Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860.Waidmannslust giebt begreiflicher Weise den weiten Haidestrecken des Hochlands den Vorzug, wo Geschick, Kraft und Muth dazu gehören, den Hirsch zum Stehen zu bringen. Es waren feine, liebenswürdige Männer, besonders der schlanke Gentleman aus der Gasthofsveranda in Dunkeld, dessen zwei Jagdhunde auf viele Meilen hin unsere geduldigen Fußkissen abgegeben hatten. Sein Name war Sir John Metcalfe, ein Enkel jenes Sir Charles Metcalfe, der, nach der Abdankung Lord Bentinck's, eine kurze Zeit hindurch als Generalgouverneur von Indien eine hervorragende Rolle spielte. Dies gab Veranlassung zu einem Gespräch über Indien, das uns um so lebhafter interessirte, als der junge Offizier selbst jahrelang im indischen Dienst gestanden hatte und erst seit Kurzem von Delhi und Lucknow her wieder in London eingetroffen war. Nach dem Frühstück machten wir zunächst einen Gang durch die Stadt. Man merkt hier allerdings, daß man sich im Hochland befindet. Zwar herrschen Frack und Ueberrock, Hose und Filzhut vor, aber die alte Hochlandstracht ist doch noch nicht insoweit aufgegeben, daß sie einem wie ein Curiosum erschiene, wenn man ihr ausnahmsweise begegnet. Gleich neben dem Union-Hotel befindet sich das große, im In- und Auslande berühmte Geschäft Mr. Macdougall's, dessen alle Etagen des Hauses füllenden Waarenläger am besten zeigen, wie stark noch immer die Nachfrage nach Artikeln ist, die das schottische Hochland repräsentiren. Allen diesen Artikeln ist das gemein- Waidmannslust giebt begreiflicher Weise den weiten Haidestrecken des Hochlands den Vorzug, wo Geschick, Kraft und Muth dazu gehören, den Hirsch zum Stehen zu bringen. Es waren feine, liebenswürdige Männer, besonders der schlanke Gentleman aus der Gasthofsveranda in Dunkeld, dessen zwei Jagdhunde auf viele Meilen hin unsere geduldigen Fußkissen abgegeben hatten. Sein Name war Sir John Metcalfe, ein Enkel jenes Sir Charles Metcalfe, der, nach der Abdankung Lord Bentinck’s, eine kurze Zeit hindurch als Generalgouverneur von Indien eine hervorragende Rolle spielte. Dies gab Veranlassung zu einem Gespräch über Indien, das uns um so lebhafter interessirte, als der junge Offizier selbst jahrelang im indischen Dienst gestanden hatte und erst seit Kurzem von Delhi und Lucknow her wieder in London eingetroffen war. Nach dem Frühstück machten wir zunächst einen Gang durch die Stadt. Man merkt hier allerdings, daß man sich im Hochland befindet. Zwar herrschen Frack und Ueberrock, Hose und Filzhut vor, aber die alte Hochlandstracht ist doch noch nicht insoweit aufgegeben, daß sie einem wie ein Curiosum erschiene, wenn man ihr ausnahmsweise begegnet. Gleich neben dem Union-Hotel befindet sich das große, im In- und Auslande berühmte Geschäft Mr. Macdougall’s, dessen alle Etagen des Hauses füllenden Waarenläger am besten zeigen, wie stark noch immer die Nachfrage nach Artikeln ist, die das schottische Hochland repräsentiren. Allen diesen Artikeln ist das gemein- <TEI> <text> <body> <div> <div> <p><pb facs="#f0244" n="230"/> Waidmannslust giebt begreiflicher Weise den weiten Haidestrecken des Hochlands den Vorzug, wo Geschick, Kraft und Muth dazu gehören, den Hirsch zum Stehen zu bringen. Es waren feine, liebenswürdige Männer, besonders der schlanke Gentleman aus der Gasthofsveranda in Dunkeld, dessen zwei Jagdhunde auf viele Meilen hin unsere geduldigen Fußkissen abgegeben hatten. Sein Name war Sir John Metcalfe, ein Enkel jenes Sir Charles Metcalfe, der, nach der Abdankung Lord Bentinck’s, eine kurze Zeit hindurch als Generalgouverneur von Indien eine hervorragende Rolle spielte. Dies gab Veranlassung zu einem Gespräch über Indien, das uns um so lebhafter interessirte, als der junge Offizier selbst jahrelang im indischen Dienst gestanden hatte und erst seit Kurzem von Delhi und Lucknow her wieder in London eingetroffen war.</p><lb/> <p>Nach dem Frühstück machten wir zunächst einen Gang durch die Stadt. Man merkt hier allerdings, daß man sich im Hochland befindet. Zwar herrschen Frack und Ueberrock, Hose und Filzhut vor, aber die alte Hochlandstracht ist doch noch nicht insoweit aufgegeben, daß sie einem wie ein Curiosum erschiene, wenn man ihr ausnahmsweise begegnet. Gleich neben dem Union-Hotel befindet sich das große, im In- und Auslande berühmte Geschäft Mr. Macdougall’s, dessen alle Etagen des Hauses füllenden Waarenläger am besten zeigen, wie stark noch immer die Nachfrage nach Artikeln ist, die das schottische Hochland repräsentiren. Allen diesen Artikeln ist das gemein-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [230/0244]
Waidmannslust giebt begreiflicher Weise den weiten Haidestrecken des Hochlands den Vorzug, wo Geschick, Kraft und Muth dazu gehören, den Hirsch zum Stehen zu bringen. Es waren feine, liebenswürdige Männer, besonders der schlanke Gentleman aus der Gasthofsveranda in Dunkeld, dessen zwei Jagdhunde auf viele Meilen hin unsere geduldigen Fußkissen abgegeben hatten. Sein Name war Sir John Metcalfe, ein Enkel jenes Sir Charles Metcalfe, der, nach der Abdankung Lord Bentinck’s, eine kurze Zeit hindurch als Generalgouverneur von Indien eine hervorragende Rolle spielte. Dies gab Veranlassung zu einem Gespräch über Indien, das uns um so lebhafter interessirte, als der junge Offizier selbst jahrelang im indischen Dienst gestanden hatte und erst seit Kurzem von Delhi und Lucknow her wieder in London eingetroffen war.
Nach dem Frühstück machten wir zunächst einen Gang durch die Stadt. Man merkt hier allerdings, daß man sich im Hochland befindet. Zwar herrschen Frack und Ueberrock, Hose und Filzhut vor, aber die alte Hochlandstracht ist doch noch nicht insoweit aufgegeben, daß sie einem wie ein Curiosum erschiene, wenn man ihr ausnahmsweise begegnet. Gleich neben dem Union-Hotel befindet sich das große, im In- und Auslande berühmte Geschäft Mr. Macdougall’s, dessen alle Etagen des Hauses füllenden Waarenläger am besten zeigen, wie stark noch immer die Nachfrage nach Artikeln ist, die das schottische Hochland repräsentiren. Allen diesen Artikeln ist das gemein-
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Zitationshilfe: | Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_tweed_1860/244>, abgerufen am 22.07.2024. |