Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.bei Freund Anthieny zu einem halben Litteraturkundigen ausgebildet, derart, daß ich in der norddeutschen Lyrik jener dreißiger Jahre vielleicht besser beschlagen bin, als irgend wer. Hätte ich statt dessen pflichtmäßig meine Schulstunden abgesessen, so wäre mein Gewissen zwar reiner geblieben, aber mein Wissen auch und auf dem ohnehin wenig beschriebenen Blatte meiner Gesamtgelehrsamkeit würd' auch das wenige noch fehlen, was ich dem "Freimütigen", dem "Gesellschafter" und dem "Figaro" von damals verdanke. Mein Vater, wenn ihm meine Mutter vorwarf, "er habe alles bloß aus dem Konversationslexikon", antwortete regelmäßig "es ist ganz gleich, wo man's her hat." Und dieser Ansicht möcht' ich mich anschließen. Bei manchem meiner Leser wird sich nun wohl mittlerweile die Frage gemeldet haben: "ja, wo war denn, als alles dies sich ereignete, der zur sittlichen Pflege für Sie bestellte Pensionsvater, wo war Onkel August?" Ach, der arme Onkel August! Der hatte seinen Kopf voll ganz andrer Dinge, denn das Gewitter, das wohl schon lange zu seinen Häupten gestanden haben mochte, ging, gerad' als mein Bummeln auf der Höhe stand, mit Donner und Blitz auf ihn nieder. Ein Glück, daß das Hereinbrechen der Katastrophe fast mit meinem Abgang aus seinem bei Freund Anthieny zu einem halben Litteraturkundigen ausgebildet, derart, daß ich in der norddeutschen Lyrik jener dreißiger Jahre vielleicht besser beschlagen bin, als irgend wer. Hätte ich statt dessen pflichtmäßig meine Schulstunden abgesessen, so wäre mein Gewissen zwar reiner geblieben, aber mein Wissen auch und auf dem ohnehin wenig beschriebenen Blatte meiner Gesamtgelehrsamkeit würd’ auch das wenige noch fehlen, was ich dem „Freimütigen“, dem „Gesellschafter“ und dem „Figaro“ von damals verdanke. Mein Vater, wenn ihm meine Mutter vorwarf, „er habe alles bloß aus dem Konversationslexikon“, antwortete regelmäßig „es ist ganz gleich, wo man’s her hat.“ Und dieser Ansicht möcht’ ich mich anschließen. Bei manchem meiner Leser wird sich nun wohl mittlerweile die Frage gemeldet haben: „ja, wo war denn, als alles dies sich ereignete, der zur sittlichen Pflege für Sie bestellte Pensionsvater, wo war Onkel August?“ Ach, der arme Onkel August! Der hatte seinen Kopf voll ganz andrer Dinge, denn das Gewitter, das wohl schon lange zu seinen Häupten gestanden haben mochte, ging, gerad’ als mein Bummeln auf der Höhe stand, mit Donner und Blitz auf ihn nieder. Ein Glück, daß das Hereinbrechen der Katastrophe fast mit meinem Abgang aus seinem <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0207" n="198"/> bei Freund Anthieny zu einem halben Litteraturkundigen ausgebildet, derart, daß ich in der norddeutschen Lyrik jener dreißiger Jahre vielleicht besser beschlagen bin, als irgend wer. Hätte ich statt dessen pflichtmäßig meine Schulstunden abgesessen, so wäre mein Gewissen zwar reiner geblieben, aber mein Wissen auch und auf dem ohnehin wenig beschriebenen Blatte meiner Gesamtgelehrsamkeit würd’ auch das wenige noch fehlen, was ich dem „Freimütigen“, dem „Gesellschafter“ und dem „Figaro“ von damals verdanke. Mein Vater, wenn ihm meine Mutter vorwarf, „er habe alles bloß aus dem Konversationslexikon“, antwortete regelmäßig „es ist ganz gleich, wo man’s her hat.“ Und dieser Ansicht möcht’ ich mich anschließen.</p><lb/> <p>Bei manchem meiner Leser wird sich nun wohl mittlerweile die Frage gemeldet haben: „ja, wo war denn, als alles dies sich ereignete, der zur sittlichen Pflege für Sie bestellte Pensionsvater, <hi rendition="#g">wo</hi> war Onkel August?“ Ach, der arme Onkel August! Der hatte seinen Kopf voll ganz andrer Dinge, denn das Gewitter, das wohl schon lange zu seinen Häupten gestanden haben mochte, ging, gerad’ als mein Bummeln auf der Höhe stand, mit Donner und Blitz auf ihn nieder. Ein Glück, daß das Hereinbrechen der Katastrophe fast mit meinem Abgang aus seinem<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [198/0207]
bei Freund Anthieny zu einem halben Litteraturkundigen ausgebildet, derart, daß ich in der norddeutschen Lyrik jener dreißiger Jahre vielleicht besser beschlagen bin, als irgend wer. Hätte ich statt dessen pflichtmäßig meine Schulstunden abgesessen, so wäre mein Gewissen zwar reiner geblieben, aber mein Wissen auch und auf dem ohnehin wenig beschriebenen Blatte meiner Gesamtgelehrsamkeit würd’ auch das wenige noch fehlen, was ich dem „Freimütigen“, dem „Gesellschafter“ und dem „Figaro“ von damals verdanke. Mein Vater, wenn ihm meine Mutter vorwarf, „er habe alles bloß aus dem Konversationslexikon“, antwortete regelmäßig „es ist ganz gleich, wo man’s her hat.“ Und dieser Ansicht möcht’ ich mich anschließen.
Bei manchem meiner Leser wird sich nun wohl mittlerweile die Frage gemeldet haben: „ja, wo war denn, als alles dies sich ereignete, der zur sittlichen Pflege für Sie bestellte Pensionsvater, wo war Onkel August?“ Ach, der arme Onkel August! Der hatte seinen Kopf voll ganz andrer Dinge, denn das Gewitter, das wohl schon lange zu seinen Häupten gestanden haben mochte, ging, gerad’ als mein Bummeln auf der Höhe stand, mit Donner und Blitz auf ihn nieder. Ein Glück, daß das Hereinbrechen der Katastrophe fast mit meinem Abgang aus seinem
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(2018-07-25T10:02:20Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T10:02:20Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
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