Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883.

Bild:
<< vorherige Seite

"Ich bitte fürlieb zu nehmen," begann er, als die
Tafelrunde sich arrangiert hatte. "Wir sind hier auf
dem Lande; das muß als Entschuldigung dienen, für
alles was fehlt. ,A la guerre, comme a la guerre.'
Massenbach, unser Gourme, muß übrigens etwas der¬
art geahnt, respektive gefürchtet haben. Was mich
auch nicht überraschen würde. Heißt es doch, lieber
Sander, Ihr guter Tisch habe mehr noch als Ihr guter
Verlag die Freundschaft zwischen ihnen besiegelt."

"Ein Satz, dem ich kaum zu widersprechen wage,
Königliche Hoheit."

"Und doch müßten Sies eigentlich. Ihr ganzer
Verlag hat keine Spur von jenem ,laisser passer',
das das Vorrecht, ja, die Pflicht aller gesättigten
Leute ist. Ihre Genies (Pardon, Bülow) schreiben
alle wie Hungrige. Meinetwegen. Unsre Paradeleute
geb ich Ihnen Preis, aber daß Sie mir auch die
Österreicher so schlecht behandeln, das mißfällt mir."

"Bin ich es, Königliche Hoheit? Ich, für meine
Person, habe nicht die Prätension höherer Strategie.
Nebenher freilich, möcht ich, so zu sagen aus meinem
Verlage heraus, die Frage stellen dürfen: "war Ulm
etwas Kluges?"

"Ach, mein lieber Sander, was ist klug? Wir
Preußen bilden uns beständig ein, es zu sein; und
wissen Sie, was Napoleon über unsre vorjährige
thüringische Aufstellung gesagt hat? Nostitz, wieder¬

„Ich bitte fürlieb zu nehmen,“ begann er, als die
Tafelrunde ſich arrangiert hatte. „Wir ſind hier auf
dem Lande; das muß als Entſchuldigung dienen, für
alles was fehlt. ,A la guerre, comme à la guerre.‘
Maſſenbach, unſer Gourmé, muß übrigens etwas der¬
art geahnt, reſpektive gefürchtet haben. Was mich
auch nicht überraſchen würde. Heißt es doch, lieber
Sander, Ihr guter Tiſch habe mehr noch als Ihr guter
Verlag die Freundſchaft zwiſchen ihnen beſiegelt.“

„Ein Satz, dem ich kaum zu widerſprechen wage,
Königliche Hoheit.“

„Und doch müßten Sies eigentlich. Ihr ganzer
Verlag hat keine Spur von jenem ,laisser passer‘,
das das Vorrecht, ja, die Pflicht aller geſättigten
Leute iſt. Ihre Genies (Pardon, Bülow) ſchreiben
alle wie Hungrige. Meinetwegen. Unſre Paradeleute
geb ich Ihnen Preis, aber daß Sie mir auch die
Öſterreicher ſo ſchlecht behandeln, das mißfällt mir.“

„Bin ich es, Königliche Hoheit? Ich, für meine
Perſon, habe nicht die Prätenſion höherer Strategie.
Nebenher freilich, möcht ich, ſo zu ſagen aus meinem
Verlage heraus, die Frage ſtellen dürfen: „war Ulm
etwas Kluges?“

