wie ein Taufkind auf seine beiden Arme legend, trug er es vom Theater in seine Wohnung hinüber. Tags darauf war Trauung und bald nachdem das junge Ding vierzehn Jahre geworden war, wurde eine Tochter geboren. Diese Tochter erhielt den Namen Philippine, Seraphine wäre vielleicht richtiger gewesen, denn man merkte, daß es eines Kindes Kind war. Philippine war so klein und zart, daß man die Lebensfähigkeit des Kindes bezweifelte und zu ganz ungewöhnlichen Prozeduren schritt. Man wickelte das kleine Wesen in Watte, that dies Paket in ein großes Glas und stellte es in eine Ofenröhre. Die Wärme mußte für Nachreife sorgen. Das Kind gedieh auch. Aber es blieb doch sehr zart. Das alles war 1810. Drei Jahre später war es mit dem Königreich Westfalen vorbei, Jerome wurde flüchtig und auch sein Hoftheaterdirektor ging in die Welt, von Stadt zu Stadt ziehend. Es kamen nun die sieben magern Jahre und als sie um waren, kamen neue. Die Sohmsche Familie war inzwischen angewachsen und bestand, außer dem Ehepaare, noch aus drei Kindern: älteste Tochter, ein Sohn und wieder eine Tochter. Da kam dem alten Sohm der geniale Gedanke, diese fünf Personen als eine "Truppe" anzusehen, mit der es sich vielleicht verlohne, sein Glück selbständig zu versuchen. Er
wie ein Taufkind auf seine beiden Arme legend, trug er es vom Theater in seine Wohnung hinüber. Tags darauf war Trauung und bald nachdem das junge Ding vierzehn Jahre geworden war, wurde eine Tochter geboren. Diese Tochter erhielt den Namen Philippine, Seraphine wäre vielleicht richtiger gewesen, denn man merkte, daß es eines Kindes Kind war. Philippine war so klein und zart, daß man die Lebensfähigkeit des Kindes bezweifelte und zu ganz ungewöhnlichen Prozeduren schritt. Man wickelte das kleine Wesen in Watte, that dies Paket in ein großes Glas und stellte es in eine Ofenröhre. Die Wärme mußte für Nachreife sorgen. Das Kind gedieh auch. Aber es blieb doch sehr zart. Das alles war 1810. Drei Jahre später war es mit dem Königreich Westfalen vorbei, Jérôme wurde flüchtig und auch sein Hoftheaterdirektor ging in die Welt, von Stadt zu Stadt ziehend. Es kamen nun die sieben magern Jahre und als sie um waren, kamen neue. Die Sohmsche Familie war inzwischen angewachsen und bestand, außer dem Ehepaare, noch aus drei Kindern: älteste Tochter, ein Sohn und wieder eine Tochter. Da kam dem alten Sohm der geniale Gedanke, diese fünf Personen als eine „Truppe“ anzusehen, mit der es sich vielleicht verlohne, sein Glück selbständig zu versuchen. Er
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0182"n="173"/>
wie ein Taufkind auf seine beiden Arme legend, trug er es vom Theater in seine Wohnung hinüber. Tags darauf war Trauung und bald nachdem das junge Ding vierzehn Jahre geworden war, wurde eine Tochter geboren. Diese Tochter erhielt den Namen Philippine, Seraphine wäre vielleicht richtiger gewesen, denn man merkte, daß es eines Kindes Kind war. Philippine war so klein und zart, daß man die Lebensfähigkeit des Kindes bezweifelte und zu ganz ungewöhnlichen Prozeduren schritt. Man wickelte das kleine Wesen in Watte, that dies Paket in ein großes Glas und stellte es in eine Ofenröhre. Die Wärme mußte für Nachreife sorgen. Das Kind gedieh auch. Aber es blieb doch sehr zart. Das alles war 1810. Drei Jahre später war es mit dem Königreich Westfalen vorbei, Jérôme wurde flüchtig und auch sein Hoftheaterdirektor ging in die Welt, von Stadt zu Stadt ziehend. Es kamen nun die sieben magern Jahre und als sie um waren, kamen neue. Die Sohmsche Familie war inzwischen angewachsen und bestand, außer dem Ehepaare, noch aus drei Kindern: älteste Tochter, ein Sohn und wieder eine Tochter. Da kam dem alten Sohm der geniale Gedanke, diese fünf Personen als eine „Truppe“ anzusehen, mit der es sich vielleicht verlohne, sein Glück selbständig zu versuchen. Er<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[173/0182]
wie ein Taufkind auf seine beiden Arme legend, trug er es vom Theater in seine Wohnung hinüber. Tags darauf war Trauung und bald nachdem das junge Ding vierzehn Jahre geworden war, wurde eine Tochter geboren. Diese Tochter erhielt den Namen Philippine, Seraphine wäre vielleicht richtiger gewesen, denn man merkte, daß es eines Kindes Kind war. Philippine war so klein und zart, daß man die Lebensfähigkeit des Kindes bezweifelte und zu ganz ungewöhnlichen Prozeduren schritt. Man wickelte das kleine Wesen in Watte, that dies Paket in ein großes Glas und stellte es in eine Ofenröhre. Die Wärme mußte für Nachreife sorgen. Das Kind gedieh auch. Aber es blieb doch sehr zart. Das alles war 1810. Drei Jahre später war es mit dem Königreich Westfalen vorbei, Jérôme wurde flüchtig und auch sein Hoftheaterdirektor ging in die Welt, von Stadt zu Stadt ziehend. Es kamen nun die sieben magern Jahre und als sie um waren, kamen neue. Die Sohmsche Familie war inzwischen angewachsen und bestand, außer dem Ehepaare, noch aus drei Kindern: älteste Tochter, ein Sohn und wieder eine Tochter. Da kam dem alten Sohm der geniale Gedanke, diese fünf Personen als eine „Truppe“ anzusehen, mit der es sich vielleicht verlohne, sein Glück selbständig zu versuchen. Er
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_zwanzig_1898/182>, abgerufen am 23.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.