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Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.

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um irgend eines beliebigen Fremden willen, zu genieren. Das geschieht erst allenfalls, wenn es einen Vorteil mit sich bringt. Wir lassen nach der Seite hin viel zu wünschen übrig. Was immer die Fehler der Engländer sein mögen, in diesem Punkte, wozu sich noch manch' andere gesellen, sind sie viel liebenswürdiger. Es ging in meines Gastfreundes Hause ganz einfach her; wir nahmen unseren Thee und musizierten, ich mußte sogar singen - der Gott sei Dank einzige Fall in meinem Leben - und der älteste Sohn, der bald herausfühlte, daß ich mich für Litteratur und Theater interessierte, fing dementsprechend an, berühmte Macbeth- und Hamletstellen im Stile von Macready, des damals berühmtesten Shakespearedarstellers, zu zitieren. Er schnitt unglaubliche Gesichter dabei, machte es aber im Uebrigen ganz gut. Ich war sehr glücklich, so vieler Liebenswürdigkeit zu begegnen und schlief, als wir uns im Familienzimmer getrennt hatten, oben im Fremdenzimmer ungewiegt. Als ich zum Frühstück kam, war der Vater schon fort; der Sohn brachte mich bis zur Station und wie verheißen, zu guter Stunde war ich wieder in meinem Hotel an der London-Brücke.

So war das Leben an den Nachmittagen. Aber auch von den Vormittagen, wo wir London selbst absuchten, habe ich noch in Kürze zu berichten. Wir

um irgend eines beliebigen Fremden willen, zu genieren. Das geschieht erst allenfalls, wenn es einen Vorteil mit sich bringt. Wir lassen nach der Seite hin viel zu wünschen übrig. Was immer die Fehler der Engländer sein mögen, in diesem Punkte, wozu sich noch manch’ andere gesellen, sind sie viel liebenswürdiger. Es ging in meines Gastfreundes Hause ganz einfach her; wir nahmen unseren Thee und musizierten, ich mußte sogar singen – der Gott sei Dank einzige Fall in meinem Leben – und der älteste Sohn, der bald herausfühlte, daß ich mich für Litteratur und Theater interessierte, fing dementsprechend an, berühmte Macbeth- und Hamletstellen im Stile von Macready, des damals berühmtesten Shakespearedarstellers, zu zitieren. Er schnitt unglaubliche Gesichter dabei, machte es aber im Uebrigen ganz gut. Ich war sehr glücklich, so vieler Liebenswürdigkeit zu begegnen und schlief, als wir uns im Familienzimmer getrennt hatten, oben im Fremdenzimmer ungewiegt. Als ich zum Frühstück kam, war der Vater schon fort; der Sohn brachte mich bis zur Station und wie verheißen, zu guter Stunde war ich wieder in meinem Hotel an der London-Brücke.

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[238/0247] um irgend eines beliebigen Fremden willen, zu genieren. Das geschieht erst allenfalls, wenn es einen Vorteil mit sich bringt. Wir lassen nach der Seite hin viel zu wünschen übrig. Was immer die Fehler der Engländer sein mögen, in diesem Punkte, wozu sich noch manch’ andere gesellen, sind sie viel liebenswürdiger. Es ging in meines Gastfreundes Hause ganz einfach her; wir nahmen unseren Thee und musizierten, ich mußte sogar singen – der Gott sei Dank einzige Fall in meinem Leben – und der älteste Sohn, der bald herausfühlte, daß ich mich für Litteratur und Theater interessierte, fing dementsprechend an, berühmte Macbeth- und Hamletstellen im Stile von Macready, des damals berühmtesten Shakespearedarstellers, zu zitieren. Er schnitt unglaubliche Gesichter dabei, machte es aber im Uebrigen ganz gut. Ich war sehr glücklich, so vieler Liebenswürdigkeit zu begegnen und schlief, als wir uns im Familienzimmer getrennt hatten, oben im Fremdenzimmer ungewiegt. Als ich zum Frühstück kam, war der Vater schon fort; der Sohn brachte mich bis zur Station und wie verheißen, zu guter Stunde war ich wieder in meinem Hotel an der London-Brücke. So war das Leben an den Nachmittagen. Aber auch von den Vormittagen, wo wir London selbst absuchten, habe ich noch in Kürze zu berichten. Wir

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen, Theodor Fontane: Große Brandenburger Ausgabe (GBA): Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). (2018-07-25T10:02:20Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition. (2018-07-25T10:02:20Z)

Weitere Informationen:

Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin).

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_zwanzig_1898/247>, abgerufen am 18.05.2024.