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Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860.

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Ufer des Tay erhebt und der schönen Aussicht halber berühmt geworden ist, die er über die Stadt, die Flußwindungen und jenen weiten Thalgrund gewährt, in dem, wenn auch nur theilweise sichtbar, Scone, Dunsinan und der Birnamwald liegen, Namen, die jedem Macbeth-Leser geläufig sind.

Perth heißt in Chroniken und Liedern das alte Perth, gelegentlich auch das schöne Perth. Zum Ueberfluß hat Walter Scott noch "ein schönes Mädchen von Perth" geschrieben und, wie ich nicht bezweifle, auch in andern Lesern die Vorstellung erzeugt, daß die reizend geschilderte Stadt kaum minder schön sein könne, als das schöne Mädchen selbst. Wer mit so gesteigerten Erwartungen Perth betritt, wird einer Enttäuschung schwerlich entgehen, zumal wenn er, wie wir, an einem Sonntag dort eintrifft und statt des Lebens und der Buntheit der Straßen jener Todtenstille begegnet, die ihm eine unwillkommene Gelegenheit bietet, die Häuser in ihrer charakterlosen Dürftigkeit zu sehen. Aber eine alte Stadt ist Perth unbestritten. Schon 1210 ward es durch eine Ueberschwemmung zerstört, ein noch jetzt unvergessenes Ereigniß, das in dem poetischen Reimwort fortlebt:

Shochie zum Ordie*) spricht: sag' an,
Wo ich dich wieder treffen kann?
Wir treffen uns wieder, hab Acht,
Wo wir schon einmal uns trafen,
Zu Perth in der Nacht,
Wenn alle Menschen schlafen.

*) Zwei Flüsse in der Nähe von Perth.

Ufer des Tay erhebt und der schönen Aussicht halber berühmt geworden ist, die er über die Stadt, die Flußwindungen und jenen weiten Thalgrund gewährt, in dem, wenn auch nur theilweise sichtbar, Scone, Dunsinan und der Birnamwald liegen, Namen, die jedem Macbeth-Leser geläufig sind.

Perth heißt in Chroniken und Liedern das alte Perth, gelegentlich auch das schöne Perth. Zum Ueberfluß hat Walter Scott noch „ein schönes Mädchen von Perth“ geschrieben und, wie ich nicht bezweifle, auch in andern Lesern die Vorstellung erzeugt, daß die reizend geschilderte Stadt kaum minder schön sein könne, als das schöne Mädchen selbst. Wer mit so gesteigerten Erwartungen Perth betritt, wird einer Enttäuschung schwerlich entgehen, zumal wenn er, wie wir, an einem Sonntag dort eintrifft und statt des Lebens und der Buntheit der Straßen jener Todtenstille begegnet, die ihm eine unwillkommene Gelegenheit bietet, die Häuser in ihrer charakterlosen Dürftigkeit zu sehen. Aber eine alte Stadt ist Perth unbestritten. Schon 1210 ward es durch eine Ueberschwemmung zerstört, ein noch jetzt unvergessenes Ereigniß, das in dem poetischen Reimwort fortlebt:

Shochie zum Ordie*) spricht: sag’ an,
Wo ich dich wieder treffen kann?
Wir treffen uns wieder, hab Acht,
Wo wir schon einmal uns trafen,
Zu Perth in der Nacht,
Wenn alle Menschen schlafen.

*) Zwei Flüsse in der Nähe von Perth.
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[198/0212] Ufer des Tay erhebt und der schönen Aussicht halber berühmt geworden ist, die er über die Stadt, die Flußwindungen und jenen weiten Thalgrund gewährt, in dem, wenn auch nur theilweise sichtbar, Scone, Dunsinan und der Birnamwald liegen, Namen, die jedem Macbeth-Leser geläufig sind. Perth heißt in Chroniken und Liedern das alte Perth, gelegentlich auch das schöne Perth. Zum Ueberfluß hat Walter Scott noch „ein schönes Mädchen von Perth“ geschrieben und, wie ich nicht bezweifle, auch in andern Lesern die Vorstellung erzeugt, daß die reizend geschilderte Stadt kaum minder schön sein könne, als das schöne Mädchen selbst. Wer mit so gesteigerten Erwartungen Perth betritt, wird einer Enttäuschung schwerlich entgehen, zumal wenn er, wie wir, an einem Sonntag dort eintrifft und statt des Lebens und der Buntheit der Straßen jener Todtenstille begegnet, die ihm eine unwillkommene Gelegenheit bietet, die Häuser in ihrer charakterlosen Dürftigkeit zu sehen. Aber eine alte Stadt ist Perth unbestritten. Schon 1210 ward es durch eine Ueberschwemmung zerstört, ein noch jetzt unvergessenes Ereigniß, das in dem poetischen Reimwort fortlebt: Shochie zum Ordie *) spricht: sag’ an, Wo ich dich wieder treffen kann? Wir treffen uns wieder, hab Acht, Wo wir schon einmal uns trafen, Zu Perth in der Nacht, Wenn alle Menschen schlafen. *) Zwei Flüsse in der Nähe von Perth.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen, Theodor Fontane: Große Brandenburger Ausgabe (GBA): Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). (2018-07-25T15:22:45Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Alexandra Priesterath, Christian Thomas, Linda Martin: Bearbeitung der digitalen Edition. (2018-07-25T15:22:45Z)

Weitere Informationen:

Theodor Fontane: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Hrsg. von Maren Ermisch. Berlin 2017 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das reiseliterarische Werk, Bd. 2]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin).

Der Text der Ausgabe wird hier ergänzt um das Kapitel „Lochleven-Castle“, das aus verlagstechnischen Gründen in der Erstausgabe fehlte (vgl. dazu die entsprechenden Informationen auf der Seite der Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen). Die dazugehörigen Faksimiles, 0331 bis 0333, wurden von Seiten der Österreichischen Nationalbibliothek übernommen.

Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).

  • Bogensignaturen: nicht übernommen;
  • Druckfehler: dokumentiert;
  • fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;
  • Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe;
  • Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet;
  • i/j in Fraktur: keine Angabe;
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  • rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;
  • Seitenumbrüche markiert: ja;
  • Silbentrennung: aufgelöst;
  • u/v bzw. U/V: keine Angabe;
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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_tweed_1860/212>, abgerufen am 19.05.2024.