zehnjährige Bühnendame zu interessieren begann. Diese junge Dame, Philippine Sohm, das schon mehrgenannte "Tante Pinchen", war die Tochter des ehemaligen Theaterdirektors Sohm, der ein ziemlich merkwürdiges Leben hinter sich hatte. Sohm, etwa 1770 geboren, war Göttinger oder Hallenser Student gewesen und hatte, nach allerhand Scheiterungen, schließlich seinen Unterschlupf beim Theater gefunden. Er war ein guter Schauspieler. Dies und vielleicht mehr noch das Imponierende seiner Persönlichkeit, eroberten ihm auf ein halbes Jahrzehnt hin eine glänzende Lebensstellung: er wurde, gleich nach Ernennung Jeromes zum König von Westfalen, als Hoftheaterintendant oder vielleicht auch bloß als Direktor nach Kassel berufen. "Morgen wieder lustick sein", - an dieser Maxime hielt er gerade so wie sein königlicher Herr fest und nahm die guten Tage mit, so lange der Mummenschanz dauerte. Während dieser Zeit, mutmaßlich 1809, verheiratete er sich auch. Er verfuhr dabei ganz in dem Stil, der am Jeromeschen Hofe herrschte. Nach einer Festaufführung, in der auch ein dreizehnjähriger Backfisch mitgewirkt und ihn durch Uebermut entzückt hatte, nahm er dies junge Ding beim Schopf und sagte: "Du sollst meine Frau werden." Es war ihm auch Ernst damit und das kleine Fräulein
zehnjährige Bühnendame zu interessieren begann. Diese junge Dame, Philippine Sohm, das schon mehrgenannte „Tante Pinchen“, war die Tochter des ehemaligen Theaterdirektors Sohm, der ein ziemlich merkwürdiges Leben hinter sich hatte. Sohm, etwa 1770 geboren, war Göttinger oder Hallenser Student gewesen und hatte, nach allerhand Scheiterungen, schließlich seinen Unterschlupf beim Theater gefunden. Er war ein guter Schauspieler. Dies und vielleicht mehr noch das Imponierende seiner Persönlichkeit, eroberten ihm auf ein halbes Jahrzehnt hin eine glänzende Lebensstellung: er wurde, gleich nach Ernennung Jérômes zum König von Westfalen, als Hoftheaterintendant oder vielleicht auch bloß als Direktor nach Kassel berufen. „Morgen wieder lustick sein“, – an dieser Maxime hielt er gerade so wie sein königlicher Herr fest und nahm die guten Tage mit, so lange der Mummenschanz dauerte. Während dieser Zeit, mutmaßlich 1809, verheiratete er sich auch. Er verfuhr dabei ganz in dem Stil, der am Jérômeschen Hofe herrschte. Nach einer Festaufführung, in der auch ein dreizehnjähriger Backfisch mitgewirkt und ihn durch Uebermut entzückt hatte, nahm er dies junge Ding beim Schopf und sagte: „Du sollst meine Frau werden.“ Es war ihm auch Ernst damit und das kleine Fräulein
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zehnjährige Bühnendame zu interessieren begann. Diese junge Dame, Philippine Sohm, das schon mehrgenannte „Tante Pinchen“, war die Tochter des ehemaligen Theaterdirektors Sohm, der ein ziemlich merkwürdiges Leben hinter sich hatte. Sohm, etwa 1770 geboren, war Göttinger oder Hallenser Student gewesen und hatte, nach allerhand Scheiterungen, schließlich seinen Unterschlupf beim Theater gefunden. Er war ein guter Schauspieler. Dies und vielleicht mehr noch das Imponierende seiner Persönlichkeit, eroberten ihm auf ein halbes Jahrzehnt hin eine glänzende Lebensstellung: er wurde, gleich nach Ernennung Jérômes zum König von Westfalen, als Hoftheaterintendant oder vielleicht auch bloß als Direktor nach Kassel berufen. „Morgen wieder lustick sein“, – an dieser Maxime hielt er gerade so wie sein königlicher Herr fest und nahm die guten Tage mit, so lange der Mummenschanz dauerte. Während dieser Zeit, mutmaßlich 1809, verheiratete er sich auch. Er verfuhr dabei ganz in dem Stil, der am Jérômeschen Hofe herrschte. Nach einer Festaufführung, in der auch ein dreizehnjähriger Backfisch mitgewirkt und ihn durch Uebermut entzückt hatte, nahm er dies junge Ding beim Schopf und sagte: „Du sollst meine Frau werden.“ Es war ihm auch Ernst damit und das kleine Fräulein<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
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zehnjährige Bühnendame zu interessieren begann. Diese junge Dame, Philippine Sohm, das schon mehrgenannte „Tante Pinchen“, war die Tochter des ehemaligen Theaterdirektors Sohm, der ein ziemlich merkwürdiges Leben hinter sich hatte. Sohm, etwa 1770 geboren, war Göttinger oder Hallenser Student gewesen und hatte, nach allerhand Scheiterungen, schließlich seinen Unterschlupf beim Theater gefunden. Er war ein guter Schauspieler. Dies und vielleicht mehr noch das Imponierende seiner Persönlichkeit, eroberten ihm auf ein halbes Jahrzehnt hin eine glänzende Lebensstellung: er wurde, gleich nach Ernennung Jérômes zum König von Westfalen, als Hoftheaterintendant oder vielleicht auch bloß als Direktor nach Kassel berufen. „Morgen wieder lustick sein“, – an dieser Maxime hielt er gerade so wie sein königlicher Herr fest und nahm die guten Tage mit, so lange der Mummenschanz dauerte. Während dieser Zeit, mutmaßlich 1809, verheiratete er sich auch. Er verfuhr dabei ganz in dem Stil, der am Jérômeschen Hofe herrschte. Nach einer Festaufführung, in der auch ein dreizehnjähriger Backfisch mitgewirkt und ihn durch Uebermut entzückt hatte, nahm er dies junge Ding beim Schopf und sagte: „Du sollst meine Frau werden.“ Es war ihm auch Ernst damit und das kleine Fräulein
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Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_zwanzig_1898/181>, abgerufen am 23.07.2024.
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