Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860.mente zu etwas Einheitlichem zusammen zu schmelzen. Wie man Gesellschaftsgedichte nach Endreimen macht und das Papier umklappt, um völlig außer Zusammenhang mit dem zu bleiben, der vor uns seine Zeile geschrieben hat, so ist Abbotsford einem halben Hundert Schlagwörtern zu Liebe gebaut worden. Das Alles soll seinem Erbauer kein Vorwurf sein; aber man bedauert allerdings, der Stein-Romanze gegenüber nicht den Ton der Liebe und Verehrung anschlagen zu können, an den sich die Lippen fast gewöhnt haben, wenn sie den Namen Sir Walter's nennen. Wir haben in Melrose ein zierliches, zweiräderiges Wägelchen gemiethet und vom Eisenbahn-Hotel aus, wo wir abgestiegen sind, geht es nun westlich die Straße nach Abbotsford hinaus. Der Weg, den wir passiren, hat ganz den Charakter der englischen und südschottischen Landschaft: Thal und Hügel in raschem Wechsel, Hecken und Baumgruppen, Wiesenflächen und Kieswege und ein Wasserstreifen, der in Schlangenwindungen das Ganze durchzieht. Nirgends frappante Schönheit, aber überall lachende Lieblichkeit und die milde Hand der Kultur, von der man sich wie von einem Westwind gestreichelt fühlt. Tausend Schritt hinter Melrose zweigt eine Art Feldweg nach "Chiefswood" ab, einem reizend gelegenen Häuschen, das zu Lebzeiten Sir Walter Scott's von dessen Schwiegersohn, Mr. Lockhart, bewohnt wurde. Walter Scott liebte es, wenigstens einmal in der Woche hier vorzusprechen und einen Nachmittag, oft auch länger, bei mente zu etwas Einheitlichem zusammen zu schmelzen. Wie man Gesellschaftsgedichte nach Endreimen macht und das Papier umklappt, um völlig außer Zusammenhang mit dem zu bleiben, der vor uns seine Zeile geschrieben hat, so ist Abbotsford einem halben Hundert Schlagwörtern zu Liebe gebaut worden. Das Alles soll seinem Erbauer kein Vorwurf sein; aber man bedauert allerdings, der Stein-Romanze gegenüber nicht den Ton der Liebe und Verehrung anschlagen zu können, an den sich die Lippen fast gewöhnt haben, wenn sie den Namen Sir Walter’s nennen. Wir haben in Melrose ein zierliches, zweiräderiges Wägelchen gemiethet und vom Eisenbahn-Hotel aus, wo wir abgestiegen sind, geht es nun westlich die Straße nach Abbotsford hinaus. Der Weg, den wir passiren, hat ganz den Charakter der englischen und südschottischen Landschaft: Thal und Hügel in raschem Wechsel, Hecken und Baumgruppen, Wiesenflächen und Kieswege und ein Wasserstreifen, der in Schlangenwindungen das Ganze durchzieht. Nirgends frappante Schönheit, aber überall lachende Lieblichkeit und die milde Hand der Kultur, von der man sich wie von einem Westwind gestreichelt fühlt. Tausend Schritt hinter Melrose zweigt eine Art Feldweg nach „Chiefswood“ ab, einem reizend gelegenen Häuschen, das zu Lebzeiten Sir Walter Scott’s von dessen Schwiegersohn, Mr. Lockhart, bewohnt wurde. Walter Scott liebte es, wenigstens einmal in der Woche hier vorzusprechen und einen Nachmittag, oft auch länger, bei <TEI> <text> <body> <div> <div> <p><pb facs="#f0347" n="330"/> mente zu etwas Einheitlichem zusammen zu schmelzen. Wie man Gesellschaftsgedichte nach Endreimen macht und das Papier umklappt, um völlig außer Zusammenhang mit <hi rendition="#g">dem</hi> zu bleiben, der vor uns seine Zeile geschrieben hat, so ist Abbotsford einem halben Hundert Schlagwörtern zu Liebe gebaut worden. Das Alles soll seinem Erbauer kein Vorwurf sein; aber man bedauert allerdings, der Stein-Romanze gegenüber nicht den Ton der Liebe und Verehrung anschlagen zu können, an den sich die Lippen fast gewöhnt haben, wenn sie den Namen Sir Walter’s nennen.</p><lb/> <p>Wir haben in Melrose ein zierliches, zweiräderiges Wägelchen gemiethet und vom Eisenbahn-Hotel aus, wo wir abgestiegen sind, geht es nun westlich die Straße nach Abbotsford hinaus. Der Weg, den wir passiren, hat ganz den Charakter der englischen und südschottischen Landschaft: Thal und Hügel in raschem Wechsel, Hecken und Baumgruppen, Wiesenflächen und Kieswege und ein Wasserstreifen, der in Schlangenwindungen das Ganze durchzieht. Nirgends frappante Schönheit, aber überall lachende Lieblichkeit und die milde Hand der Kultur, von der man sich wie von einem Westwind gestreichelt fühlt. Tausend Schritt hinter Melrose zweigt eine Art Feldweg nach „Chiefswood“ ab, einem reizend gelegenen Häuschen, das zu Lebzeiten Sir Walter Scott’s von dessen Schwiegersohn, Mr. Lockhart, bewohnt wurde. Walter Scott liebte es, wenigstens einmal in der Woche hier vorzusprechen und einen Nachmittag, oft auch länger, bei<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [330/0347]
mente zu etwas Einheitlichem zusammen zu schmelzen. Wie man Gesellschaftsgedichte nach Endreimen macht und das Papier umklappt, um völlig außer Zusammenhang mit dem zu bleiben, der vor uns seine Zeile geschrieben hat, so ist Abbotsford einem halben Hundert Schlagwörtern zu Liebe gebaut worden. Das Alles soll seinem Erbauer kein Vorwurf sein; aber man bedauert allerdings, der Stein-Romanze gegenüber nicht den Ton der Liebe und Verehrung anschlagen zu können, an den sich die Lippen fast gewöhnt haben, wenn sie den Namen Sir Walter’s nennen.
Wir haben in Melrose ein zierliches, zweiräderiges Wägelchen gemiethet und vom Eisenbahn-Hotel aus, wo wir abgestiegen sind, geht es nun westlich die Straße nach Abbotsford hinaus. Der Weg, den wir passiren, hat ganz den Charakter der englischen und südschottischen Landschaft: Thal und Hügel in raschem Wechsel, Hecken und Baumgruppen, Wiesenflächen und Kieswege und ein Wasserstreifen, der in Schlangenwindungen das Ganze durchzieht. Nirgends frappante Schönheit, aber überall lachende Lieblichkeit und die milde Hand der Kultur, von der man sich wie von einem Westwind gestreichelt fühlt. Tausend Schritt hinter Melrose zweigt eine Art Feldweg nach „Chiefswood“ ab, einem reizend gelegenen Häuschen, das zu Lebzeiten Sir Walter Scott’s von dessen Schwiegersohn, Mr. Lockhart, bewohnt wurde. Walter Scott liebte es, wenigstens einmal in der Woche hier vorzusprechen und einen Nachmittag, oft auch länger, bei
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Zitationshilfe: | Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860, S. 330. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_tweed_1860/347>, abgerufen am 14.06.2024. |