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Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860.

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der Schönheit der Proportionen, noch eine solche Fülle wohlerhaltener Einzelnheiten dar, daß es weder eines besonderen Geschicks noch einer besonders lebhaften Phantasie bedarf, sich die Ruine wieder als ein Ganzes zu denken und aufzubauen. Ich mag nicht bei den Einzelheiten verweilen, nicht die Portale und Nischen, die Simse und Friese beschreiben, selbst die besonders berühmten Fenster nicht, die sich in mächtiger Breite im Chor und über dem Südportal erheben; ich begnüge mich mit der Erklärung, daß diese Ruine zu jenen großartigen Schönheitswundern gehört, die einmal gesehen und in sich aufgenommen, nicht wieder vergessen werden. Sie ist nicht nur unter den schottischen, sondern überhaupt unter allen Ruinen, die ich kennen gelernt habe, durchaus die schönste und fesselndste. Worin ihr besonderer Zauber besteht, ist schwer zu sagen. Lage, Material (ein feinkörniger rothgrauer Sandstein) imposante Dimensionen, historische Erinnerungen und Reichthum und Eleganz des Details (wovon auch ein flüchtiger Blick schon überzeugen muß) wirken zusammen; den Ausschlag aber giebt wohl jene räthselhafte Schönheitslinie, die man an ihrer Wirkung eher erkennt, als Auge oder Urtheil sie nachzuweisen vermögen.

Die Details des Baues sind von ungewöhnlicher Schönheit und Sauberkeit; diese aber in vollem Umfang zu würdigen, ist es nöthig, unsern Kirchhofsplatz aufzugeben und in die Kirche selber einzutreten.

Man erkennt hier alsbald eine Ausbildung des Or-

der Schönheit der Proportionen, noch eine solche Fülle wohlerhaltener Einzelnheiten dar, daß es weder eines besonderen Geschicks noch einer besonders lebhaften Phantasie bedarf, sich die Ruine wieder als ein Ganzes zu denken und aufzubauen. Ich mag nicht bei den Einzelheiten verweilen, nicht die Portale und Nischen, die Simse und Friese beschreiben, selbst die besonders berühmten Fenster nicht, die sich in mächtiger Breite im Chor und über dem Südportal erheben; ich begnüge mich mit der Erklärung, daß diese Ruine zu jenen großartigen Schönheitswundern gehört, die einmal gesehen und in sich aufgenommen, nicht wieder vergessen werden. Sie ist nicht nur unter den schottischen, sondern überhaupt unter allen Ruinen, die ich kennen gelernt habe, durchaus die schönste und fesselndste. Worin ihr besonderer Zauber besteht, ist schwer zu sagen. Lage, Material (ein feinkörniger rothgrauer Sandstein) imposante Dimensionen, historische Erinnerungen und Reichthum und Eleganz des Details (wovon auch ein flüchtiger Blick schon überzeugen muß) wirken zusammen; den Ausschlag aber giebt wohl jene räthselhafte Schönheitslinie, die man an ihrer Wirkung eher erkennt, als Auge oder Urtheil sie nachzuweisen vermögen.

Die Details des Baues sind von ungewöhnlicher Schönheit und Sauberkeit; diese aber in vollem Umfang zu würdigen, ist es nöthig, unsern Kirchhofsplatz aufzugeben und in die Kirche selber einzutreten.

Man erkennt hier alsbald eine Ausbildung des Or-

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[320/0337] der Schönheit der Proportionen, noch eine solche Fülle wohlerhaltener Einzelnheiten dar, daß es weder eines besonderen Geschicks noch einer besonders lebhaften Phantasie bedarf, sich die Ruine wieder als ein Ganzes zu denken und aufzubauen. Ich mag nicht bei den Einzelheiten verweilen, nicht die Portale und Nischen, die Simse und Friese beschreiben, selbst die besonders berühmten Fenster nicht, die sich in mächtiger Breite im Chor und über dem Südportal erheben; ich begnüge mich mit der Erklärung, daß diese Ruine zu jenen großartigen Schönheitswundern gehört, die einmal gesehen und in sich aufgenommen, nicht wieder vergessen werden. Sie ist nicht nur unter den schottischen, sondern überhaupt unter allen Ruinen, die ich kennen gelernt habe, durchaus die schönste und fesselndste. Worin ihr besonderer Zauber besteht, ist schwer zu sagen. Lage, Material (ein feinkörniger rothgrauer Sandstein) imposante Dimensionen, historische Erinnerungen und Reichthum und Eleganz des Details (wovon auch ein flüchtiger Blick schon überzeugen muß) wirken zusammen; den Ausschlag aber giebt wohl jene räthselhafte Schönheitslinie, die man an ihrer Wirkung eher erkennt, als Auge oder Urtheil sie nachzuweisen vermögen. Die Details des Baues sind von ungewöhnlicher Schönheit und Sauberkeit; diese aber in vollem Umfang zu würdigen, ist es nöthig, unsern Kirchhofsplatz aufzugeben und in die Kirche selber einzutreten. Man erkennt hier alsbald eine Ausbildung des Or-

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen, Theodor Fontane: Große Brandenburger Ausgabe (GBA): Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). (2018-07-25T15:22:45Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Alexandra Priesterath, Christian Thomas, Linda Martin: Bearbeitung der digitalen Edition. (2018-07-25T15:22:45Z)

Weitere Informationen:

Theodor Fontane: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Hrsg. von Maren Ermisch. Berlin 2017 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das reiseliterarische Werk, Bd. 2]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin).

Der Text der Ausgabe wird hier ergänzt um das Kapitel „Lochleven-Castle“, das aus verlagstechnischen Gründen in der Erstausgabe fehlte (vgl. dazu die entsprechenden Informationen auf der Seite der Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen). Die dazugehörigen Faksimiles, 0331 bis 0333, wurden von Seiten der Österreichischen Nationalbibliothek übernommen.

Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).

  • Bogensignaturen: nicht übernommen;
  • Druckfehler: dokumentiert;
  • fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;
  • Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe;
  • Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet;
  • i/j in Fraktur: keine Angabe;
  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert;
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  • langes s (ſ): als s transkribiert;
  • Normalisierungen: keine;
  • rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;
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  • Silbentrennung: aufgelöst;
  • u/v bzw. U/V: keine Angabe;
  • Vokale mit übergest. e: keine Angabe;
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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_tweed_1860/337>, abgerufen am 06.06.2024.