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Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860.

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kommende Handel hat an der englisch-schottischen Ostküste eine Menge anderer Häfen und Stapelplätze, die mindestens nicht schlechter gelegen sind als Inverneß und eine rasche Eisenbahnverbindung vor diesem voraushaben. Als der Kanal vorgeschlagen und ausgeführt wurde, wußte man freilich noch nichts von einer Concurrenz, die so nah und so drohend bevorstand.

Nichts desto weniger ist Inverneß der bedeutendste Punkt im ganzen Norden von Schottland (Aberdeen wird dem Osten zugerechnet), und heißt mit Recht die Hauptstadt des Hochlandes. Das immer spärlicher werdende Leben rafft sich hier noch einmal zusammen, schafft Comfort, Luxus und Geselligkeit und treibt Blüthen der Wissenschaft und selbst der Kunst. Die Stadt hat drei Zeitungen, was bei einer Bevölkerung von 15,000 Menschen zeigt, welch reges, geistiges Leben an dieser Stelle noch thätig ist.

Die Sehenswürdigkeiten der Stadt reduciren sich auf einen einzigen Punkt, auf den unmittelbar neben der Stadt gelegenen Hügel, wo jenes Schloß Macbeth's stand, in dem König Duncan ermordet wurde. Von dem alten Schlosse existirt keine Spur mehr. Nachdem es durch die Jahrhunderte hin zahllose Aenderungen und Erweiterungen über sich hatte ergehen lassen müssen, wurde es im Jahre 1746 von den Anhängern des Prätendenten in die Luft gesprengt. An der Stelle, wo es stand, befindet sich jetzt ein im Castellstil gebautes Grafschafts- und Gerichtsgebäude, das nach drei oder vier

kommende Handel hat an der englisch-schottischen Ostküste eine Menge anderer Häfen und Stapelplätze, die mindestens nicht schlechter gelegen sind als Inverneß und eine rasche Eisenbahnverbindung vor diesem voraushaben. Als der Kanal vorgeschlagen und ausgeführt wurde, wußte man freilich noch nichts von einer Concurrenz, die so nah und so drohend bevorstand.

Nichts desto weniger ist Inverneß der bedeutendste Punkt im ganzen Norden von Schottland (Aberdeen wird dem Osten zugerechnet), und heißt mit Recht die Hauptstadt des Hochlandes. Das immer spärlicher werdende Leben rafft sich hier noch einmal zusammen, schafft Comfort, Luxus und Geselligkeit und treibt Blüthen der Wissenschaft und selbst der Kunst. Die Stadt hat drei Zeitungen, was bei einer Bevölkerung von 15,000 Menschen zeigt, welch reges, geistiges Leben an dieser Stelle noch thätig ist.

Die Sehenswürdigkeiten der Stadt reduciren sich auf einen einzigen Punkt, auf den unmittelbar neben der Stadt gelegenen Hügel, wo jenes Schloß Macbeth’s stand, in dem König Duncan ermordet wurde. Von dem alten Schlosse existirt keine Spur mehr. Nachdem es durch die Jahrhunderte hin zahllose Aenderungen und Erweiterungen über sich hatte ergehen lassen müssen, wurde es im Jahre 1746 von den Anhängern des Prätendenten in die Luft gesprengt. An der Stelle, wo es stand, befindet sich jetzt ein im Castellstil gebautes Grafschafts- und Gerichtsgebäude, das nach drei oder vier

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[232/0246] kommende Handel hat an der englisch-schottischen Ostküste eine Menge anderer Häfen und Stapelplätze, die mindestens nicht schlechter gelegen sind als Inverneß und eine rasche Eisenbahnverbindung vor diesem voraushaben. Als der Kanal vorgeschlagen und ausgeführt wurde, wußte man freilich noch nichts von einer Concurrenz, die so nah und so drohend bevorstand. Nichts desto weniger ist Inverneß der bedeutendste Punkt im ganzen Norden von Schottland (Aberdeen wird dem Osten zugerechnet), und heißt mit Recht die Hauptstadt des Hochlandes. Das immer spärlicher werdende Leben rafft sich hier noch einmal zusammen, schafft Comfort, Luxus und Geselligkeit und treibt Blüthen der Wissenschaft und selbst der Kunst. Die Stadt hat drei Zeitungen, was bei einer Bevölkerung von 15,000 Menschen zeigt, welch reges, geistiges Leben an dieser Stelle noch thätig ist. Die Sehenswürdigkeiten der Stadt reduciren sich auf einen einzigen Punkt, auf den unmittelbar neben der Stadt gelegenen Hügel, wo jenes Schloß Macbeth’s stand, in dem König Duncan ermordet wurde. Von dem alten Schlosse existirt keine Spur mehr. Nachdem es durch die Jahrhunderte hin zahllose Aenderungen und Erweiterungen über sich hatte ergehen lassen müssen, wurde es im Jahre 1746 von den Anhängern des Prätendenten in die Luft gesprengt. An der Stelle, wo es stand, befindet sich jetzt ein im Castellstil gebautes Grafschafts- und Gerichtsgebäude, das nach drei oder vier

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen, Theodor Fontane: Große Brandenburger Ausgabe (GBA): Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). (2018-07-25T15:22:45Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Alexandra Priesterath, Christian Thomas, Linda Martin: Bearbeitung der digitalen Edition. (2018-07-25T15:22:45Z)

Weitere Informationen:

Theodor Fontane: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Hrsg. von Maren Ermisch. Berlin 2017 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das reiseliterarische Werk, Bd. 2]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin).

Der Text der Ausgabe wird hier ergänzt um das Kapitel „Lochleven-Castle“, das aus verlagstechnischen Gründen in der Erstausgabe fehlte (vgl. dazu die entsprechenden Informationen auf der Seite der Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen). Die dazugehörigen Faksimiles, 0331 bis 0333, wurden von Seiten der Österreichischen Nationalbibliothek übernommen.

Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).

  • Bogensignaturen: nicht übernommen;
  • Druckfehler: dokumentiert;
  • fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;
  • Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe;
  • Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet;
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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_tweed_1860/246>, abgerufen am 17.05.2024.