vereinigt sich, mich neugierig zu machen und An¬ knüpfungen zu suchen, die sich, mein ich, unschwer werden finden lassen. Entsinn ich mich doch des schönen Fräuleins vom Massowschen Kinderballe her, der, nach Art aller Kinderbälle, des Vorzugs genoß, eine ganz besondre Schaustellung erwachsener und voll erblühter Schönheiten zu sein. Und wenn ich sage, ,voll erblühter', so sag ich noch wenig. In der That, an keinem Ort und zu keiner Zeit hab ich je so schöne Dreißigerinnen auftreten sehen, als auf Kin¬ derbällen. Es ist, als ob die Nähe der bewußt oder unbewußt auf Umsturz sinnenden Jugend, alles, was heute noch herrscht, doppelt und dreifach anspornte, sein Übergewicht geltend zu machen, ein Übergewicht, das vielleicht morgen schon nicht mehr vorhanden ist. Aber gleichviel, meine Herren, es wird sich ein für allemal sagen lassen, daß Kinderbälle nur für Er¬ wachsene da sind, und dieser interessanten Erscheinung in ihren Ursachen nachzugehen, wäre so recht eigentlich ein Thema für unsren Gentz. Ihr philosophischer Freund Buchholtz, lieber Sander, ist mir zu solchem Spiele nicht graziös genug. Übrigens nichts für ungut; er ist Ihr Freund."
"Aber doch nicht so," lachte Sander, "daß ich nicht jeden Augenblick bereit wäre, ihn Eurer König¬ lichen Hoheit zu opfern. Und wie mir bei dieser Ge¬ legenheit gestattet sein mag, hinzuzusetzen, nicht bloß
vereinigt ſich, mich neugierig zu machen und An¬ knüpfungen zu ſuchen, die ſich, mein ich, unſchwer werden finden laſſen. Entſinn ich mich doch des ſchönen Fräuleins vom Maſſowſchen Kinderballe her, der, nach Art aller Kinderbälle, des Vorzugs genoß, eine ganz beſondre Schauſtellung erwachſener und voll erblühter Schönheiten zu ſein. Und wenn ich ſage, ,voll erblühter‘, ſo ſag ich noch wenig. In der That, an keinem Ort und zu keiner Zeit hab ich je ſo ſchöne Dreißigerinnen auftreten ſehen, als auf Kin¬ derbällen. Es iſt, als ob die Nähe der bewußt oder unbewußt auf Umſturz ſinnenden Jugend, alles, was heute noch herrſcht, doppelt und dreifach anſpornte, ſein Übergewicht geltend zu machen, ein Übergewicht, das vielleicht morgen ſchon nicht mehr vorhanden iſt. Aber gleichviel, meine Herren, es wird ſich ein für allemal ſagen laſſen, daß Kinderbälle nur für Er¬ wachſene da ſind, und dieſer intereſſanten Erſcheinung in ihren Urſachen nachzugehen, wäre ſo recht eigentlich ein Thema für unſren Gentz. Ihr philoſophiſcher Freund Buchholtz, lieber Sander, iſt mir zu ſolchem Spiele nicht graziös genug. Übrigens nichts für ungut; er iſt Ihr Freund.“
„Aber doch nicht ſo,“ lachte Sander, „daß ich nicht jeden Augenblick bereit wäre, ihn Eurer König¬ lichen Hoheit zu opfern. Und wie mir bei dieſer Ge¬ legenheit geſtattet ſein mag, hinzuzuſetzen, nicht bloß
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vereinigt ſich, mich neugierig zu machen und An¬
knüpfungen zu ſuchen, die ſich, mein ich, unſchwer
werden finden laſſen. Entſinn ich mich doch des
ſchönen Fräuleins vom Maſſowſchen Kinderballe her,
der, nach Art aller Kinderbälle, des Vorzugs genoß,
eine ganz beſondre Schauſtellung erwachſener und
voll erblühter Schönheiten zu ſein. Und wenn ich
ſage, ,voll erblühter‘, ſo ſag ich noch wenig. In der
That, an keinem Ort und zu keiner Zeit hab ich je ſo
ſchöne Dreißigerinnen auftreten ſehen, als auf Kin¬
derbällen. Es iſt, als ob die Nähe der bewußt oder
unbewußt auf Umſturz ſinnenden Jugend, alles, was
heute noch herrſcht, doppelt und dreifach anſpornte,
ſein Übergewicht geltend zu machen, ein Übergewicht,
das vielleicht morgen ſchon nicht mehr vorhanden iſt.
Aber gleichviel, meine Herren, es wird ſich ein für
allemal ſagen laſſen, daß Kinderbälle nur für Er¬
wachſene da ſind, und dieſer intereſſanten Erſcheinung
in ihren Urſachen nachzugehen, wäre ſo recht eigentlich ein
Thema für unſren Gentz. Ihr philoſophiſcher Freund
Buchholtz, lieber Sander, iſt mir zu ſolchem Spiele nicht
graziös genug. Übrigens nichts für ungut; er iſt
Ihr Freund.“
„Aber doch nicht ſo,“ lachte Sander, „daß ich
nicht jeden Augenblick bereit wäre, ihn Eurer König¬
lichen Hoheit zu opfern. Und wie mir bei dieſer Ge¬
legenheit geſtattet ſein mag, hinzuzuſetzen, nicht bloß
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Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_wuthenow_1883/101>, abgerufen am 22.07.2024.
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