Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.weisen mußte. Glücklicherweise war er Soldat genug, um gleich zu gehorchen. Der Randaleur aber wurde bei Tagesanbruch nach der Stadtvogtei hin abgeliefert und wurde daselbst von den Beamten als "alter Bekannter" begrüßt, als Radaubruder, Händelsucher und ganz besonders als Falschspieler. Mir selbst gratulierte man zu dem Fange. Wochen vergingen und ich hatte die ganze sonderbare Szene schon wieder vergessen, als sie mir noch einmal in Erinnerung gebracht wurde. Draußen tanzten Schneeflocken, während es in meiner Mansardenwohnung in der Jüdenstraße schon dunkelte. Vor mir lag "Childe Harold", in dem ich gerade gelesen und ich schickte mich eben an, mich mehr ans Fenster zu setzen, um da für meine Lektüre noch einen letzten Rest von Licht aufzufangen, als draußen die Klingel ging. Ich stand auf, um nachzusehen, wer in dieser Dunkelstunde mich noch besuchen wolle und sah auf dem kleinen Flur draußen drei kolossale Kerle stehen, die durch die Schafpelze, die sie trugen, womöglich noch größer wirkten. "Sie sind der Herr Unteroffizier?" Immer noch ahnungslos, um was es sich handle, sagte ich: "ja, der bin ich. Aber kommen Sie 'rein; es ist kalt hier draußen." weisen mußte. Glücklicherweise war er Soldat genug, um gleich zu gehorchen. Der Randaleur aber wurde bei Tagesanbruch nach der Stadtvogtei hin abgeliefert und wurde daselbst von den Beamten als „alter Bekannter“ begrüßt, als Radaubruder, Händelsucher und ganz besonders als Falschspieler. Mir selbst gratulierte man zu dem Fange. Wochen vergingen und ich hatte die ganze sonderbare Szene schon wieder vergessen, als sie mir noch einmal in Erinnerung gebracht wurde. Draußen tanzten Schneeflocken, während es in meiner Mansardenwohnung in der Jüdenstraße schon dunkelte. Vor mir lag „Childe Harold“, in dem ich gerade gelesen und ich schickte mich eben an, mich mehr ans Fenster zu setzen, um da für meine Lektüre noch einen letzten Rest von Licht aufzufangen, als draußen die Klingel ging. Ich stand auf, um nachzusehen, wer in dieser Dunkelstunde mich noch besuchen wolle und sah auf dem kleinen Flur draußen drei kolossale Kerle stehen, die durch die Schafpelze, die sie trugen, womöglich noch größer wirkten. „Sie sind der Herr Unteroffizier?“ Immer noch ahnungslos, um was es sich handle, sagte ich: „ja, der bin ich. Aber kommen Sie ’rein; es ist kalt hier draußen.“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0260" n="251"/> weisen mußte. Glücklicherweise war er Soldat genug, um gleich zu gehorchen. Der Randaleur aber wurde bei Tagesanbruch nach der Stadtvogtei hin abgeliefert und wurde daselbst von den Beamten als „alter Bekannter“ begrüßt, als Radaubruder, Händelsucher und ganz besonders als Falschspieler. Mir selbst gratulierte man zu dem Fange.</p><lb/> <p>Wochen vergingen und ich hatte die ganze sonderbare Szene schon wieder vergessen, als sie mir noch einmal in Erinnerung gebracht wurde. Draußen tanzten Schneeflocken, während es in meiner Mansardenwohnung in der Jüdenstraße schon dunkelte. Vor mir lag <hi rendition="#aq">„Childe Harold“</hi>, in dem ich gerade gelesen und ich schickte mich eben an, mich mehr ans Fenster zu setzen, um da für meine Lektüre noch einen letzten Rest von Licht aufzufangen, als draußen die Klingel ging. Ich stand auf, um nachzusehen, wer in dieser Dunkelstunde mich noch besuchen wolle und sah auf dem kleinen Flur draußen drei kolossale Kerle stehen, die durch die Schafpelze, die sie trugen, womöglich noch größer wirkten.</p><lb/> <p>„Sie sind der Herr Unteroffizier?“</p><lb/> <p>Immer noch ahnungslos, um was es sich handle, sagte ich: „ja, der bin ich. Aber kommen Sie ’rein; es ist kalt hier draußen.“</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [251/0260]
weisen mußte. Glücklicherweise war er Soldat genug, um gleich zu gehorchen. Der Randaleur aber wurde bei Tagesanbruch nach der Stadtvogtei hin abgeliefert und wurde daselbst von den Beamten als „alter Bekannter“ begrüßt, als Radaubruder, Händelsucher und ganz besonders als Falschspieler. Mir selbst gratulierte man zu dem Fange.
Wochen vergingen und ich hatte die ganze sonderbare Szene schon wieder vergessen, als sie mir noch einmal in Erinnerung gebracht wurde. Draußen tanzten Schneeflocken, während es in meiner Mansardenwohnung in der Jüdenstraße schon dunkelte. Vor mir lag „Childe Harold“, in dem ich gerade gelesen und ich schickte mich eben an, mich mehr ans Fenster zu setzen, um da für meine Lektüre noch einen letzten Rest von Licht aufzufangen, als draußen die Klingel ging. Ich stand auf, um nachzusehen, wer in dieser Dunkelstunde mich noch besuchen wolle und sah auf dem kleinen Flur draußen drei kolossale Kerle stehen, die durch die Schafpelze, die sie trugen, womöglich noch größer wirkten.
„Sie sind der Herr Unteroffizier?“
Immer noch ahnungslos, um was es sich handle, sagte ich: „ja, der bin ich. Aber kommen Sie ’rein; es ist kalt hier draußen.“
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(2018-07-25T10:02:20Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T10:02:20Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
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