sprach er jetzt hastig und in sich überstürzender Weise von einer Parodie, die vorbereitet werde, von einem angekündigten Proteste der lutherischen Geistlichkeit, vom Hofe, von Iffland, vom Dichter selbst, und schloß endlich mit einer übertriebenen Lobpreisung der eingelegten Lieder und Kompositionen. Er hoffe, daß Fräulein Victoire noch den Abend in Erinnerung habe, wo er diese Lieder am Klavier begleiten durfte.
All dies wurde sehr freundlich gesprochen, aber so freundlich es klang, so fremd klang es auch, und Victoire hörte mit feinem Ohr heraus, daß es nicht die Sprache war, die sie fordern durfte. Sie war bemüht ihm unbefangen zu antworten, aber es blieb ein äußerliches Gespräch bis er ging.
Den Tag nach diesem Besuche kam Tante Mar¬ guerite. Sie hatte bei Hofe von dem schönen Stücke gehört, "das so schön sei, wie noch gar keins," und so wollte sies gerne sehn. Frau von Carayon war ihr zu Willen, nahm sie mit in die zweite Vorstellung, und da wirklich sehr gekürzt worden war, blieb auch noch Zeit daheim eine halbe Stunde zu plaudern.
"Nun Tante Marguerite," fragte Victoire, "wie hat es Dir gefallen?"
"Gut, liebe Victoire. Denn es berührt doch den Hauptpunkt in unsrer gereinigten Kürche."
"Welchen meinst Du, liebe Tante."
"Nun den von der chrüstlichen Ehe."
8*
ſprach er jetzt haſtig und in ſich überſtürzender Weiſe von einer Parodie, die vorbereitet werde, von einem angekündigten Proteſte der lutheriſchen Geiſtlichkeit, vom Hofe, von Iffland, vom Dichter ſelbſt, und ſchloß endlich mit einer übertriebenen Lobpreiſung der eingelegten Lieder und Kompoſitionen. Er hoffe, daß Fräulein Victoire noch den Abend in Erinnerung habe, wo er dieſe Lieder am Klavier begleiten durfte.
All dies wurde ſehr freundlich geſprochen, aber ſo freundlich es klang, ſo fremd klang es auch, und Victoire hörte mit feinem Ohr heraus, daß es nicht die Sprache war, die ſie fordern durfte. Sie war bemüht ihm unbefangen zu antworten, aber es blieb ein äußerliches Geſpräch bis er ging.
Den Tag nach dieſem Beſuche kam Tante Mar¬ guerite. Sie hatte bei Hofe von dem ſchönen Stücke gehört, „das ſo ſchön ſei, wie noch gar keins,“ und ſo wollte ſies gerne ſehn. Frau von Carayon war ihr zu Willen, nahm ſie mit in die zweite Vorſtellung, und da wirklich ſehr gekürzt worden war, blieb auch noch Zeit daheim eine halbe Stunde zu plaudern.
„Nun Tante Marguerite,“ fragte Victoire, „wie hat es Dir gefallen?“
„Gut, liebe Victoire. Denn es berührt doch den Hauptpunkt in unſrer gereinigten Kürche.“
„Welchen meinſt Du, liebe Tante.“
„Nun den von der chrüſtlichen Ehe.“
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ſprach er jetzt haſtig und in ſich überſtürzender Weiſe
von einer Parodie, die vorbereitet werde, von einem
angekündigten Proteſte der lutheriſchen Geiſtlichkeit,
vom Hofe, von Iffland, vom Dichter ſelbſt, und
ſchloß endlich mit einer übertriebenen Lobpreiſung der
eingelegten Lieder und Kompoſitionen. Er hoffe, daß
Fräulein Victoire noch den Abend in Erinnerung habe,
wo er dieſe Lieder am Klavier begleiten durfte.
All dies wurde ſehr freundlich geſprochen, aber
ſo freundlich es klang, ſo fremd klang es auch,
und Victoire hörte mit feinem Ohr heraus, daß es
nicht die Sprache war, die ſie fordern durfte. Sie
war bemüht ihm unbefangen zu antworten, aber es
blieb ein äußerliches Geſpräch bis er ging.
Den Tag nach dieſem Beſuche kam Tante Mar¬
guerite. Sie hatte bei Hofe von dem ſchönen Stücke
gehört, „das ſo ſchön ſei, wie noch gar keins,“ und
ſo wollte ſies gerne ſehn. Frau von Carayon war ihr
zu Willen, nahm ſie mit in die zweite Vorſtellung,
und da wirklich ſehr gekürzt worden war, blieb auch
noch Zeit daheim eine halbe Stunde zu plaudern.
„Nun Tante Marguerite,“ fragte Victoire, „wie
hat es Dir gefallen?“
„Gut, liebe Victoire. Denn es berührt doch den
Hauptpunkt in unſrer gereinigten Kürche.“
„Welchen meinſt Du, liebe Tante.“
„Nun den von der chrüſtlichen Ehe.“
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Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_wuthenow_1883/127>, abgerufen am 16.02.2025.
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