machen. Begegnungen und Geplauder sollten ihn zerstreuen, ihm seine Ruhe wiedergeben. Was war es denn schließlich? Ein kleinlicher Akt der Rache.
Die Frische draußen that ihm wohl; er atmete freier und hatte seine gute Laune fast schon wieder¬ gewonnen, als er vom Wilhelmsplatz her in die Linden einbiegend, auf die schattigere Seite der Straße hinüber¬ ging, um hier ein paar Bekannte, die des Wegs kamen, anzusprechen. Sie vermieden aber ein Gespräch und wurden sichtlich verlegen. Auch Zieten kam, grüßte nonchalant und wenn nicht alles täuschte sogar mit hämischer Miene. Schach sah ihm nach, und sann und überlegte noch, was die Suffisance des einen und die verlegenen Gesichter der andern bedeutet haben mochten, als er, einige Hundert Schritte weiter aufwärts, einer ungewöhnlich großen Menschenmenge gewahr wurde, die vor einem kleinen Bilderladen stand. Einige lachten, andre schwatzten, alle jedoch schienen zu fragen "was es eigentlich sei?" Schach ging im Bogen um die Zuschauermenge herum, warf einen Blick über ihre Köpfe weg, und wußte genug. An dem Mittelfenster hing dieselbe Karrikatur, und der absichtlich niedrig normierte Preis war mit Rotstift groß darunter ge¬ schrieben.
Also eine Verschwörung.
Schach hatte nicht die Kraft mehr seinen Spazier¬
machen. Begegnungen und Geplauder ſollten ihn zerſtreuen, ihm ſeine Ruhe wiedergeben. Was war es denn ſchließlich? Ein kleinlicher Akt der Rache.
Die Friſche draußen that ihm wohl; er atmete freier und hatte ſeine gute Laune faſt ſchon wieder¬ gewonnen, als er vom Wilhelmsplatz her in die Linden einbiegend, auf die ſchattigere Seite der Straße hinüber¬ ging, um hier ein paar Bekannte, die des Wegs kamen, anzuſprechen. Sie vermieden aber ein Geſpräch und wurden ſichtlich verlegen. Auch Zieten kam, grüßte nonchalant und wenn nicht alles täuſchte ſogar mit hämiſcher Miene. Schach ſah ihm nach, und ſann und überlegte noch, was die Suffiſance des einen und die verlegenen Geſichter der andern bedeutet haben mochten, als er, einige Hundert Schritte weiter aufwärts, einer ungewöhnlich großen Menſchenmenge gewahr wurde, die vor einem kleinen Bilderladen ſtand. Einige lachten, andre ſchwatzten, alle jedoch ſchienen zu fragen „was es eigentlich ſei?“ Schach ging im Bogen um die Zuſchauermenge herum, warf einen Blick über ihre Köpfe weg, und wußte genug. An dem Mittelfenſter hing dieſelbe Karrikatur, und der abſichtlich niedrig normierte Preis war mit Rotſtift groß darunter ge¬ ſchrieben.
Alſo eine Verſchwörung.
Schach hatte nicht die Kraft mehr ſeinen Spazier¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0158"n="146"/>
machen. Begegnungen und Geplauder ſollten ihn<lb/>
zerſtreuen, ihm ſeine Ruhe wiedergeben. Was<lb/>
war es denn ſchließlich? Ein kleinlicher Akt der<lb/>
Rache.</p><lb/><p>Die Friſche draußen that ihm wohl; er atmete<lb/>
freier und hatte ſeine gute Laune faſt ſchon wieder¬<lb/>
gewonnen, als er vom Wilhelmsplatz her in die Linden<lb/>
einbiegend, auf die ſchattigere Seite der Straße hinüber¬<lb/>
ging, um hier ein paar Bekannte, die des Wegs kamen,<lb/>
anzuſprechen. Sie vermieden aber ein Geſpräch und<lb/>
wurden ſichtlich verlegen. Auch Zieten kam, grüßte<lb/>
nonchalant und wenn nicht alles täuſchte ſogar mit<lb/>
hämiſcher Miene. Schach ſah ihm nach, und ſann und<lb/>
überlegte noch, was die Suffiſance des einen und die<lb/>
verlegenen Geſichter der andern bedeutet haben mochten,<lb/>
als er, einige Hundert Schritte weiter aufwärts, einer<lb/>
ungewöhnlich großen Menſchenmenge gewahr wurde, die<lb/>
vor einem kleinen Bilderladen ſtand. Einige lachten,<lb/>
andre ſchwatzten, alle jedoch ſchienen zu fragen „was<lb/>
es eigentlich ſei?“ Schach ging im Bogen um die<lb/>
Zuſchauermenge herum, warf einen Blick über ihre<lb/>
Köpfe weg, und wußte genug. An dem Mittelfenſter<lb/>
hing dieſelbe Karrikatur, und der abſichtlich niedrig<lb/>
normierte Preis war mit Rotſtift groß darunter ge¬<lb/>ſchrieben.</p><lb/><p>Alſo eine Verſchwörung.</p><lb/><p>Schach hatte nicht die Kraft mehr ſeinen Spazier¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[146/0158]
machen. Begegnungen und Geplauder ſollten ihn
zerſtreuen, ihm ſeine Ruhe wiedergeben. Was
war es denn ſchließlich? Ein kleinlicher Akt der
Rache.
Die Friſche draußen that ihm wohl; er atmete
freier und hatte ſeine gute Laune faſt ſchon wieder¬
gewonnen, als er vom Wilhelmsplatz her in die Linden
einbiegend, auf die ſchattigere Seite der Straße hinüber¬
ging, um hier ein paar Bekannte, die des Wegs kamen,
anzuſprechen. Sie vermieden aber ein Geſpräch und
wurden ſichtlich verlegen. Auch Zieten kam, grüßte
nonchalant und wenn nicht alles täuſchte ſogar mit
hämiſcher Miene. Schach ſah ihm nach, und ſann und
überlegte noch, was die Suffiſance des einen und die
verlegenen Geſichter der andern bedeutet haben mochten,
als er, einige Hundert Schritte weiter aufwärts, einer
ungewöhnlich großen Menſchenmenge gewahr wurde, die
vor einem kleinen Bilderladen ſtand. Einige lachten,
andre ſchwatzten, alle jedoch ſchienen zu fragen „was
es eigentlich ſei?“ Schach ging im Bogen um die
Zuſchauermenge herum, warf einen Blick über ihre
Köpfe weg, und wußte genug. An dem Mittelfenſter
hing dieſelbe Karrikatur, und der abſichtlich niedrig
normierte Preis war mit Rotſtift groß darunter ge¬
ſchrieben.
Alſo eine Verſchwörung.
Schach hatte nicht die Kraft mehr ſeinen Spazier¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_wuthenow_1883/158>, abgerufen am 22.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.