fritzige. Der Geist ist heraus, alles ist Dressur und Spielerei geworden. Giebt es doch Offiziere, die, der bloßen Prallheit und Drallheit halber, ihren Uniform¬ rock direkt auf dem Leibe tragen. Alles Unnatur. Selbst das Marschieren-können, diese ganz gewöhnliche Fähigkeit des Menschen, die Beine zu setzen, ist uns in dem ewigen Paradeschritt verloren gegangen. Und Marschieren-können ist jetzt die erste Bedingung des Erfolges. Alle modernen Schlachten sind mit den Beinen gewonnen worden."
"Und mit Gold" unterbrach hier der Prinz. "Ihr großer Empereur, lieber Bülow, hat eine Vor¬ liebe für kleine Mittel. Ja, für allerkleinste. Daß er lügt, ist sicher. Aber er ist auch ein Meister in der Kunst der Bestechung. Und wer hat uns die Augen darüber geöffnet? Er selber. Lesen Sie, was er unmittelbar vor der Austerlitzer Bataille sagte. ,Soldaten' hieß es, ,der Feind wird marschieren und unsre Flanke zu gewinnen suchen; bei dieser Marsch¬ bewegung aber wird er die seinige preisgeben. Wir werden uns auf diese seine Flanke werfen, und ihn schla¬ gen und vernichten.' Und genau so verlief die Schlacht. Es ist unmöglich, daß er aus der bloßen Aufstellung der Österreicher auch schon ihren Schlachtplan erraten haben könnte."
Man schwieg. Da dies Schweigen aber dem lebhaften Prinzen um vieles peinlicher war als
fritzige. Der Geiſt iſt heraus, alles iſt Dreſſur und Spielerei geworden. Giebt es doch Offiziere, die, der bloßen Prallheit und Drallheit halber, ihren Uniform¬ rock direkt auf dem Leibe tragen. Alles Unnatur. Selbſt das Marſchieren-können, dieſe ganz gewöhnliche Fähigkeit des Menſchen, die Beine zu ſetzen, iſt uns in dem ewigen Paradeſchritt verloren gegangen. Und Marſchieren-können iſt jetzt die erſte Bedingung des Erfolges. Alle modernen Schlachten ſind mit den Beinen gewonnen worden.“
„Und mit Gold“ unterbrach hier der Prinz. „Ihr großer Empereur, lieber Bülow, hat eine Vor¬ liebe für kleine Mittel. Ja, für allerkleinſte. Daß er lügt, iſt ſicher. Aber er iſt auch ein Meiſter in der Kunſt der Beſtechung. Und wer hat uns die Augen darüber geöffnet? Er ſelber. Leſen Sie, was er unmittelbar vor der Auſterlitzer Bataille ſagte. ,Soldaten‘ hieß es, ‚der Feind wird marſchieren und unſre Flanke zu gewinnen ſuchen; bei dieſer Marſch¬ bewegung aber wird er die ſeinige preisgeben. Wir werden uns auf dieſe ſeine Flanke werfen, und ihn ſchla¬ gen und vernichten.‘ Und genau ſo verlief die Schlacht. Es iſt unmöglich, daß er aus der bloßen Aufſtellung der Öſterreicher auch ſchon ihren Schlachtplan erraten haben könnte.“
Man ſchwieg. Da dies Schweigen aber dem lebhaften Prinzen um vieles peinlicher war als
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fritzige. Der Geiſt iſt heraus, alles iſt Dreſſur und
Spielerei geworden. Giebt es doch Offiziere, die, der
bloßen Prallheit und Drallheit halber, ihren Uniform¬
rock direkt auf dem Leibe tragen. Alles Unnatur.
Selbſt das Marſchieren-können, dieſe ganz gewöhnliche
Fähigkeit des Menſchen, die Beine zu ſetzen, iſt uns
in dem ewigen Paradeſchritt verloren gegangen. Und
Marſchieren-können iſt jetzt die erſte Bedingung des
Erfolges. Alle modernen Schlachten ſind mit den
Beinen gewonnen worden.“
„Und mit Gold“ unterbrach hier der Prinz.
„Ihr großer Empereur, lieber Bülow, hat eine Vor¬
liebe für kleine Mittel. Ja, für allerkleinſte. Daß
er lügt, iſt ſicher. Aber er iſt auch ein Meiſter in
der Kunſt der Beſtechung. Und wer hat uns die
Augen darüber geöffnet? Er ſelber. Leſen Sie, was
er unmittelbar vor der Auſterlitzer Bataille ſagte.
,Soldaten‘ hieß es, ‚der Feind wird marſchieren und
unſre Flanke zu gewinnen ſuchen; bei dieſer Marſch¬
bewegung aber wird er die ſeinige preisgeben. Wir
werden uns auf dieſe ſeine Flanke werfen, und ihn ſchla¬
gen und vernichten.‘ Und genau ſo verlief die Schlacht.
Es iſt unmöglich, daß er aus der bloßen Aufſtellung
der Öſterreicher auch ſchon ihren Schlachtplan erraten
haben könnte.“
Man ſchwieg. Da dies Schweigen aber dem
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Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_wuthenow_1883/86>, abgerufen am 22.07.2024.
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