Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860.auch unter den Ruinen des Landes ist sie die schönste geblieben. Ein ziemlich breiter Kirchhof, mit alten Grabsteinen überdeckt, zieht sich an der Südfront der Ruine hin, und von dem südöstlichsten Punkt dieses Kirchhofs aus, hat man den schönsten Ueberblick über dieselbe. Im Norden zwischen Hauptschiff und nördlichem Querschiff befanden sich die Klostergebäude; der Thurm wuchs aus der Mitte des Kreuzes empor, und Chor und Oberschiff waren von ungewöhnlicher Länge. Thurm und Dach sind eingestürzt, nur die Westseite des Thurms erhebt sich noch 84 Fuß hoch; der Chor (der überhaupt am besten erhalten ist) und einzelne Seitenschiffe tragen noch ganz oder theilweise ihre alten Gewölbe. Das große Westschiff mit seinen acht Strebepfeilern und den Ueberresten von eben so vielen Seitenkapellen ist am völligsten seines alten Glanzes beraubt, besonders da, wo die Hand des Puritanismus nicht blos niedergerissen, sondern in dem ihm eigenthümlichen Nüchternheitsstil auch aufzubauen und zu restauriren versucht hat. Die eine Hälfte des Westschiffs und zwar die dem Thurm zunächstgelegene, trägt nämlich einen Ueberbau aus dem Jahre 1618; aber es ist ein Rundbogen, wie wenn man einen Keller wölbt, und nicht die Abtei von Melrose. Kein Theil des Gebäudes, der nicht schwere Schädigungen erfahren hätte; Vieles fehlt, Einzelnes ist verunstaltet, nichts destoweniger bietet sich dem Auge, neben auch unter den Ruinen des Landes ist sie die schönste geblieben. Ein ziemlich breiter Kirchhof, mit alten Grabsteinen überdeckt, zieht sich an der Südfront der Ruine hin, und von dem südöstlichsten Punkt dieses Kirchhofs aus, hat man den schönsten Ueberblick über dieselbe. Im Norden zwischen Hauptschiff und nördlichem Querschiff befanden sich die Klostergebäude; der Thurm wuchs aus der Mitte des Kreuzes empor, und Chor und Oberschiff waren von ungewöhnlicher Länge. Thurm und Dach sind eingestürzt, nur die Westseite des Thurms erhebt sich noch 84 Fuß hoch; der Chor (der überhaupt am besten erhalten ist) und einzelne Seitenschiffe tragen noch ganz oder theilweise ihre alten Gewölbe. Das große Westschiff mit seinen acht Strebepfeilern und den Ueberresten von eben so vielen Seitenkapellen ist am völligsten seines alten Glanzes beraubt, besonders da, wo die Hand des Puritanismus nicht blos niedergerissen, sondern in dem ihm eigenthümlichen Nüchternheitsstil auch aufzubauen und zu restauriren versucht hat. Die eine Hälfte des Westschiffs und zwar die dem Thurm zunächstgelegene, trägt nämlich einen Ueberbau aus dem Jahre 1618; aber es ist ein Rundbogen, wie wenn man einen Keller wölbt, und nicht die Abtei von Melrose. Kein Theil des Gebäudes, der nicht schwere Schädigungen erfahren hätte; Vieles fehlt, Einzelnes ist verunstaltet, nichts destoweniger bietet sich dem Auge, neben <TEI> <text> <body> <div> <div> <p><pb facs="#f0336" n="319"/> auch unter den <hi rendition="#g">Ruinen</hi> des Landes ist sie die schönste geblieben.</p><lb/> <p>Ein ziemlich breiter Kirchhof, mit alten Grabsteinen überdeckt, zieht sich an der Südfront der Ruine hin, und von dem südöstlichsten Punkt dieses Kirchhofs aus, hat man den schönsten Ueberblick über dieselbe. Im Norden zwischen Hauptschiff und nördlichem Querschiff befanden sich die Klostergebäude; der Thurm wuchs aus der Mitte des Kreuzes empor, und Chor und Oberschiff waren von ungewöhnlicher Länge.</p><lb/> <p>Thurm und Dach sind eingestürzt, nur die Westseite des Thurms erhebt sich noch 84 Fuß hoch; der Chor (der überhaupt am besten erhalten ist) und einzelne Seitenschiffe tragen noch ganz oder theilweise ihre alten Gewölbe. Das große Westschiff mit seinen acht Strebepfeilern und den Ueberresten von eben so vielen Seitenkapellen ist am völligsten seines alten Glanzes beraubt, besonders da, wo die Hand des Puritanismus nicht blos niedergerissen, sondern in dem ihm eigenthümlichen Nüchternheitsstil auch aufzubauen und zu restauriren versucht hat. Die eine Hälfte des Westschiffs und zwar die dem Thurm zunächstgelegene, trägt nämlich einen Ueberbau aus dem Jahre 1618; aber es ist ein Rundbogen, wie wenn man einen Keller wölbt, und nicht die Abtei von Melrose.</p><lb/> <p>Kein Theil des Gebäudes, der nicht schwere Schädigungen erfahren hätte; Vieles fehlt, Einzelnes ist verunstaltet, nichts destoweniger bietet sich dem Auge, neben<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [319/0336]
auch unter den Ruinen des Landes ist sie die schönste geblieben.
Ein ziemlich breiter Kirchhof, mit alten Grabsteinen überdeckt, zieht sich an der Südfront der Ruine hin, und von dem südöstlichsten Punkt dieses Kirchhofs aus, hat man den schönsten Ueberblick über dieselbe. Im Norden zwischen Hauptschiff und nördlichem Querschiff befanden sich die Klostergebäude; der Thurm wuchs aus der Mitte des Kreuzes empor, und Chor und Oberschiff waren von ungewöhnlicher Länge.
Thurm und Dach sind eingestürzt, nur die Westseite des Thurms erhebt sich noch 84 Fuß hoch; der Chor (der überhaupt am besten erhalten ist) und einzelne Seitenschiffe tragen noch ganz oder theilweise ihre alten Gewölbe. Das große Westschiff mit seinen acht Strebepfeilern und den Ueberresten von eben so vielen Seitenkapellen ist am völligsten seines alten Glanzes beraubt, besonders da, wo die Hand des Puritanismus nicht blos niedergerissen, sondern in dem ihm eigenthümlichen Nüchternheitsstil auch aufzubauen und zu restauriren versucht hat. Die eine Hälfte des Westschiffs und zwar die dem Thurm zunächstgelegene, trägt nämlich einen Ueberbau aus dem Jahre 1618; aber es ist ein Rundbogen, wie wenn man einen Keller wölbt, und nicht die Abtei von Melrose.
Kein Theil des Gebäudes, der nicht schwere Schädigungen erfahren hätte; Vieles fehlt, Einzelnes ist verunstaltet, nichts destoweniger bietet sich dem Auge, neben
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(2018-07-25T15:22:45Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Alexandra Priesterath, Christian Thomas, Linda Martin: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T15:22:45Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Hrsg. von Maren Ermisch. Berlin 2017 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das reiseliterarische Werk, Bd. 2]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Der Text der Ausgabe wird hier ergänzt um das Kapitel „Lochleven-Castle“, das aus verlagstechnischen Gründen in der Erstausgabe fehlte (vgl. dazu die entsprechenden Informationen auf der Seite der Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen). Die dazugehörigen Faksimiles, 0331 bis 0333, wurden von Seiten der Österreichischen Nationalbibliothek übernommen. Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
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