„Ach, mein lieber Sander, was iſt klug? Wir
Preußen bilden uns beſtändig ein, es zu ſein; und
wiſſen Sie, was Napoleon über unſre vorjährige
thüringiſche Aufſtellung geſagt hat? Noſtitz, wieder¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0082" n="70"/>
        <p>&#x201E;Ich bitte fürlieb zu nehmen,&#x201C; begann er, als die<lb/>
Tafelrunde &#x017F;ich arrangiert hatte. &#x201E;Wir &#x017F;ind hier auf<lb/>
dem Lande; das muß als Ent&#x017F;chuldigung dienen, für<lb/>
alles was fehlt. <hi rendition="#aq">,A la guerre, comme à la guerre.&#x2018;</hi><lb/>
Ma&#x017F;&#x017F;enbach, un&#x017F;er Gourmé, muß übrigens etwas der¬<lb/>
art geahnt, re&#x017F;pektive gefürchtet haben. Was mich<lb/>
auch nicht überra&#x017F;chen würde. Heißt es doch, lieber<lb/>
Sander, Ihr guter Ti&#x017F;ch habe mehr noch als Ihr guter<lb/>
Verlag die Freund&#x017F;chaft zwi&#x017F;chen ihnen be&#x017F;iegelt.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ein Satz, dem ich kaum zu wider&#x017F;prechen wage,<lb/>
Königliche Hoheit.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Und doch <hi rendition="#g">müßten</hi> Sies eigentlich. Ihr ganzer<lb/>
Verlag hat keine Spur von jenem <hi rendition="#aq">,laisser passer&#x2018;</hi>,<lb/>
das das Vorrecht, ja, die Pflicht aller ge&#x017F;ättigten<lb/>
Leute i&#x017F;t. Ihre Genies (Pardon, Bülow) &#x017F;chreiben<lb/>
alle wie Hungrige. Meinetwegen. Un&#x017F;re Paradeleute<lb/>
geb ich Ihnen Preis, aber daß Sie mir auch die<lb/>
Ö&#x017F;terreicher &#x017F;o &#x017F;chlecht behandeln, das mißfällt mir.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Bin ich es, Königliche Hoheit? Ich, für meine<lb/>
Per&#x017F;on, habe nicht die Präten&#x017F;ion höherer Strategie.<lb/>
Nebenher freilich, möcht ich, &#x017F;o zu &#x017F;agen aus meinem<lb/>
Verlage heraus, die Frage &#x017F;tellen dürfen: &#x201E;war Ulm<lb/>
etwas Kluges?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ach, mein lieber Sander, was i&#x017F;t klug? Wir<lb/>
Preußen bilden uns be&#x017F;tändig ein, es zu &#x017F;ein; und<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en Sie, was Napoleon über un&#x017F;re vorjährige<lb/>
thüringi&#x017F;che Auf&#x017F;tellung ge&#x017F;agt hat? No&#x017F;titz, wieder¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[70/0082] „Ich bitte fürlieb zu nehmen,“ begann er, als die Tafelrunde ſich arrangiert hatte. „Wir ſind hier auf dem Lande; das muß als Entſchuldigung dienen, für alles was fehlt. ,A la guerre, comme à la guerre.‘ Maſſenbach, unſer Gourmé, muß übrigens etwas der¬ art geahnt, reſpektive gefürchtet haben. Was mich auch nicht überraſchen würde. Heißt es doch, lieber Sander, Ihr guter Tiſch habe mehr noch als Ihr guter Verlag die Freundſchaft zwiſchen ihnen beſiegelt.“ „Ein Satz, dem ich kaum zu widerſprechen wage, Königliche Hoheit.“ „Und doch müßten Sies eigentlich. Ihr ganzer Verlag hat keine Spur von jenem ,laisser passer‘, das das Vorrecht, ja, die Pflicht aller geſättigten Leute iſt. Ihre Genies (Pardon, Bülow) ſchreiben alle wie Hungrige. Meinetwegen. Unſre Paradeleute geb ich Ihnen Preis, aber daß Sie mir auch die Öſterreicher ſo ſchlecht behandeln, das mißfällt mir.“ „Bin ich es, Königliche Hoheit? Ich, für meine Perſon, habe nicht die Prätenſion höherer Strategie. Nebenher freilich, möcht ich, ſo zu ſagen aus meinem Verlage heraus, die Frage ſtellen dürfen: „war Ulm etwas Kluges?“ „Ach, mein lieber Sander, was iſt klug? Wir Preußen bilden uns beſtändig ein, es zu ſein; und wiſſen Sie, was Napoleon über unſre vorjährige thüringiſche Aufſtellung geſagt hat? Noſtitz, wieder¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_wuthenow_1883
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_wuthenow_1883/82
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_wuthenow_1883/82>, abgerufen am 03.05.2024.