"Gleich nach dem Massowschen Balle wurde sie von den Blattern befallen, und nur wie durch ein Wun¬ der gerettet. Ein gewisser Reiz der Erscheinung ist ihr freilich geblieben, aber es sind immer nur Mo¬ mente, wo die seltene Liebenswürdigkeit ihrer Natur einen Schönheitsschleier über sie wirft, und den Zauber ihrer früheren Tage wiederherzustellen scheint."
"Also restitutio in integrum," sagte Sander.
Alles lachte.
"Wenn Sie so wollen, ja," antwortete Schach in einem spitzen Tone, während er sich ironisch gegen Sander verbeugte.
Der Prinz bemerkte die Verstimmung und wollte sie coupieren. "Es hilft Ihnen nichts, lieber Schach. Sie sprechen, als ob Sie mich abschrecken wollten. Aber weit gefehlt. Ich bitte Sie, was ist Schönheit? Einer der allervaguesten Begriffe. Muß ich Sie an die fünf Kategorien erinnern, die wir in erster Reihe Sr. Majestät dem Kaiser Alexander und in zweiter unsrem Freunde Bülow verdanken? Alles ist schön und nichts. Ich persönlich würde der beaute du diable jederzeit den Vorzug geben, will also sagen einer Erscheinungsform, die sich mit der des ci-devant schönen Fräuleins von Carayon einigermaßen decken würde."
"Königliche Hoheit halten zu Gnaden," entgegnete Nostitz, "aber es bleibt mir doch zweifelhaft, ob K. H.
„Gleich nach dem Maſſowſchen Balle wurde ſie von den Blattern befallen, und nur wie durch ein Wun¬ der gerettet. Ein gewiſſer Reiz der Erſcheinung iſt ihr freilich geblieben, aber es ſind immer nur Mo¬ mente, wo die ſeltene Liebenswürdigkeit ihrer Natur einen Schönheitsſchleier über ſie wirft, und den Zauber ihrer früheren Tage wiederherzuſtellen ſcheint.“
„Alſo restitutio in integrum,“ ſagte Sander.
Alles lachte.
„Wenn Sie ſo wollen, ja,“ antwortete Schach in einem ſpitzen Tone, während er ſich ironiſch gegen Sander verbeugte.
Der Prinz bemerkte die Verſtimmung und wollte ſie coupieren. „Es hilft Ihnen nichts, lieber Schach. Sie ſprechen, als ob Sie mich abſchrecken wollten. Aber weit gefehlt. Ich bitte Sie, was iſt Schönheit? Einer der allervagueſten Begriffe. Muß ich Sie an die fünf Kategorien erinnern, die wir in erſter Reihe Sr. Majeſtät dem Kaiſer Alexander und in zweiter unſrem Freunde Bülow verdanken? Alles iſt ſchön und nichts. Ich perſönlich würde der beauté du diable jederzeit den Vorzug geben, will alſo ſagen einer Erſcheinungsform, die ſich mit der des ci-devant ſchönen Fräuleins von Carayon einigermaßen decken würde.“
„Königliche Hoheit halten zu Gnaden,“ entgegnete Noſtitz, „aber es bleibt mir doch zweifelhaft, ob K. H.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0103"n="91"/>„Gleich nach dem Maſſowſchen Balle wurde ſie von<lb/>
den Blattern befallen, und nur wie durch ein Wun¬<lb/>
der gerettet. Ein gewiſſer Reiz der Erſcheinung iſt<lb/>
ihr freilich geblieben, aber es ſind immer nur Mo¬<lb/>
mente, wo die ſeltene Liebenswürdigkeit ihrer Natur<lb/>
einen Schönheitsſchleier über ſie wirft, und den<lb/>
Zauber ihrer früheren Tage wiederherzuſtellen ſcheint.“</p><lb/><p>„Alſo <hirendition="#aq">restitutio in integrum</hi>,“ſagte Sander.</p><lb/><p>Alles lachte.</p><lb/><p>„Wenn Sie ſo wollen, ja,“ antwortete Schach<lb/>
in einem ſpitzen Tone, während er ſich ironiſch gegen<lb/>
Sander verbeugte.</p><lb/><p>Der Prinz bemerkte die Verſtimmung und wollte<lb/>ſie coupieren. „Es hilft Ihnen nichts, lieber Schach.<lb/>
Sie ſprechen, als ob Sie mich abſchrecken wollten.<lb/>
Aber weit gefehlt. Ich bitte Sie, was iſt Schönheit?<lb/>
Einer der allervagueſten Begriffe. Muß ich Sie an<lb/>
die fünf Kategorien erinnern, die wir in erſter Reihe<lb/>
Sr. Majeſtät dem Kaiſer Alexander und in zweiter<lb/>
unſrem Freunde Bülow verdanken? <hirendition="#g">Alles</hi> iſt <hirendition="#g">ſchön</hi><lb/>
und <hirendition="#g">nichts</hi>. Ich perſönlich würde der <hirendition="#aq">beauté du<lb/>
diable</hi> jederzeit den Vorzug geben, will alſo ſagen<lb/>
einer Erſcheinungsform, die ſich mit der des <hirendition="#aq">ci-devant</hi><lb/>ſchönen Fräuleins von Carayon einigermaßen decken<lb/>
würde.“</p><lb/><p>„Königliche Hoheit halten zu Gnaden,“ entgegnete<lb/>
Noſtitz, „aber es bleibt mir doch zweifelhaft, ob K. H.<lb/></p></div></body></text></TEI>
[91/0103]
„Gleich nach dem Maſſowſchen Balle wurde ſie von
den Blattern befallen, und nur wie durch ein Wun¬
der gerettet. Ein gewiſſer Reiz der Erſcheinung iſt
ihr freilich geblieben, aber es ſind immer nur Mo¬
mente, wo die ſeltene Liebenswürdigkeit ihrer Natur
einen Schönheitsſchleier über ſie wirft, und den
Zauber ihrer früheren Tage wiederherzuſtellen ſcheint.“
„Alſo restitutio in integrum,“ ſagte Sander.
Alles lachte.
„Wenn Sie ſo wollen, ja,“ antwortete Schach
in einem ſpitzen Tone, während er ſich ironiſch gegen
Sander verbeugte.
Der Prinz bemerkte die Verſtimmung und wollte
ſie coupieren. „Es hilft Ihnen nichts, lieber Schach.
Sie ſprechen, als ob Sie mich abſchrecken wollten.
Aber weit gefehlt. Ich bitte Sie, was iſt Schönheit?
Einer der allervagueſten Begriffe. Muß ich Sie an
die fünf Kategorien erinnern, die wir in erſter Reihe
Sr. Majeſtät dem Kaiſer Alexander und in zweiter
unſrem Freunde Bülow verdanken? Alles iſt ſchön
und nichts. Ich perſönlich würde der beauté du
diable jederzeit den Vorzug geben, will alſo ſagen
einer Erſcheinungsform, die ſich mit der des ci-devant
ſchönen Fräuleins von Carayon einigermaßen decken
würde.“
„Königliche Hoheit halten zu Gnaden,“ entgegnete
Noſtitz, „aber es bleibt mir doch zweifelhaft, ob K. H.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_wuthenow_1883/103>, abgerufen am 22.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.