Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.Hause zusammenfiel. Der Tag steht mir noch deutlich vor der Seele. Ich kam aus der Schule, diesmal wirklich aus der Schule, und freute mich, in Coopers "Spion", der mir gerade kurz vorher in die Hände gefallen war, weiter lesen zu können. Aber die Situation, die meiner gleich beim Eintreten in die Vorderstube harrte, ließ mich schnell erkennen, daß hier an Romanlesen nicht zu denken sei, vielmehr ein lebendiges Romankapitel sich vor mir abzuspielen beginne. Mein Onkel August, wie mir hier nachträglich einzuschalten bleibt, hatte sich etwa fünf, sechs Monate zurück, in ziemlich rätselhafter Weise zum Vormund und Vermögensverwalter einiger Anverwandten Kinder ernannt gesehen und an dem hier von mir zu schildernden Tage war ein mit höheren Vollmachten ausgerüsteter und wohl auch schon gut unterrichteter Freund des Anverwandtenhauses, ein Artilleriemajor, in pontificalibus erschienen, um zu recherchieren, eventuell das Vermögen der Onkel Augustschen Mündel wieder in Empfang zu nehmen. Aber wo nichts ist, hat auch der Kaiser sein Recht verloren. Nur die Tante war, als ich eintrat, zugegen. Ein Tisch war aufgeklappt und auf der blanken Mahagonyplatte standen Schachteln und Sparbüchsen umher, auch einige Schmucketuis, während der Raum dazwischen Hause zusammenfiel. Der Tag steht mir noch deutlich vor der Seele. Ich kam aus der Schule, diesmal wirklich aus der Schule, und freute mich, in Coopers „Spion“, der mir gerade kurz vorher in die Hände gefallen war, weiter lesen zu können. Aber die Situation, die meiner gleich beim Eintreten in die Vorderstube harrte, ließ mich schnell erkennen, daß hier an Romanlesen nicht zu denken sei, vielmehr ein lebendiges Romankapitel sich vor mir abzuspielen beginne. Mein Onkel August, wie mir hier nachträglich einzuschalten bleibt, hatte sich etwa fünf, sechs Monate zurück, in ziemlich rätselhafter Weise zum Vormund und Vermögensverwalter einiger Anverwandten Kinder ernannt gesehen und an dem hier von mir zu schildernden Tage war ein mit höheren Vollmachten ausgerüsteter und wohl auch schon gut unterrichteter Freund des Anverwandtenhauses, ein Artilleriemajor, in pontificalibus erschienen, um zu recherchieren, eventuell das Vermögen der Onkel Augustschen Mündel wieder in Empfang zu nehmen. Aber wo nichts ist, hat auch der Kaiser sein Recht verloren. Nur die Tante war, als ich eintrat, zugegen. Ein Tisch war aufgeklappt und auf der blanken Mahagonyplatte standen Schachteln und Sparbüchsen umher, auch einige Schmucketuis, während der Raum dazwischen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0208" n="199"/> Hause zusammenfiel. Der Tag steht mir noch deutlich vor der Seele. </p><lb/> <p>Ich kam aus der Schule, diesmal wirklich aus der Schule, und freute mich, in Coopers „Spion“, der mir gerade kurz vorher in die Hände gefallen war, weiter lesen zu können. Aber die Situation, die meiner gleich beim Eintreten in die Vorderstube harrte, ließ mich schnell erkennen, daß hier an Romanlesen nicht zu denken sei, vielmehr ein lebendiges Romankapitel sich vor mir abzuspielen beginne. Mein Onkel August, wie mir hier nachträglich einzuschalten bleibt, hatte sich etwa fünf, sechs Monate zurück, in ziemlich rätselhafter Weise zum Vormund und Vermögensverwalter einiger Anverwandten Kinder ernannt gesehen und an dem hier von mir zu schildernden Tage war ein mit höheren Vollmachten ausgerüsteter und wohl auch schon gut unterrichteter Freund des Anverwandtenhauses, ein Artilleriemajor, <hi rendition="#aq">in pontificalibus</hi> erschienen, um zu recherchieren, eventuell das Vermögen der Onkel Augustschen Mündel wieder in Empfang zu nehmen. Aber wo nichts ist, hat auch der Kaiser sein Recht verloren. Nur die Tante war, als ich eintrat, zugegen. Ein Tisch war aufgeklappt und auf der blanken Mahagonyplatte standen Schachteln und Sparbüchsen umher, auch einige Schmucketuis, während der Raum dazwischen<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [199/0208]
Hause zusammenfiel. Der Tag steht mir noch deutlich vor der Seele.
Ich kam aus der Schule, diesmal wirklich aus der Schule, und freute mich, in Coopers „Spion“, der mir gerade kurz vorher in die Hände gefallen war, weiter lesen zu können. Aber die Situation, die meiner gleich beim Eintreten in die Vorderstube harrte, ließ mich schnell erkennen, daß hier an Romanlesen nicht zu denken sei, vielmehr ein lebendiges Romankapitel sich vor mir abzuspielen beginne. Mein Onkel August, wie mir hier nachträglich einzuschalten bleibt, hatte sich etwa fünf, sechs Monate zurück, in ziemlich rätselhafter Weise zum Vormund und Vermögensverwalter einiger Anverwandten Kinder ernannt gesehen und an dem hier von mir zu schildernden Tage war ein mit höheren Vollmachten ausgerüsteter und wohl auch schon gut unterrichteter Freund des Anverwandtenhauses, ein Artilleriemajor, in pontificalibus erschienen, um zu recherchieren, eventuell das Vermögen der Onkel Augustschen Mündel wieder in Empfang zu nehmen. Aber wo nichts ist, hat auch der Kaiser sein Recht verloren. Nur die Tante war, als ich eintrat, zugegen. Ein Tisch war aufgeklappt und auf der blanken Mahagonyplatte standen Schachteln und Sparbüchsen umher, auch einige Schmucketuis, während der Raum dazwischen
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(2018-07-25T10:02:20Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T10:02:20Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
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