragwürdige Gegenwart ein Schmuck und ein Stolz der Gesellschaft wären, so ist das nicht bloß ein elender Geiz, sondern auch Ueberhebung und in den schlimmen und schlimmsten Fällen ein Etwas, das an der Grenze der Unverschämtheit liegt.
Zu dieser letzteren Gruppe gehörte der aus purem Dünkel und Uebermut seinen Beitrag verweigernde Stockjobber, der sich, eitel und pfiffig, in unsern Tunnel eingedrängt hatte. Diesen Kranz auf sein Grab!
Doch zurück zu freundlicheren Bildern.
Am 15. Oktober war Polterabend gewesen, am 16. war Hochzeit. Ich habe viele hübsche Hochzeiten mitgemacht, aber keine hübschere als meine eigne. Da wir nur wenig Personen waren, etwa zwanzig, so hatten wir uns auch ein ganz kleines Hochzeitslokal ausgesucht und zwar ein Lokal in der Bellevuestraße – schräg gegenüber dem jetzigen Wilhelmsgymnasium – das „Bei Georges“ hieß und sich wegen seiner „Spargel und Kalbkoteletts“ bei dem vormärzlichen Berliner eines großen Ansehns erfreute. Dem Gastmahl voraus ging natürlich die Trauung, die zu 2 Uhr in der Fournierschen Kirche, Klosterstraße, festgesetzt worden war. Alles hatte sich rechtzeitig in der Sakristei versammelt, nur mein Vater
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(2018-07-25T10:02:20Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T10:02:20Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
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