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Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.

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knecht", der, ich weiß nicht wie motiviert, die "unendliche Wehmut" oder den Weltschmerz symbolisieren sollte. Wie gesagt, so war es Anfangs. Als man schließlich wahrnahm, daß die Tragkraft dieses Witzes nicht sehr bedeutend sei, kam der Stiefelknecht kaum noch zum Vorschein, ausgenommen bei ganz feierlichen Gelegenheiten, wo man der Ansicht sein mochte, daß er, wie ein alter Urgötze, gerade wegen seiner Unsinnigkeit anzurufen sei.

Natürlich waren auch "Statuten" da, deren Paragraphen mir übrigens nicht mehr gegenwärtig sind, zwei abgerechnet, beide gleich klug und weise. Der eine schrieb vor, daß jedes Tunnelmitglied einen Necknamen, einen nom de guerre, haben müsse, der andere verbot jede politische Debatte. Beide Paragraphen haben sich durch volle fünfzig Jahre hin, von 1827 bis 1877 - von wo ab die Lebenskraft des Tunnels so gut wie verzehrt war, - glänzend bewährt. Zunächst die besondere Namensgebung. Ohne diese wäre es überhaupt nicht gegangen, was sich aus der verschiedenen Lebensstellung der Mitglieder, von denen - wenigstens in den späteren Tunnelperioden - der eine General, der andere Fähnrich, der eine Minister, der andere Handlungsgehülfe war, leicht ergiebt. Major Blesson, damals ein Sechziger, hieß Carnot, Leutnant v. Etzel, damals

knecht“, der, ich weiß nicht wie motiviert, die „unendliche Wehmut“ oder den Weltschmerz symbolisieren sollte. Wie gesagt, so war es Anfangs. Als man schließlich wahrnahm, daß die Tragkraft dieses Witzes nicht sehr bedeutend sei, kam der Stiefelknecht kaum noch zum Vorschein, ausgenommen bei ganz feierlichen Gelegenheiten, wo man der Ansicht sein mochte, daß er, wie ein alter Urgötze, gerade wegen seiner Unsinnigkeit anzurufen sei.

Natürlich waren auch „Statuten“ da, deren Paragraphen mir übrigens nicht mehr gegenwärtig sind, zwei abgerechnet, beide gleich klug und weise. Der eine schrieb vor, daß jedes Tunnelmitglied einen Necknamen, einen nom de guerre, haben müsse, der andere verbot jede politische Debatte. Beide Paragraphen haben sich durch volle fünfzig Jahre hin, von 1827 bis 1877 – von wo ab die Lebenskraft des Tunnels so gut wie verzehrt war, – glänzend bewährt. Zunächst die besondere Namensgebung. Ohne diese wäre es überhaupt nicht gegangen, was sich aus der verschiedenen Lebensstellung der Mitglieder, von denen – wenigstens in den späteren Tunnelperioden – der eine General, der andere Fähnrich, der eine Minister, der andere Handlungsgehülfe war, leicht ergiebt. Major Blesson, damals ein Sechziger, hieß Carnot, Leutnant v. Etzel, damals

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[266/0275] knecht“, der, ich weiß nicht wie motiviert, die „unendliche Wehmut“ oder den Weltschmerz symbolisieren sollte. Wie gesagt, so war es Anfangs. Als man schließlich wahrnahm, daß die Tragkraft dieses Witzes nicht sehr bedeutend sei, kam der Stiefelknecht kaum noch zum Vorschein, ausgenommen bei ganz feierlichen Gelegenheiten, wo man der Ansicht sein mochte, daß er, wie ein alter Urgötze, gerade wegen seiner Unsinnigkeit anzurufen sei. Natürlich waren auch „Statuten“ da, deren Paragraphen mir übrigens nicht mehr gegenwärtig sind, zwei abgerechnet, beide gleich klug und weise. Der eine schrieb vor, daß jedes Tunnelmitglied einen Necknamen, einen nom de guerre, haben müsse, der andere verbot jede politische Debatte. Beide Paragraphen haben sich durch volle fünfzig Jahre hin, von 1827 bis 1877 – von wo ab die Lebenskraft des Tunnels so gut wie verzehrt war, – glänzend bewährt. Zunächst die besondere Namensgebung. Ohne diese wäre es überhaupt nicht gegangen, was sich aus der verschiedenen Lebensstellung der Mitglieder, von denen – wenigstens in den späteren Tunnelperioden – der eine General, der andere Fähnrich, der eine Minister, der andere Handlungsgehülfe war, leicht ergiebt. Major Blesson, damals ein Sechziger, hieß Carnot, Leutnant v. Etzel, damals

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen, Theodor Fontane: Große Brandenburger Ausgabe (GBA): Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). (2018-07-25T10:02:20Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition. (2018-07-25T10:02:20Z)

Weitere Informationen:

Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin).

Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_zwanzig_1898/275>, abgerufen am 10.06.2024.