Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860.Seite des St. Martinskreuzes indeß hat man neuerdings von diesem Flechtenüberzug gesäubert, und was man jetzt erkennt, ist folgendes: auf dem Oberstück sechs Löwen mit paarweis verschlungenen Schwänzen; in dem Rundstück, das die Mitte des Kreuzes einnimmt, die Jungfrau Maria mit dem Christkind und vier Engel um sie her; unterhalb an dem Stammstück des Kreuzes, vier Reihen von Figuren, die sehr Mannigfaltiges darstellen: ein Abendmahl, eine Exhortation, ein Harfenspiel und mehreres andere noch. Noch weiter nach unten Aepfel, um die sich Schlangen winden. Das Macleanskreuz gilt für älter und soll, bald nach dem Erscheinen Columbans auf der Insel, an der Stelle eines heidnischen Denkmals errichtet worden sein, das er vorfand. Wie viel hievon wahr oder erfunden ist, muß dahingestellt bleiben. Daß diese Kreuze indeß sehr alt sind und der früheren Glanzzeit Iona's, ich möchte sagen seiner exclusiven Epoche angehören, scheint mir unzweifelhaft. Alle diese Kreuze scheinen mehr den Charakter von Votivtafeln als von Grabkreuzen gehabt zu haben, und schon dieser Umstand allein, für den sich in der römisch-katholischen Zeit schwerlich ein Analogon findet, deutet auf eine frühe Vergangenheit. Wir betreten nun die große Sehenswürdigkeit Iona's - seinen Kirchhof. Er führt den Namen "Reilig Ourain" oder St. Orans Begräbnißplatz. Eine Mauer schließt ihn ein, und der Tradition, wie auch den aufgezeichneten Mittheilungen des Dechanten Munro nach, Seite des St. Martinskreuzes indeß hat man neuerdings von diesem Flechtenüberzug gesäubert, und was man jetzt erkennt, ist folgendes: auf dem Oberstück sechs Löwen mit paarweis verschlungenen Schwänzen; in dem Rundstück, das die Mitte des Kreuzes einnimmt, die Jungfrau Maria mit dem Christkind und vier Engel um sie her; unterhalb an dem Stammstück des Kreuzes, vier Reihen von Figuren, die sehr Mannigfaltiges darstellen: ein Abendmahl, eine Exhortation, ein Harfenspiel und mehreres andere noch. Noch weiter nach unten Aepfel, um die sich Schlangen winden. Das Macleanskreuz gilt für älter und soll, bald nach dem Erscheinen Columbans auf der Insel, an der Stelle eines heidnischen Denkmals errichtet worden sein, das er vorfand. Wie viel hievon wahr oder erfunden ist, muß dahingestellt bleiben. Daß diese Kreuze indeß sehr alt sind und der früheren Glanzzeit Iona’s, ich möchte sagen seiner exclusiven Epoche angehören, scheint mir unzweifelhaft. Alle diese Kreuze scheinen mehr den Charakter von Votivtafeln als von Grabkreuzen gehabt zu haben, und schon dieser Umstand allein, für den sich in der römisch-katholischen Zeit schwerlich ein Analogon findet, deutet auf eine frühe Vergangenheit. Wir betreten nun die große Sehenswürdigkeit Iona’s – seinen Kirchhof. Er führt den Namen „Reilig Ourain“ oder St. Orans Begräbnißplatz. Eine Mauer schließt ihn ein, und der Tradition, wie auch den aufgezeichneten Mittheilungen des Dechanten Munro nach, <TEI> <text> <body> <div> <div> <p><pb facs="#f0309" n="295"/> Seite des St. Martinskreuzes indeß hat man neuerdings von diesem Flechtenüberzug gesäubert, und was man jetzt erkennt, ist folgendes: auf dem Oberstück sechs Löwen mit paarweis verschlungenen Schwänzen; in dem Rundstück, das die Mitte des Kreuzes einnimmt, die Jungfrau Maria mit dem Christkind und vier Engel um sie her; unterhalb an dem Stammstück des Kreuzes, vier Reihen von Figuren, die sehr Mannigfaltiges darstellen: ein Abendmahl, eine Exhortation, ein Harfenspiel und mehreres andere noch. Noch weiter nach unten Aepfel, um die sich Schlangen winden.</p><lb/> <p>Das Macleanskreuz gilt für älter und soll, bald nach dem Erscheinen Columbans auf der Insel, an der Stelle eines heidnischen Denkmals errichtet worden sein, das er vorfand. Wie viel hievon wahr oder erfunden ist, muß dahingestellt bleiben. Daß diese Kreuze indeß <hi rendition="#g">sehr alt</hi> sind und der früheren Glanzzeit Iona’s, ich möchte sagen seiner <hi rendition="#g">exclusiven</hi> Epoche angehören, scheint mir unzweifelhaft. Alle diese Kreuze scheinen mehr den Charakter von Votivtafeln als von Grabkreuzen gehabt zu haben, und schon dieser Umstand allein, für den sich in der römisch-katholischen Zeit schwerlich ein Analogon findet, deutet auf eine frühe Vergangenheit.</p><lb/> <p>Wir betreten nun die große Sehenswürdigkeit Iona’s – seinen Kirchhof. Er führt den Namen „Reilig Ourain“ oder St. Orans Begräbnißplatz. Eine Mauer schließt ihn ein, und der Tradition, wie auch den aufgezeichneten Mittheilungen des Dechanten Munro nach,<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [295/0309]
Seite des St. Martinskreuzes indeß hat man neuerdings von diesem Flechtenüberzug gesäubert, und was man jetzt erkennt, ist folgendes: auf dem Oberstück sechs Löwen mit paarweis verschlungenen Schwänzen; in dem Rundstück, das die Mitte des Kreuzes einnimmt, die Jungfrau Maria mit dem Christkind und vier Engel um sie her; unterhalb an dem Stammstück des Kreuzes, vier Reihen von Figuren, die sehr Mannigfaltiges darstellen: ein Abendmahl, eine Exhortation, ein Harfenspiel und mehreres andere noch. Noch weiter nach unten Aepfel, um die sich Schlangen winden.
Das Macleanskreuz gilt für älter und soll, bald nach dem Erscheinen Columbans auf der Insel, an der Stelle eines heidnischen Denkmals errichtet worden sein, das er vorfand. Wie viel hievon wahr oder erfunden ist, muß dahingestellt bleiben. Daß diese Kreuze indeß sehr alt sind und der früheren Glanzzeit Iona’s, ich möchte sagen seiner exclusiven Epoche angehören, scheint mir unzweifelhaft. Alle diese Kreuze scheinen mehr den Charakter von Votivtafeln als von Grabkreuzen gehabt zu haben, und schon dieser Umstand allein, für den sich in der römisch-katholischen Zeit schwerlich ein Analogon findet, deutet auf eine frühe Vergangenheit.
Wir betreten nun die große Sehenswürdigkeit Iona’s – seinen Kirchhof. Er führt den Namen „Reilig Ourain“ oder St. Orans Begräbnißplatz. Eine Mauer schließt ihn ein, und der Tradition, wie auch den aufgezeichneten Mittheilungen des Dechanten Munro nach,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_tweed_1860 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_tweed_1860/309 |
Zitationshilfe: | Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_tweed_1860/309>, abgerufen am 22.07.2024. |