gewandt hatte. 1845 wurde der Grundstein gelegt und 1847 die Anstalt eröffnet. An der Spitze stand, wie schon hervorgehoben, die Gräfin Rantzau. Hier ihres Amtes zu walten, war damals eine sehr schwierige Aufgabe, die viel Takt erheischte. Denn die Berliner Bevölkerung wollte von dem ganzen auf protestantischer und wie mancher fürchtete vielleicht sogar auf katholischer Kirchlichkeit aufgebauten Krankenhause nicht viel wissen. Der Gräfin lag es also, neben andrem, ob, die ziemlich widerwillige öffentliche Meinung mit Bethanien zu versöhnen. Sie vermied dem entsprechend alle Friktionen und wenn es mir auch gewiß ist, daß spätere Oberinnen ihr nicht nur an kirchlicher Dezidiertheit, sondern namentlich auch an Rührigkeit und Rüstigkeit - sie war von Anfang an sehr krank; starb auch früh - überlegen gewesen sind, so möcht' ich doch behaupten dürfen, daß sie die zu solcher Stellung wünschenswerten Eigenschaften in ganz besonders hohem Maße besessen habe. Der König, als er sie wählte, zeigte auch darin wieder seine feine Fühlung.
So viel über die Gräfin. Ihr erster Minister war Pastor Schultz, einer der Bestgehaßten jener Zeit. Aber auch bei ihm durft' es heißen: "viel Feind, viel Ehr." Er gehörte ganz in die Reihe der unter Friedrich Wilhelm IV. einflußreichen und oft
gewandt hatte. 1845 wurde der Grundstein gelegt und 1847 die Anstalt eröffnet. An der Spitze stand, wie schon hervorgehoben, die Gräfin Rantzau. Hier ihres Amtes zu walten, war damals eine sehr schwierige Aufgabe, die viel Takt erheischte. Denn die Berliner Bevölkerung wollte von dem ganzen auf protestantischer und wie mancher fürchtete vielleicht sogar auf katholischer Kirchlichkeit aufgebauten Krankenhause nicht viel wissen. Der Gräfin lag es also, neben andrem, ob, die ziemlich widerwillige öffentliche Meinung mit Bethanien zu versöhnen. Sie vermied dem entsprechend alle Friktionen und wenn es mir auch gewiß ist, daß spätere Oberinnen ihr nicht nur an kirchlicher Dezidiertheit, sondern namentlich auch an Rührigkeit und Rüstigkeit – sie war von Anfang an sehr krank; starb auch früh – überlegen gewesen sind, so möcht’ ich doch behaupten dürfen, daß sie die zu solcher Stellung wünschenswerten Eigenschaften in ganz besonders hohem Maße besessen habe. Der König, als er sie wählte, zeigte auch darin wieder seine feine Fühlung.
So viel über die Gräfin. Ihr erster Minister war Pastor Schultz, einer der Bestgehaßten jener Zeit. Aber auch bei ihm durft’ es heißen: „viel Feind, viel Ehr.“ Er gehörte ganz in die Reihe der unter Friedrich Wilhelm IV. einflußreichen und oft
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gewandt hatte. 1845 wurde der Grundstein gelegt und 1847 die Anstalt eröffnet. An der Spitze stand, wie schon hervorgehoben, die Gräfin Rantzau. Hier ihres Amtes zu walten, war damals eine sehr schwierige Aufgabe, die viel Takt erheischte. Denn die Berliner Bevölkerung wollte von dem ganzen auf protestantischer und wie mancher fürchtete vielleicht sogar auf katholischer Kirchlichkeit aufgebauten Krankenhause nicht viel wissen. Der Gräfin lag es also, neben andrem, ob, die ziemlich widerwillige öffentliche Meinung mit Bethanien zu versöhnen. Sie vermied dem entsprechend alle Friktionen und wenn es mir auch gewiß ist, daß spätere Oberinnen ihr nicht nur an kirchlicher Dezidiertheit, sondern namentlich auch an Rührigkeit und Rüstigkeit – sie war von Anfang an sehr krank; starb auch früh – überlegen gewesen sind, so möcht’ ich doch behaupten dürfen, daß sie die zu solcher Stellung wünschenswerten Eigenschaften in ganz besonders hohem Maße besessen habe. Der König, als er sie wählte, zeigte auch darin wieder seine feine Fühlung.</p><lb/><p>So viel über die Gräfin. Ihr erster Minister war Pastor <hirendition="#g">Schultz</hi>, einer der Bestgehaßten jener Zeit. Aber auch bei ihm durft’ es heißen: „viel Feind, viel Ehr.“ Er gehörte ganz in die Reihe der unter Friedrich Wilhelm <hirendition="#aq">IV.</hi> einflußreichen und oft<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
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gewandt hatte. 1845 wurde der Grundstein gelegt und 1847 die Anstalt eröffnet. An der Spitze stand, wie schon hervorgehoben, die Gräfin Rantzau. Hier ihres Amtes zu walten, war damals eine sehr schwierige Aufgabe, die viel Takt erheischte. Denn die Berliner Bevölkerung wollte von dem ganzen auf protestantischer und wie mancher fürchtete vielleicht sogar auf katholischer Kirchlichkeit aufgebauten Krankenhause nicht viel wissen. Der Gräfin lag es also, neben andrem, ob, die ziemlich widerwillige öffentliche Meinung mit Bethanien zu versöhnen. Sie vermied dem entsprechend alle Friktionen und wenn es mir auch gewiß ist, daß spätere Oberinnen ihr nicht nur an kirchlicher Dezidiertheit, sondern namentlich auch an Rührigkeit und Rüstigkeit – sie war von Anfang an sehr krank; starb auch früh – überlegen gewesen sind, so möcht’ ich doch behaupten dürfen, daß sie die zu solcher Stellung wünschenswerten Eigenschaften in ganz besonders hohem Maße besessen habe. Der König, als er sie wählte, zeigte auch darin wieder seine feine Fühlung.
So viel über die Gräfin. Ihr erster Minister war Pastor Schultz, einer der Bestgehaßten jener Zeit. Aber auch bei ihm durft’ es heißen: „viel Feind, viel Ehr.“ Er gehörte ganz in die Reihe der unter Friedrich Wilhelm IV. einflußreichen und oft
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Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898, S. 642. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_zwanzig_1898/651>, abgerufen am 23.07.2024.
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