Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.stand - oft gerade da, wo er entrüstet schien - durchaus über den Dingen, mehr vielleicht, als er seiner Stellung und seinem Bekenntnis nach durfte. Durch und durch "Figur", war er noch ganz von der alten Garde, deren Reihen sich immer mehr lichten. Dem Rechtsurteil, das ihn traf, unterwarf er sich nicht nur äußerlich, sondern auch in seinem eignen Gemüte. "Es ist meine Strafe; sie trifft mich da, wo ich gefehlt." Denn er wußte sehr wohl, daß Hochmut der Fehler seines Lebens gewesen war. Wir hatten natürlich auch einen Polterabend und die kleinen Räume waren ganz gefüllt, da nicht nur Verwandtschaft, sondern auch viele Tunnelmitglieder erschienen waren, einige davon direkt abdeputiert, um uns unter freundlicher Ansprache - Heinrich Smidt als Redner - ein hübsches und beinah wertvolles Geschenk zu überreichen. Alle Vereinsmitglieder hatten sich daran beteiligt, unter Ausschluß eines Einzigen, der sich bis dahin immer an mich gedrängt und gegen den ich, als ich von seiner Ablehnung erfuhr, einen wahren Haß faßte, den ich mir auch bis diesen Tag zu meiner ganz besonderen Freude bewahrt habe. Wenn man in einem dicken Buche, noch dazu bei Mitteilungen aus dem eignen Leben, dicht am Abschluß ist, ist es vielleicht gewagt, so noch nebenher rasch eine kleine Haß-Orgie feiern zu wollen. Aber stand – oft gerade da, wo er entrüstet schien – durchaus über den Dingen, mehr vielleicht, als er seiner Stellung und seinem Bekenntnis nach durfte. Durch und durch „Figur“, war er noch ganz von der alten Garde, deren Reihen sich immer mehr lichten. Dem Rechtsurteil, das ihn traf, unterwarf er sich nicht nur äußerlich, sondern auch in seinem eignen Gemüte. „Es ist meine Strafe; sie trifft mich da, wo ich gefehlt.“ Denn er wußte sehr wohl, daß Hochmut der Fehler seines Lebens gewesen war. Wir hatten natürlich auch einen Polterabend und die kleinen Räume waren ganz gefüllt, da nicht nur Verwandtschaft, sondern auch viele Tunnelmitglieder erschienen waren, einige davon direkt abdeputiert, um uns unter freundlicher Ansprache – Heinrich Smidt als Redner – ein hübsches und beinah wertvolles Geschenk zu überreichen. Alle Vereinsmitglieder hatten sich daran beteiligt, unter Ausschluß eines Einzigen, der sich bis dahin immer an mich gedrängt und gegen den ich, als ich von seiner Ablehnung erfuhr, einen wahren Haß faßte, den ich mir auch bis diesen Tag zu meiner ganz besonderen Freude bewahrt habe. Wenn man in einem dicken Buche, noch dazu bei Mitteilungen aus dem eignen Leben, dicht am Abschluß ist, ist es vielleicht gewagt, so noch nebenher rasch eine kleine Haß-Orgie feiern zu wollen. Aber <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0683" n="674"/> stand – oft gerade da, wo er entrüstet schien – durchaus <hi rendition="#g">über</hi> den Dingen, mehr vielleicht, als er seiner Stellung und seinem Bekenntnis nach durfte. Durch und durch „Figur“, war er noch ganz von der alten Garde, deren Reihen sich immer mehr lichten. Dem Rechtsurteil, das ihn traf, unterwarf er sich nicht nur äußerlich, sondern auch in seinem eignen Gemüte. „Es ist meine Strafe; sie trifft mich da, wo ich gefehlt.“ Denn er wußte sehr wohl, daß Hochmut der Fehler seines Lebens gewesen war.</p><lb/> <p>Wir hatten natürlich auch einen Polterabend und die kleinen Räume waren ganz gefüllt, da nicht nur Verwandtschaft, sondern auch viele Tunnelmitglieder erschienen waren, einige davon direkt abdeputiert, um uns unter freundlicher Ansprache – Heinrich Smidt als Redner – ein hübsches und beinah wertvolles Geschenk zu überreichen. Alle Vereinsmitglieder hatten sich daran beteiligt, unter Ausschluß eines Einzigen, der sich bis dahin immer an mich gedrängt und gegen den ich, als ich von seiner Ablehnung erfuhr, einen wahren Haß faßte, den ich mir auch bis diesen Tag zu meiner ganz besonderen Freude bewahrt habe. Wenn man in einem dicken Buche, noch dazu bei Mitteilungen aus dem eignen Leben, dicht am Abschluß ist, ist es vielleicht gewagt, so noch nebenher rasch eine kleine Haß-Orgie feiern zu wollen. Aber<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [674/0683]
stand – oft gerade da, wo er entrüstet schien – durchaus über den Dingen, mehr vielleicht, als er seiner Stellung und seinem Bekenntnis nach durfte. Durch und durch „Figur“, war er noch ganz von der alten Garde, deren Reihen sich immer mehr lichten. Dem Rechtsurteil, das ihn traf, unterwarf er sich nicht nur äußerlich, sondern auch in seinem eignen Gemüte. „Es ist meine Strafe; sie trifft mich da, wo ich gefehlt.“ Denn er wußte sehr wohl, daß Hochmut der Fehler seines Lebens gewesen war.
Wir hatten natürlich auch einen Polterabend und die kleinen Räume waren ganz gefüllt, da nicht nur Verwandtschaft, sondern auch viele Tunnelmitglieder erschienen waren, einige davon direkt abdeputiert, um uns unter freundlicher Ansprache – Heinrich Smidt als Redner – ein hübsches und beinah wertvolles Geschenk zu überreichen. Alle Vereinsmitglieder hatten sich daran beteiligt, unter Ausschluß eines Einzigen, der sich bis dahin immer an mich gedrängt und gegen den ich, als ich von seiner Ablehnung erfuhr, einen wahren Haß faßte, den ich mir auch bis diesen Tag zu meiner ganz besonderen Freude bewahrt habe. Wenn man in einem dicken Buche, noch dazu bei Mitteilungen aus dem eignen Leben, dicht am Abschluß ist, ist es vielleicht gewagt, so noch nebenher rasch eine kleine Haß-Orgie feiern zu wollen. Aber
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen, Theodor Fontane: Große Brandenburger Ausgabe (GBA): Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin).
(2018-07-25T10:02:20Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T10:02:20Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |