Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860.4. Archibald Bell the Cat. In einer der Gassen, die von Cowgate nach High-Street hinaufführen, stand auch das Haus von Archibald Douglas, genannt Bell the Cat. Ich habe vor von ihm zu erzählen. Seinem Rang und Titel nach war er Graf von Angus, aber sein Zuname verdrängte bald jede andere Bezeichnung und jedes Kind im Lande hieß ihn "Archibald Bell the Cat". Diesen Zunamen erhielt er bei folgender Gelegenheit. König Jakob III. zog allerhand Günstlinge an seinen Hof, zum Theil Leute aus niederem Stande; eine Mignon-Wirthschaft, wie sie 150 Jahre später am Hofe Ludwig XIII. herrschte, war in Schottland während der Regierungszeit jenes Stuarts bereits im vollsten Schwunge. Der Adel des Landes war endlich entschlossen dieser Sache ein Ende zu machen und die Mignons wohl oder übel zu beseitigen. Der König sammelte grade damals ein Heer zum Zuge gegen England und beschied seine Barone in die Nähe von Melrose. Die mißgestimmten Lords fanden sich ein, weniger aber um dem Kriegsrufe des Königs Folge zu geben, als vielmehr um ihre eigenen, langgehegten Pläne auszuführen. Sie hielten zu dem Zweck eine letzte Versammlung in der Kirche zu Lauder, einem alten Burgflecken nahe am Tweed, und sprachen hier, da man in der Hauptsache längst einig war, nur die Mittel und Wege durch, wie gegen die Günstlinge 4. Archibald Bell the Cat. In einer der Gassen, die von Cowgate nach High-Street hinaufführen, stand auch das Haus von Archibald Douglas, genannt Bell the Cat. Ich habe vor von ihm zu erzählen. Seinem Rang und Titel nach war er Graf von Angus, aber sein Zuname verdrängte bald jede andere Bezeichnung und jedes Kind im Lande hieß ihn „Archibald Bell the Cat“. Diesen Zunamen erhielt er bei folgender Gelegenheit. König Jakob III. zog allerhand Günstlinge an seinen Hof, zum Theil Leute aus niederem Stande; eine Mignon-Wirthschaft, wie sie 150 Jahre später am Hofe Ludwig XIII. herrschte, war in Schottland während der Regierungszeit jenes Stuarts bereits im vollsten Schwunge. Der Adel des Landes war endlich entschlossen dieser Sache ein Ende zu machen und die Mignons wohl oder übel zu beseitigen. Der König sammelte grade damals ein Heer zum Zuge gegen England und beschied seine Barone in die Nähe von Melrose. Die mißgestimmten Lords fanden sich ein, weniger aber um dem Kriegsrufe des Königs Folge zu geben, als vielmehr um ihre eigenen, langgehegten Pläne auszuführen. Sie hielten zu dem Zweck eine letzte Versammlung in der Kirche zu Lauder, einem alten Burgflecken nahe am Tweed, und sprachen hier, da man in der Hauptsache längst einig war, nur die Mittel und Wege durch, wie gegen die Günstlinge <TEI> <text> <body> <div> <div> <div> <pb facs="#f0093" n="79"/> </div> <div> <head>4.<lb/><hi rendition="#g">Archibald Bell the Cat.</hi></head><lb/> <p>In einer der Gassen, die von Cowgate nach High-Street hinaufführen, stand auch das Haus von Archibald Douglas, genannt <hi rendition="#g">Bell the Cat</hi>. Ich habe vor von ihm zu erzählen. Seinem Rang und Titel nach war er Graf von Angus, aber sein Zuname verdrängte bald jede andere Bezeichnung und jedes Kind im Lande hieß ihn „Archibald Bell the Cat“. Diesen Zunamen erhielt er bei folgender Gelegenheit. </p><lb/> <p>König Jakob <hi rendition="#aq">III</hi><choice><sic/><corr>.</corr></choice> zog allerhand Günstlinge an seinen Hof, zum Theil Leute aus niederem Stande; eine Mignon-Wirthschaft, wie sie 150 Jahre später am Hofe Ludwig <hi rendition="#aq">XIII</hi>. herrschte, war in Schottland während der Regierungszeit jenes Stuarts bereits im vollsten Schwunge. Der Adel des Landes war endlich entschlossen dieser Sache ein Ende zu machen und die Mignons wohl oder übel zu beseitigen. Der König sammelte grade damals ein Heer zum Zuge gegen England und beschied seine Barone in die Nähe von Melrose. Die mißgestimmten Lords fanden sich ein, weniger aber um dem Kriegsrufe des Königs Folge zu geben, als vielmehr um ihre eigenen, langgehegten Pläne auszuführen. Sie hielten zu dem Zweck eine letzte Versammlung in der Kirche zu <hi rendition="#g">Lauder</hi>, einem alten Burgflecken nahe am Tweed, und sprachen hier, da man in der Hauptsache längst einig war, nur die Mittel und Wege durch, wie gegen die Günstlinge<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [79/0093]
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Archibald Bell the Cat.
In einer der Gassen, die von Cowgate nach High-Street hinaufführen, stand auch das Haus von Archibald Douglas, genannt Bell the Cat. Ich habe vor von ihm zu erzählen. Seinem Rang und Titel nach war er Graf von Angus, aber sein Zuname verdrängte bald jede andere Bezeichnung und jedes Kind im Lande hieß ihn „Archibald Bell the Cat“. Diesen Zunamen erhielt er bei folgender Gelegenheit.
König Jakob III. zog allerhand Günstlinge an seinen Hof, zum Theil Leute aus niederem Stande; eine Mignon-Wirthschaft, wie sie 150 Jahre später am Hofe Ludwig XIII. herrschte, war in Schottland während der Regierungszeit jenes Stuarts bereits im vollsten Schwunge. Der Adel des Landes war endlich entschlossen dieser Sache ein Ende zu machen und die Mignons wohl oder übel zu beseitigen. Der König sammelte grade damals ein Heer zum Zuge gegen England und beschied seine Barone in die Nähe von Melrose. Die mißgestimmten Lords fanden sich ein, weniger aber um dem Kriegsrufe des Königs Folge zu geben, als vielmehr um ihre eigenen, langgehegten Pläne auszuführen. Sie hielten zu dem Zweck eine letzte Versammlung in der Kirche zu Lauder, einem alten Burgflecken nahe am Tweed, und sprachen hier, da man in der Hauptsache längst einig war, nur die Mittel und Wege durch, wie gegen die Günstlinge
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(2018-07-25T15:22:45Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Alexandra Priesterath, Christian Thomas, Linda Martin: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T15:22:45Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Hrsg. von Maren Ermisch. Berlin 2017 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das reiseliterarische Werk, Bd. 2]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Der Text der Ausgabe wird hier ergänzt um das Kapitel „Lochleven-Castle“, das aus verlagstechnischen Gründen in der Erstausgabe fehlte (vgl. dazu die entsprechenden Informationen auf der Seite der Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen). Die dazugehörigen Faksimiles, 0331 bis 0333, wurden von Seiten der Österreichischen Nationalbibliothek übernommen. Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
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