(nur zu groß) und seine eigene Gesinnung, die, wie sie sich überzeugt halte, wohl schwanken aber nie dau¬ ernd erschüttert werden könne, gäben ihr die Gewähr einer friedlichen und wenn ihre Bitten Erhörung fän¬ den auch einer glücklichen Zukunft.
Am andern Vormittage wurde Schach bei Frau von Carayon gemeldet. Sie ging ihm entgegen, und das sich sofort entspinnende Gespräch verriet auf bei¬ den Seiten weniger Verlegenheit, als nach dem Vor¬ gefallenen hätte vorausgesetzt werden sollen. Und doch erklärte sichs auch wieder. Alles was geschehen war, so schmerzlich es hüben und drüben berührt hatte, war doch schließlich von jeder der beiden Par¬ teien verstanden worden, und wo Verständnis ist, ist auch Verzeihung oder wenigstens die Möglichkeit einer solchen. Alles hatte sich in natürlicher Konse¬ quenz aus den Verhältnissen heraus entwickelt, und weder die Flucht, die Schach bewerkstelligt, noch die Klage, die Frau von Carayon an oberster Stelle ge¬ führt hatte, hatten Übelwollen oder Gehässigkeit aus¬ drücken sollen.
Als das Gespräch einen Augenblick zu stocken begann, erschien Victoire. Sie sah sehr gut aus, nicht abgehärmt, vielmehr frischer als sonst. Er trat ihr entgegen, nicht kalt und ceremoniös, sondern herz¬ lich, und der Ausdruck einer innigen und aufrichtigen Teilnahme, womit er auf sie sah und ihr die Hand
(nur zu groß) und ſeine eigene Geſinnung, die, wie ſie ſich überzeugt halte, wohl ſchwanken aber nie dau¬ ernd erſchüttert werden könne, gäben ihr die Gewähr einer friedlichen und wenn ihre Bitten Erhörung fän¬ den auch einer glücklichen Zukunft.
Am andern Vormittage wurde Schach bei Frau von Carayon gemeldet. Sie ging ihm entgegen, und das ſich ſofort entſpinnende Geſpräch verriet auf bei¬ den Seiten weniger Verlegenheit, als nach dem Vor¬ gefallenen hätte vorausgeſetzt werden ſollen. Und doch erklärte ſichs auch wieder. Alles was geſchehen war, ſo ſchmerzlich es hüben und drüben berührt hatte, war doch ſchließlich von jeder der beiden Par¬ teien verſtanden worden, und wo Verſtändnis iſt, iſt auch Verzeihung oder wenigſtens die Möglichkeit einer ſolchen. Alles hatte ſich in natürlicher Konſe¬ quenz aus den Verhältniſſen heraus entwickelt, und weder die Flucht, die Schach bewerkſtelligt, noch die Klage, die Frau von Carayon an oberſter Stelle ge¬ führt hatte, hatten Übelwollen oder Gehäſſigkeit aus¬ drücken ſollen.
Als das Geſpräch einen Augenblick zu ſtocken begann, erſchien Victoire. Sie ſah ſehr gut aus, nicht abgehärmt, vielmehr friſcher als ſonſt. Er trat ihr entgegen, nicht kalt und ceremoniös, ſondern herz¬ lich, und der Ausdruck einer innigen und aufrichtigen Teilnahme, womit er auf ſie ſah und ihr die Hand
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[205/0217]
(nur zu groß) und ſeine eigene Geſinnung, die, wie
ſie ſich überzeugt halte, wohl ſchwanken aber nie dau¬
ernd erſchüttert werden könne, gäben ihr die Gewähr
einer friedlichen und wenn ihre Bitten Erhörung fän¬
den auch einer glücklichen Zukunft.
Am andern Vormittage wurde Schach bei Frau
von Carayon gemeldet. Sie ging ihm entgegen, und
das ſich ſofort entſpinnende Geſpräch verriet auf bei¬
den Seiten weniger Verlegenheit, als nach dem Vor¬
gefallenen hätte vorausgeſetzt werden ſollen. Und
doch erklärte ſichs auch wieder. Alles was geſchehen
war, ſo ſchmerzlich es hüben und drüben berührt
hatte, war doch ſchließlich von jeder der beiden Par¬
teien verſtanden worden, und wo Verſtändnis iſt,
iſt auch Verzeihung oder wenigſtens die Möglichkeit
einer ſolchen. Alles hatte ſich in natürlicher Konſe¬
quenz aus den Verhältniſſen heraus entwickelt, und
weder die Flucht, die Schach bewerkſtelligt, noch die
Klage, die Frau von Carayon an oberſter Stelle ge¬
führt hatte, hatten Übelwollen oder Gehäſſigkeit aus¬
drücken ſollen.
Als das Geſpräch einen Augenblick zu ſtocken
begann, erſchien Victoire. Sie ſah ſehr gut aus,
nicht abgehärmt, vielmehr friſcher als ſonſt. Er trat
ihr entgegen, nicht kalt und ceremoniös, ſondern herz¬
lich, und der Ausdruck einer innigen und aufrichtigen
Teilnahme, womit er auf ſie ſah und ihr die Hand
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Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_wuthenow_1883/217>, abgerufen am 22.07.2024.
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