boren werden - alle diese Situationen waren Lucaes eigentliche Domäne. Wenn man ihn acht Tage nicht gesehen hatte, war immer wieder etwas passiert. Auch mit seinen Berolinismen, in denen er sich nur allzu gern bewegte, stieß er beständig an, weil er entweder ihre Tragweite nicht richtig erwog oder aber in seiner Erregtheit vergaß, vor wem er überhaupt sprach. Einmal war er ins Palais des alten Kaisers Wilhelm befohlen, um diesem einen Vortrag über irgend eine die Schloßfreiheit betreffende Bausache, vielleicht schon im Hinblick auf das siebziger Denkmal, zu halten, und unterzog sich dieser Aufgabe mit der ihm eigenen Lebendigkeit des Ausdrucks. "Ja, Majestät," sagte er, "wenn nur nicht das ,rote Schloß' wäre." Der Kaiser, der diese Bezeichnung nie gehört haben mochte, war einen Augenblick wie dekontenanciert und wiederholte fragend das ihm häßlich klingende Wort. "Ja, Majestät," antwortete Lucae, "das ,rote Schloß' - das ist nämlich die volkstümliche Bezeichnung für den Bau da drüben. Uebrigens baulich unbedeutend und außerdem Sitz einer ,Schneiderakademie'." Der alte Wilhelm kam aber, trotz dieses Anlaufes, die Sache ins Heitere zu spielen, nicht wieder in gute Stimmung.
Nicht viel besser erging es dem armen Lucae mit der Kronprinzessin Friedrich. Auch im Gespräche mit dieser handelte sich's um eine Bausache. "Sehen
boren werden – alle diese Situationen waren Lucaes eigentliche Domäne. Wenn man ihn acht Tage nicht gesehen hatte, war immer wieder etwas passiert. Auch mit seinen Berolinismen, in denen er sich nur allzu gern bewegte, stieß er beständig an, weil er entweder ihre Tragweite nicht richtig erwog oder aber in seiner Erregtheit vergaß, vor wem er überhaupt sprach. Einmal war er ins Palais des alten Kaisers Wilhelm befohlen, um diesem einen Vortrag über irgend eine die Schloßfreiheit betreffende Bausache, vielleicht schon im Hinblick auf das siebziger Denkmal, zu halten, und unterzog sich dieser Aufgabe mit der ihm eigenen Lebendigkeit des Ausdrucks. „Ja, Majestät,“ sagte er, „wenn nur nicht das ‚rote Schloß‘ wäre.“ Der Kaiser, der diese Bezeichnung nie gehört haben mochte, war einen Augenblick wie dekontenanciert und wiederholte fragend das ihm häßlich klingende Wort. „Ja, Majestät,“ antwortete Lucae, „das ‚rote Schloß‘ – das ist nämlich die volkstümliche Bezeichnung für den Bau da drüben. Uebrigens baulich unbedeutend und außerdem Sitz einer ‚Schneiderakademie‘.“ Der alte Wilhelm kam aber, trotz dieses Anlaufes, die Sache ins Heitere zu spielen, nicht wieder in gute Stimmung.
Nicht viel besser erging es dem armen Lucae mit der Kronprinzessin Friedrich. Auch im Gespräche mit dieser handelte sich’s um eine Bausache. „Sehen
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boren werden – alle diese Situationen waren Lucaes eigentliche Domäne. Wenn man ihn acht Tage nicht gesehen hatte, war immer wieder etwas passiert. Auch mit seinen Berolinismen, in denen er sich nur allzu gern bewegte, stieß er beständig an, weil er entweder ihre Tragweite nicht richtig erwog oder aber in seiner Erregtheit vergaß, vor <hirendition="#g">wem</hi> er überhaupt sprach. Einmal war er ins Palais des alten Kaisers Wilhelm befohlen, um diesem einen Vortrag über irgend eine die Schloßfreiheit betreffende Bausache, vielleicht schon im Hinblick auf das siebziger Denkmal, zu halten, und unterzog sich dieser Aufgabe mit der ihm eigenen Lebendigkeit des Ausdrucks. „Ja, Majestät,“ sagte er, „wenn nur nicht das ‚<hirendition="#g">rote Schloß</hi>‘ wäre.“ Der Kaiser, der diese Bezeichnung nie gehört haben mochte, war einen Augenblick wie dekontenanciert und wiederholte fragend das ihm häßlich klingende Wort. „Ja, Majestät,“ antwortete Lucae, „das <choice><sic/><corr>‚</corr></choice>rote Schloß‘– das ist nämlich die volkstümliche Bezeichnung für den Bau da drüben. Uebrigens baulich unbedeutend und außerdem Sitz einer ‚Schneiderakademie‘.“ Der alte Wilhelm kam aber, trotz dieses Anlaufes, die Sache ins Heitere zu spielen, nicht wieder in gute Stimmung.</p><lb/><p>Nicht viel besser erging es dem armen Lucae mit der Kronprinzessin Friedrich. Auch im Gespräche mit dieser handelte sich’s um eine Bausache. „Sehen<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
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boren werden – alle diese Situationen waren Lucaes eigentliche Domäne. Wenn man ihn acht Tage nicht gesehen hatte, war immer wieder etwas passiert. Auch mit seinen Berolinismen, in denen er sich nur allzu gern bewegte, stieß er beständig an, weil er entweder ihre Tragweite nicht richtig erwog oder aber in seiner Erregtheit vergaß, vor wem er überhaupt sprach. Einmal war er ins Palais des alten Kaisers Wilhelm befohlen, um diesem einen Vortrag über irgend eine die Schloßfreiheit betreffende Bausache, vielleicht schon im Hinblick auf das siebziger Denkmal, zu halten, und unterzog sich dieser Aufgabe mit der ihm eigenen Lebendigkeit des Ausdrucks. „Ja, Majestät,“ sagte er, „wenn nur nicht das ‚rote Schloß‘ wäre.“ Der Kaiser, der diese Bezeichnung nie gehört haben mochte, war einen Augenblick wie dekontenanciert und wiederholte fragend das ihm häßlich klingende Wort. „Ja, Majestät,“ antwortete Lucae, „das ‚rote Schloß‘ – das ist nämlich die volkstümliche Bezeichnung für den Bau da drüben. Uebrigens baulich unbedeutend und außerdem Sitz einer ‚Schneiderakademie‘.“ Der alte Wilhelm kam aber, trotz dieses Anlaufes, die Sache ins Heitere zu spielen, nicht wieder in gute Stimmung.
Nicht viel besser erging es dem armen Lucae mit der Kronprinzessin Friedrich. Auch im Gespräche mit dieser handelte sich’s um eine Bausache. „Sehen
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Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898, S. 324. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_zwanzig_1898/333>, abgerufen am 23.07.2024.
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