Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860.am besten vorzuschreiten sei. Ihr Haß richtete sich besonders gegen Cochrane, Grafen von Mar. Allerhand Vorschläge wurden gemacht, rasch, blutig, rücksichtslos, aber man kam zu keinem Beschlusse, vielleicht weil die Furcht einiger noch größer war als ihr Haß. Da bat Lord Gray ums Wort, bog sich lächelnd über den Tisch und erzählte die alte Fabel von der Katze und den Mäusen. "Die Mäuse, so sprach er, waren unzufrieden mit der Katze; sie sahen sich oft überrascht und noch öfter bedroht. Sie beschlossen endlich, um sicher zu gehen, der Katze eine Glocke um den Hals zu hängen (to tie a bell round the neck of the cat), nur schade, so schloß er, es fand sich keine Maus, die das Wagstück unternommen hätte." In diesem Augenblick erhob sich Graf Angus von seinem Platz und rief über den Tisch hin: "I will bell the cat!" Er war der Mann zu halten was er gesagt hatte. Nach kurzer Zeit schon erschien Cochrane und sein Gefolge am Thor der Kirche, begehrte Einlaß und trat unter die Versammlung. Er war prächtig gekleidet und trug eine schwere goldne Kette als Zeichen Königlicher Huld. Angus schritt auf ihn zu, musterte spöttisch den kostbaren Anzug und riß ihm dann die Kette mit den Worten ab: "dahin gehört ein Strick!" Cochrane begriff noch immer nicht was um ihn her vorging und erniedrigte sich vollends durch die feige Frage: "ob das Scherz sei oder Ernst?" Der nächste Tag brachte die Antwort darauf. Der König hatte sich umsonst gemüht seinen Günstling zu retten. Ein halbes am besten vorzuschreiten sei. Ihr Haß richtete sich besonders gegen Cochrane, Grafen von Mar. Allerhand Vorschläge wurden gemacht, rasch, blutig, rücksichtslos, aber man kam zu keinem Beschlusse, vielleicht weil die Furcht einiger noch größer war als ihr Haß. Da bat Lord Gray ums Wort, bog sich lächelnd über den Tisch und erzählte die alte Fabel von der Katze und den Mäusen. „Die Mäuse, so sprach er, waren unzufrieden mit der Katze; sie sahen sich oft überrascht und noch öfter bedroht. Sie beschlossen endlich, um sicher zu gehen, der Katze eine Glocke um den Hals zu hängen (to tie a bell round the neck of the cat), nur schade, so schloß er, es fand sich keine Maus, die das Wagstück unternommen hätte.“ In diesem Augenblick erhob sich Graf Angus von seinem Platz und rief über den Tisch hin: „I will bell the cat!“ Er war der Mann zu halten was er gesagt hatte. Nach kurzer Zeit schon erschien Cochrane und sein Gefolge am Thor der Kirche, begehrte Einlaß und trat unter die Versammlung. Er war prächtig gekleidet und trug eine schwere goldne Kette als Zeichen Königlicher Huld. Angus schritt auf ihn zu, musterte spöttisch den kostbaren Anzug und riß ihm dann die Kette mit den Worten ab: „dahin gehört ein Strick!“ Cochrane begriff noch immer nicht was um ihn her vorging und erniedrigte sich vollends durch die feige Frage: „ob das Scherz sei oder Ernst?“ Der nächste Tag brachte die Antwort darauf. Der König hatte sich umsonst gemüht seinen Günstling zu retten. Ein halbes <TEI> <text> <body> <div> <div> <div> <p><pb facs="#f0094" n="80"/> am besten vorzuschreiten sei. Ihr Haß richtete sich besonders gegen Cochrane, Grafen von Mar. Allerhand Vorschläge wurden gemacht, rasch, blutig, rücksichtslos, aber man kam zu keinem Beschlusse, vielleicht weil die Furcht einiger noch größer war als ihr Haß. Da bat Lord Gray ums Wort, bog sich lächelnd über den Tisch und erzählte die alte Fabel von der Katze und den Mäusen. „Die Mäuse, so sprach er, waren unzufrieden mit der Katze; sie sahen sich oft überrascht und noch öfter bedroht. Sie beschlossen endlich, um sicher zu gehen, der <hi rendition="#g">Katze eine Glocke um den Hals zu hängen</hi> (<hi rendition="#aq"><foreign xml:lang="eng">to tie a bell round the neck of the cat</foreign></hi>), nur schade, so schloß er, es fand sich keine Maus, die das Wagstück unternommen hätte.“ In diesem Augenblick erhob sich Graf Angus von seinem Platz und rief über den Tisch hin: <foreign xml:lang="eng"><hi rendition="#aq">„I will <hi rendition="#g">bell</hi> the cat!“</hi></foreign> Er war der Mann zu halten was er gesagt hatte. Nach kurzer Zeit schon erschien Cochrane und sein Gefolge am Thor der Kirche, begehrte Einlaß und trat unter die Versammlung. Er war prächtig gekleidet und trug eine schwere goldne Kette als Zeichen Königlicher Huld. Angus schritt auf ihn zu, musterte spöttisch den kostbaren Anzug und riß ihm dann die Kette mit den Worten ab: „dahin gehört ein Strick!“ Cochrane begriff noch immer nicht was um ihn her vorging und erniedrigte sich vollends durch die feige Frage: „ob das Scherz sei oder Ernst?“ Der nächste Tag brachte die Antwort darauf. Der König hatte sich umsonst gemüht seinen Günstling zu retten. Ein halbes<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [80/0094]
am besten vorzuschreiten sei. Ihr Haß richtete sich besonders gegen Cochrane, Grafen von Mar. Allerhand Vorschläge wurden gemacht, rasch, blutig, rücksichtslos, aber man kam zu keinem Beschlusse, vielleicht weil die Furcht einiger noch größer war als ihr Haß. Da bat Lord Gray ums Wort, bog sich lächelnd über den Tisch und erzählte die alte Fabel von der Katze und den Mäusen. „Die Mäuse, so sprach er, waren unzufrieden mit der Katze; sie sahen sich oft überrascht und noch öfter bedroht. Sie beschlossen endlich, um sicher zu gehen, der Katze eine Glocke um den Hals zu hängen (to tie a bell round the neck of the cat), nur schade, so schloß er, es fand sich keine Maus, die das Wagstück unternommen hätte.“ In diesem Augenblick erhob sich Graf Angus von seinem Platz und rief über den Tisch hin: „I will bell the cat!“ Er war der Mann zu halten was er gesagt hatte. Nach kurzer Zeit schon erschien Cochrane und sein Gefolge am Thor der Kirche, begehrte Einlaß und trat unter die Versammlung. Er war prächtig gekleidet und trug eine schwere goldne Kette als Zeichen Königlicher Huld. Angus schritt auf ihn zu, musterte spöttisch den kostbaren Anzug und riß ihm dann die Kette mit den Worten ab: „dahin gehört ein Strick!“ Cochrane begriff noch immer nicht was um ihn her vorging und erniedrigte sich vollends durch die feige Frage: „ob das Scherz sei oder Ernst?“ Der nächste Tag brachte die Antwort darauf. Der König hatte sich umsonst gemüht seinen Günstling zu retten. Ein halbes
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Zitationshilfe: | Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_tweed_1860/94>, abgerufen am 22.07.2024. |