wieder viel in den "großen Häusern", und legte, wie Nostitz spottete, den Radziwills und Carolaths zu, was er den Carayons entzog. Auch Alvensleben scherzte darüber, und selbst Victoire versuchte, den gleichen Ton zu treffen. Aber ohne daß es ihr glücken wollte. Sie träumte so hin, und nur eigent¬ lich traurig war sie nicht. Noch weniger unglücklich.
Unter denen, die sich mit dem Stück, also mit der Tagesfrage beschäftigten, waren auch die Offiziere vom Regiment Gensdarmes, obschon ihnen nicht ein¬ fiel, sich ernsthaft auf ein Für oder Wider einzu¬ lassen. Sie sahen alles ausschließlich auf seine komische Seite hin an, und fanden in der Auflösung eines Nonnen¬ klosters, in Katharina von Boras "neunjähriger Pflege¬ tochter" und endlich in dem beständig Flöte spielenden Luther, einen unerschöpflichen Stoff für ihren Spott und Übermut.
Ihr Lieblingsversammlungsort in jenen Tagen war die Wachtstube des Regiments, wo die jüngeren Kameraden den dienstthuenden Offizier zu besuchen und sich bis in die Nacht hinein zu divertieren pflegten. Unter den Gesprächen, die man in Veranlassung der neuen Komödie hier führte, kamen Spöttereien wie die vorgenannten kaum noch von der Tagesordnung, und als einer der Kameraden daran erinnerte, daß das neuerdings von seiner früheren Höhe herabge¬ stiegene Regiment eine Art patriotische Pflicht habe,
wieder viel in den „großen Häuſern“, und legte, wie Noſtitz ſpottete, den Radziwills und Carolaths zu, was er den Carayons entzog. Auch Alvensleben ſcherzte darüber, und ſelbſt Victoire verſuchte, den gleichen Ton zu treffen. Aber ohne daß es ihr glücken wollte. Sie träumte ſo hin, und nur eigent¬ lich traurig war ſie nicht. Noch weniger unglücklich.
Unter denen, die ſich mit dem Stück, alſo mit der Tagesfrage beſchäftigten, waren auch die Offiziere vom Regiment Gensdarmes, obſchon ihnen nicht ein¬ fiel, ſich ernſthaft auf ein Für oder Wider einzu¬ laſſen. Sie ſahen alles ausſchließlich auf ſeine komiſche Seite hin an, und fanden in der Auflöſung eines Nonnen¬ kloſters, in Katharina von Boras „neunjähriger Pflege¬ tochter“ und endlich in dem beſtändig Flöte ſpielenden Luther, einen unerſchöpflichen Stoff für ihren Spott und Übermut.
Ihr Lieblingsverſammlungsort in jenen Tagen war die Wachtſtube des Regiments, wo die jüngeren Kameraden den dienſtthuenden Offizier zu beſuchen und ſich bis in die Nacht hinein zu divertieren pflegten. Unter den Geſprächen, die man in Veranlaſſung der neuen Komödie hier führte, kamen Spöttereien wie die vorgenannten kaum noch von der Tagesordnung, und als einer der Kameraden daran erinnerte, daß das neuerdings von ſeiner früheren Höhe herabge¬ ſtiegene Regiment eine Art patriotiſche Pflicht habe,
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wieder viel in den „großen Häuſern“, und legte, wie
Noſtitz ſpottete, den Radziwills und Carolaths zu,
was er den Carayons entzog. Auch Alvensleben
ſcherzte darüber, und ſelbſt Victoire verſuchte, den
gleichen Ton zu treffen. Aber ohne daß es ihr
glücken wollte. Sie träumte ſo hin, und nur eigent¬
lich traurig war ſie nicht. Noch weniger unglücklich.
Unter denen, die ſich mit dem Stück, alſo mit
der Tagesfrage beſchäftigten, waren auch die Offiziere
vom Regiment Gensdarmes, obſchon ihnen nicht ein¬
fiel, ſich ernſthaft auf ein Für oder Wider einzu¬
laſſen. Sie ſahen alles ausſchließlich auf ſeine komiſche
Seite hin an, und fanden in der Auflöſung eines Nonnen¬
kloſters, in Katharina von Boras „neunjähriger Pflege¬
tochter“ und endlich in dem beſtändig Flöte ſpielenden
Luther, einen unerſchöpflichen Stoff für ihren Spott
und Übermut.
Ihr Lieblingsverſammlungsort in jenen Tagen
war die Wachtſtube des Regiments, wo die jüngeren
Kameraden den dienſtthuenden Offizier zu beſuchen
und ſich bis in die Nacht hinein zu divertieren pflegten.
Unter den Geſprächen, die man in Veranlaſſung der
neuen Komödie hier führte, kamen Spöttereien wie
die vorgenannten kaum noch von der Tagesordnung,
und als einer der Kameraden daran erinnerte, daß
das neuerdings von ſeiner früheren Höhe herabge¬
ſtiegene Regiment eine Art patriotiſche Pflicht habe,
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Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_wuthenow_1883/130>, abgerufen am 22.07.2024.
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