dergleichen, ja, wenn ich recht unterrichtet bin, so ver¬ handelt man bereits über eine neue Teilung der Welt, will sagen über die Wiederherstellung eines morgen¬ ländischen und abendländischen Kaisertums. Aber lassen wir Dinge, die noch in der Luft schweben, und erklären wir uns das dem Heldenkaiser gespendete Lob lieber einfach aus dem Rechnungssatze: ,wenn der unterlegene russische Mut einen vollen Centner wog, so wog der siegreich französische natürlich zwei'"
Schach, der, seit Kaiser Alexanders Besuch in Berlin, das Andreaskreuz trug, biß sich auf die Lippen und wollte replizieren. Aber Bülow kam ihm zuvor und bemerkte: "Gegen ,unter dem Leibe erschossene Kaiserpferde' bin ich überhaupt immer mißtrauisch. Und nun gar hier. All diese Lobeserhebungen müssen Seine Majestät sehr in Verlegenheit gebracht haben, denn es giebt ihrer zu viele, die das Gegenteil bezeugen können. Er ist der ,gute Kaiser' und damit Basta."
"Sie sprechen das so spöttisch, Herr v. Bülow," antwortete Schach. "Und doch frag ich Sie, giebt es einen schöneren Titel?"
"O gewiß giebt es den. Ein wirklich großer Mann wird nicht um seiner Güte willen gefeiert und noch weniger danach benannt. Er wird umgekehrt ein Gegenstand beständiger Verleumdungen sein. Denn das Gemeine, das überall vorherrscht, liebt nur das, was ihm gleicht. Brenkenhof, der, trotz seiner Para¬
dergleichen, ja, wenn ich recht unterrichtet bin, ſo ver¬ handelt man bereits über eine neue Teilung der Welt, will ſagen über die Wiederherſtellung eines morgen¬ ländiſchen und abendländiſchen Kaiſertums. Aber laſſen wir Dinge, die noch in der Luft ſchweben, und erklären wir uns das dem Heldenkaiſer geſpendete Lob lieber einfach aus dem Rechnungsſatze: ‚wenn der unterlegene ruſſiſche Mut einen vollen Centner wog, ſo wog der ſiegreich franzöſiſche natürlich zwei‘“
Schach, der, ſeit Kaiſer Alexanders Beſuch in Berlin, das Andreaskreuz trug, biß ſich auf die Lippen und wollte replizieren. Aber Bülow kam ihm zuvor und bemerkte: „Gegen ,unter dem Leibe erſchoſſene Kaiſerpferde‘ bin ich überhaupt immer mißtrauiſch. Und nun gar hier. All dieſe Lobeserhebungen müſſen Seine Majeſtät ſehr in Verlegenheit gebracht haben, denn es giebt ihrer zu viele, die das Gegenteil bezeugen können. Er iſt der ‚gute Kaiſer‘ und damit Baſta.“
„Sie ſprechen das ſo ſpöttiſch, Herr v. Bülow,“ antwortete Schach. „Und doch frag ich Sie, giebt es einen ſchöneren Titel?“
„O gewiß giebt es den. Ein wirklich großer Mann wird nicht um ſeiner Güte willen gefeiert und noch weniger danach benannt. Er wird umgekehrt ein Gegenſtand beſtändiger Verleumdungen ſein. Denn das Gemeine, das überall vorherrſcht, liebt nur das, was ihm gleicht. Brenkenhof, der, trotz ſeiner Para¬
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dergleichen, ja, wenn ich recht unterrichtet bin, ſo ver¬
handelt man bereits über eine neue Teilung der Welt,
will ſagen über die Wiederherſtellung eines morgen¬
ländiſchen und abendländiſchen Kaiſertums. Aber
laſſen wir Dinge, die noch in der Luft ſchweben, und
erklären wir uns das dem Heldenkaiſer geſpendete
Lob lieber einfach aus dem Rechnungsſatze: ‚wenn
der unterlegene ruſſiſche Mut einen vollen Centner wog,
ſo wog der ſiegreich franzöſiſche natürlich zwei‘“
Schach, der, ſeit Kaiſer Alexanders Beſuch in
Berlin, das Andreaskreuz trug, biß ſich auf die Lippen
und wollte replizieren. Aber Bülow kam ihm zuvor
und bemerkte: „Gegen ,unter dem Leibe erſchoſſene
Kaiſerpferde‘ bin ich überhaupt immer mißtrauiſch. Und
nun gar hier. All dieſe Lobeserhebungen müſſen Seine
Majeſtät ſehr in Verlegenheit gebracht haben, denn es
giebt ihrer zu viele, die das Gegenteil bezeugen können.
Er iſt der ‚gute Kaiſer‘ und damit Baſta.“
„Sie ſprechen das ſo ſpöttiſch, Herr v. Bülow,“
antwortete Schach. „Und doch frag ich Sie, giebt
es einen ſchöneren Titel?“
„O gewiß giebt es den. Ein wirklich großer
Mann wird nicht um ſeiner Güte willen gefeiert und
noch weniger danach benannt. Er wird umgekehrt
ein Gegenſtand beſtändiger Verleumdungen ſein. Denn
das Gemeine, das überall vorherrſcht, liebt nur das,
was ihm gleicht. Brenkenhof, der, trotz ſeiner Para¬
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Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_wuthenow_1883/90>, abgerufen am 22.07.2024.
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