Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860.tract, durch den er sich zur Herstellung dieser Portraits verpflichtete, existirt noch; er ist aus dem Jahre 1684 und lautet dahin: "Jakob de Witt verpflichtet sich zur Lieferung von 110 Portraits in zwei Jahren, so wie auch zur Beschaffung der dazu nöthigen Farben und Leinwand; das Gouvernement andererseits zahlt besagtem de Witt jährlich 120 Lstr. und macht sich verbindlich, ihm die nöthigen Originale zu liefern." Sehr komisch ist die Kostüm- und Familienähnlichkeit aller, so daß es Niemandem auffallen würde, wenn man die Nummern durcheinander werfen und die Namen hinterher durch Loos bestimmen wollte. Englische Dragoner zerhieben während des Stuart-Aufstandes (1745) ein Dutzend dieser Portraits, wogegen nicht viel zu sagen ist; das aber muß überraschen, daß man sich hinterher die Mühe gegeben hat, diese zersäbelten Kunstschätze wieder zu restauriren. Der Saal, in dem sich diese Portrait-Gallerie befindet, ist dadurch interessant, daß der Prätendent oder "Prinz Charlie" wie ihn die Schotten zu nennen pflegen, während seiner kurzen Residenz in Holyrood einen prächtigen Ball in demselben gab. Hier tanzten jene Gestalten, die W. Scott in seinem "Waverley" auf viele Jahrhunderte hin der Vergessenheit entrissen hat: Fergus und Flora Mac Ivor, der alte Bradwardine und seine reizende Tochter. In gleicher Höhe mit der Gemälde-Gallerie befinden sich die Zimmer Lord Darnley's. Alte Bilder und Tapeten hängen an den Wänden, aber nichts, was unsere Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen könnte; nur das tract, durch den er sich zur Herstellung dieser Portraits verpflichtete, existirt noch; er ist aus dem Jahre 1684 und lautet dahin: „Jakob de Witt verpflichtet sich zur Lieferung von 110 Portraits in zwei Jahren, so wie auch zur Beschaffung der dazu nöthigen Farben und Leinwand; das Gouvernement andererseits zahlt besagtem de Witt jährlich 120 Lstr. und macht sich verbindlich, ihm die nöthigen Originale zu liefern.“ Sehr komisch ist die Kostüm- und Familienähnlichkeit aller, so daß es Niemandem auffallen würde, wenn man die Nummern durcheinander werfen und die Namen hinterher durch Loos bestimmen wollte. Englische Dragoner zerhieben während des Stuart-Aufstandes (1745) ein Dutzend dieser Portraits, wogegen nicht viel zu sagen ist; das aber muß überraschen, daß man sich hinterher die Mühe gegeben hat, diese zersäbelten Kunstschätze wieder zu restauriren. Der Saal, in dem sich diese Portrait-Gallerie befindet, ist dadurch interessant, daß der Prätendent oder „Prinz Charlie“ wie ihn die Schotten zu nennen pflegen, während seiner kurzen Residenz in Holyrood einen prächtigen Ball in demselben gab. Hier tanzten jene Gestalten, die W. Scott in seinem „Waverley“ auf viele Jahrhunderte hin der Vergessenheit entrissen hat: Fergus und Flora Mac Ivor, der alte Bradwardine und seine reizende Tochter. In gleicher Höhe mit der Gemälde-Gallerie befinden sich die Zimmer Lord Darnley’s. Alte Bilder und Tapeten hängen an den Wänden, aber nichts, was unsere Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen könnte; nur das <TEI> <text> <body> <div> <div> <p><hi rendition="#aq"><pb facs="#f0039" n="25"/> tract, durch den er sich zur Herstellung dieser Portraits verpflichtete, existirt noch; er ist aus dem Jahre 1684 und lautet dahin: „Jakob de Witt verpflichtet sich zur Lieferung von 110 Portraits in zwei Jahren, so wie auch zur Beschaffung der dazu nöthigen Farben und Leinwand; das Gouvernement andererseits zahlt besagtem de Witt jährlich 120 Lstr. und macht sich verbindlich, ihm die nöthigen </hi><hi rendition="#g">Originale</hi> zu liefern.“ Sehr komisch ist die Kostüm- und Familienähnlichkeit aller, so daß es Niemandem auffallen würde, wenn man die Nummern durcheinander werfen und die Namen hinterher durch Loos bestimmen wollte. Englische Dragoner zerhieben während des Stuart-Aufstandes (1745) ein Dutzend dieser Portraits, wogegen nicht viel zu sagen ist; das aber muß überraschen, daß man sich hinterher die Mühe gegeben hat, diese zersäbelten Kunstschätze wieder zu restauriren. Der Saal, in dem sich diese Portrait-Gallerie befindet, ist dadurch interessant, daß der Prätendent oder „Prinz Charlie“ wie ihn die Schotten zu nennen pflegen, während seiner kurzen Residenz in Holyrood einen prächtigen Ball in demselben gab. Hier tanzten jene Gestalten, die W. Scott in seinem „Waverley“ auf viele Jahrhunderte hin der Vergessenheit entrissen hat: Fergus und Flora Mac Ivor, der alte Bradwardine und seine reizende Tochter. </p><lb/> <p>In gleicher Höhe mit der Gemälde-Gallerie befinden sich die Zimmer Lord Darnley’s. Alte Bilder und Tapeten hängen an den Wänden, aber nichts, was unsere Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen könnte; nur das<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [25/0039]
tract, durch den er sich zur Herstellung dieser Portraits verpflichtete, existirt noch; er ist aus dem Jahre 1684 und lautet dahin: „Jakob de Witt verpflichtet sich zur Lieferung von 110 Portraits in zwei Jahren, so wie auch zur Beschaffung der dazu nöthigen Farben und Leinwand; das Gouvernement andererseits zahlt besagtem de Witt jährlich 120 Lstr. und macht sich verbindlich, ihm die nöthigen Originale zu liefern.“ Sehr komisch ist die Kostüm- und Familienähnlichkeit aller, so daß es Niemandem auffallen würde, wenn man die Nummern durcheinander werfen und die Namen hinterher durch Loos bestimmen wollte. Englische Dragoner zerhieben während des Stuart-Aufstandes (1745) ein Dutzend dieser Portraits, wogegen nicht viel zu sagen ist; das aber muß überraschen, daß man sich hinterher die Mühe gegeben hat, diese zersäbelten Kunstschätze wieder zu restauriren. Der Saal, in dem sich diese Portrait-Gallerie befindet, ist dadurch interessant, daß der Prätendent oder „Prinz Charlie“ wie ihn die Schotten zu nennen pflegen, während seiner kurzen Residenz in Holyrood einen prächtigen Ball in demselben gab. Hier tanzten jene Gestalten, die W. Scott in seinem „Waverley“ auf viele Jahrhunderte hin der Vergessenheit entrissen hat: Fergus und Flora Mac Ivor, der alte Bradwardine und seine reizende Tochter.
In gleicher Höhe mit der Gemälde-Gallerie befinden sich die Zimmer Lord Darnley’s. Alte Bilder und Tapeten hängen an den Wänden, aber nichts, was unsere Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen könnte; nur das
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Zitationshilfe: | Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_tweed_1860/39>, abgerufen am 22.07.2024. |