Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.Kein Wort, auch nicht das kleinste, kann ich sagen, Wozu das Herz den vollen Schlag verwehrt; Die Stunde drängt, gerüstet steht der Wagen, Es ist die Fahrt der Heimat abgekehrt. Er führt das weiter aus, wendet sich dem und jenem zu und schließt dann: Wir scheiden jetzt, bis dieser Zeit Beschwerde Ein and'rer Tag, ein besserer, gesühnt, Denn Raum ist auf der heimatlichen Erde Für Fremde nur und was dem Fremden dient. Und Du, mein Kind, mein jüngstes, dessen Wiege Auch noch auf diesem teuren Boden stand, Hör' mich, denn alles andere ist Lüge, Kein Mann gedeihet ohne Vaterland. Kannst Du den Sinn, den diese Worte führen, Mit Deiner Kinderseele nicht verstehn, So soll er wie ein Schauer Dich berühren Und wie ein Pulsschlag in Dein Leben gehn. Es steht das alles auf vollkommen dichterischer Höhe. Man hat sich daran gewöhnt, ihn immer nur als Erotiker anzusehen; aber seine vaterländischen Dichtungen stehen ganz ebenbürtig neben seiner Liebeslyrik, wenn nicht noch höher. Alles hat was zu Herzen Gehendes, überall das Gegenteil von Phrase, jede Zeile voll Kraft und Nerv. Kein Wort, auch nicht das kleinste, kann ich sagen, Wozu das Herz den vollen Schlag verwehrt; Die Stunde drängt, gerüstet steht der Wagen, Es ist die Fahrt der Heimat abgekehrt. Er führt das weiter aus, wendet sich dem und jenem zu und schließt dann: Wir scheiden jetzt, bis dieser Zeit Beschwerde Ein and’rer Tag, ein besserer, gesühnt, Denn Raum ist auf der heimatlichen Erde Für Fremde nur und was dem Fremden dient. Und Du, mein Kind, mein jüngstes, dessen Wiege Auch noch auf diesem teuren Boden stand, Hör’ mich, denn alles andere ist Lüge, Kein Mann gedeihet ohne Vaterland. Kannst Du den Sinn, den diese Worte führen, Mit Deiner Kinderseele nicht verstehn, So soll er wie ein Schauer Dich berühren Und wie ein Pulsschlag in Dein Leben gehn. Es steht das alles auf vollkommen dichterischer Höhe. Man hat sich daran gewöhnt, ihn immer nur als Erotiker anzusehen; aber seine vaterländischen Dichtungen stehen ganz ebenbürtig neben seiner Liebeslyrik, wenn nicht noch höher. Alles hat was zu Herzen Gehendes, überall das Gegenteil von Phrase, jede Zeile voll Kraft und Nerv. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0352" n="343"/> <lg type="poem"> <l>Kein Wort, auch nicht das kleinste, kann ich sagen,</l><lb/> <l>Wozu das Herz den vollen Schlag verwehrt;</l><lb/> <l>Die Stunde drängt, gerüstet steht der Wagen,</l><lb/> <l>Es ist die Fahrt der Heimat abgekehrt.</l><lb/> </lg> <p>Er führt das weiter aus, wendet sich dem und jenem zu und schließt dann:</p><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Wir scheiden jetzt, bis dieser Zeit Beschwerde</l><lb/> <l>Ein and’rer Tag, ein besserer, gesühnt,</l><lb/> <l>Denn Raum ist auf der heimatlichen Erde</l><lb/> <l>Für Fremde nur und was dem Fremden dient.</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>Und Du, mein Kind, mein jüngstes, dessen Wiege</l><lb/> <l>Auch noch auf diesem teuren Boden stand,</l><lb/> <l>Hör’ mich, denn alles andere ist Lüge,</l><lb/> <l>Kein Mann gedeihet ohne Vaterland.</l><lb/> </lg> <lg n="3"> <l>Kannst Du den Sinn, den diese Worte führen,</l><lb/> <l>Mit Deiner Kinderseele nicht verstehn,</l><lb/> <l>So soll er wie ein Schauer Dich berühren</l><lb/> <l>Und wie ein Pulsschlag in Dein Leben gehn.</l><lb/> </lg> </lg> <p>Es steht das alles auf vollkommen dichterischer Höhe. Man hat sich daran gewöhnt, ihn immer nur als Erotiker anzusehen; aber seine vaterländischen Dichtungen stehen ganz ebenbürtig neben seiner Liebeslyrik, wenn nicht noch höher. Alles hat was zu Herzen Gehendes, überall das Gegenteil von Phrase, jede Zeile voll Kraft und Nerv.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [343/0352]
Kein Wort, auch nicht das kleinste, kann ich sagen,
Wozu das Herz den vollen Schlag verwehrt;
Die Stunde drängt, gerüstet steht der Wagen,
Es ist die Fahrt der Heimat abgekehrt.
Er führt das weiter aus, wendet sich dem und jenem zu und schließt dann:
Wir scheiden jetzt, bis dieser Zeit Beschwerde
Ein and’rer Tag, ein besserer, gesühnt,
Denn Raum ist auf der heimatlichen Erde
Für Fremde nur und was dem Fremden dient.
Und Du, mein Kind, mein jüngstes, dessen Wiege
Auch noch auf diesem teuren Boden stand,
Hör’ mich, denn alles andere ist Lüge,
Kein Mann gedeihet ohne Vaterland.
Kannst Du den Sinn, den diese Worte führen,
Mit Deiner Kinderseele nicht verstehn,
So soll er wie ein Schauer Dich berühren
Und wie ein Pulsschlag in Dein Leben gehn.
Es steht das alles auf vollkommen dichterischer Höhe. Man hat sich daran gewöhnt, ihn immer nur als Erotiker anzusehen; aber seine vaterländischen Dichtungen stehen ganz ebenbürtig neben seiner Liebeslyrik, wenn nicht noch höher. Alles hat was zu Herzen Gehendes, überall das Gegenteil von Phrase, jede Zeile voll Kraft und Nerv.
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(2018-07-25T10:02:20Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T10:02:20Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
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