Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860.ist hierbei zu bemerken, in so völliger Entfremdung von seinem Vater groß gezogen war, daß er kein deutliches Bild desselben in seiner Seele trug. Jakob IV., der noch immer an die Möglichkeit dachte, daß sein Vater nicht erschlagen sei, trat jetzt rasch an Sir Andrew Wood heran und begrüßte ihn, durch eine gewisse Aehnlichkeit der Züge getäuscht, halb freudig, halb beschämt mit den Worten: "Du bist mein Vater!" worauf der Alte unter Thränen erwiederte: "Nicht euer Vater, Herr, aber eures Vaters treuster Diener!" Diese Vorgänge übten einen tiefen Einfluß auf das Gemüth des Königs, und bald nach seiner Thronbesteigung legte er, zum Zeichen seiner Buße, einen breiten Eisengürtel an, dessen Gewicht er von Jahr zu Jahr vermehrte. Aber das Bewußtsein seiner Schuld begleitete ihn durch's Leben und zeigte sich in plötzlichen Trübsinns-Anfällen, die ihn oft mitten in der Freude oder bei lustigen Gelagen heimzusuchen pflegten. Des jungen Königs Herrschaft war unrechtmäßig erworben, aber unleugbare Herrschergaben, Kraft, Muth, Zuversicht, ließen bald vergessen, wie und wodurch sie gewonnen war. Die Macht der Krone und mit ihr das Ansehen des Gesetzes wuchs rasch im Lande auf Kosten eines übermächtigen Adels, besonders seit der Vermählung des Königs mit Margarethe von England, die in allen Kämpfen wenigstens, in denen es sich um Befestigung des königlichen Ansehens handelte, ihrem jungen Gemahl den Beistand und die Mitwirkung des englischen ist hierbei zu bemerken, in so völliger Entfremdung von seinem Vater groß gezogen war, daß er kein deutliches Bild desselben in seiner Seele trug. Jakob IV., der noch immer an die Möglichkeit dachte, daß sein Vater nicht erschlagen sei, trat jetzt rasch an Sir Andrew Wood heran und begrüßte ihn, durch eine gewisse Aehnlichkeit der Züge getäuscht, halb freudig, halb beschämt mit den Worten: „Du bist mein Vater!“ worauf der Alte unter Thränen erwiederte: „Nicht euer Vater, Herr, aber eures Vaters treuster Diener!“ Diese Vorgänge übten einen tiefen Einfluß auf das Gemüth des Königs, und bald nach seiner Thronbesteigung legte er, zum Zeichen seiner Buße, einen breiten Eisengürtel an, dessen Gewicht er von Jahr zu Jahr vermehrte. Aber das Bewußtsein seiner Schuld begleitete ihn durch’s Leben und zeigte sich in plötzlichen Trübsinns-Anfällen, die ihn oft mitten in der Freude oder bei lustigen Gelagen heimzusuchen pflegten. Des jungen Königs Herrschaft war unrechtmäßig erworben, aber unleugbare Herrschergaben, Kraft, Muth, Zuversicht, ließen bald vergessen, wie und wodurch sie gewonnen war. Die Macht der Krone und mit ihr das Ansehen des Gesetzes wuchs rasch im Lande auf Kosten eines übermächtigen Adels, besonders seit der Vermählung des Königs mit Margarethe von England, die in allen Kämpfen wenigstens, in denen es sich um Befestigung des königlichen Ansehens handelte, ihrem jungen Gemahl den Beistand und die Mitwirkung des englischen <TEI> <text> <body> <div> <div> <p><pb facs="#f0146" n="132"/> ist hierbei zu bemerken, in so völliger Entfremdung von seinem Vater groß gezogen war, daß er kein deutliches Bild desselben in seiner Seele trug. Jakob <hi rendition="#aq">IV</hi>., der noch immer an die Möglichkeit dachte, daß sein Vater <hi rendition="#g">nicht</hi> erschlagen sei, trat jetzt rasch an Sir Andrew Wood heran und begrüßte ihn, durch eine gewisse Aehnlichkeit der Züge getäuscht, halb freudig, halb beschämt mit den Worten: „Du bist mein Vater!“ worauf der Alte unter Thränen erwiederte: „Nicht euer Vater, Herr, aber eures Vaters <hi rendition="#g">treuster</hi> Diener!“ Diese Vorgänge übten einen tiefen Einfluß auf das Gemüth des Königs, und bald nach seiner Thronbesteigung legte er, zum Zeichen seiner Buße, einen breiten Eisengürtel an, dessen Gewicht er von Jahr zu Jahr vermehrte. Aber das Bewußtsein seiner Schuld begleitete ihn durch’s Leben und zeigte sich in plötzlichen Trübsinns-Anfällen, die ihn oft mitten in der Freude oder bei lustigen Gelagen heimzusuchen pflegten.</p><lb/> <p>Des jungen Königs Herrschaft war unrechtmäßig erworben, aber unleugbare Herrschergaben, Kraft, Muth, Zuversicht, ließen bald vergessen, <hi rendition="#g">wie</hi> und <hi rendition="#g">wodurch</hi> sie gewonnen war. Die Macht der Krone und mit ihr das Ansehen des Gesetzes wuchs rasch im Lande auf Kosten eines übermächtigen Adels, besonders seit der Vermählung des Königs mit Margarethe von England, die in allen Kämpfen wenigstens, in denen es sich um Befestigung des königlichen Ansehens handelte, ihrem jungen Gemahl den Beistand und die Mitwirkung des englischen<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [132/0146]
ist hierbei zu bemerken, in so völliger Entfremdung von seinem Vater groß gezogen war, daß er kein deutliches Bild desselben in seiner Seele trug. Jakob IV., der noch immer an die Möglichkeit dachte, daß sein Vater nicht erschlagen sei, trat jetzt rasch an Sir Andrew Wood heran und begrüßte ihn, durch eine gewisse Aehnlichkeit der Züge getäuscht, halb freudig, halb beschämt mit den Worten: „Du bist mein Vater!“ worauf der Alte unter Thränen erwiederte: „Nicht euer Vater, Herr, aber eures Vaters treuster Diener!“ Diese Vorgänge übten einen tiefen Einfluß auf das Gemüth des Königs, und bald nach seiner Thronbesteigung legte er, zum Zeichen seiner Buße, einen breiten Eisengürtel an, dessen Gewicht er von Jahr zu Jahr vermehrte. Aber das Bewußtsein seiner Schuld begleitete ihn durch’s Leben und zeigte sich in plötzlichen Trübsinns-Anfällen, die ihn oft mitten in der Freude oder bei lustigen Gelagen heimzusuchen pflegten.
Des jungen Königs Herrschaft war unrechtmäßig erworben, aber unleugbare Herrschergaben, Kraft, Muth, Zuversicht, ließen bald vergessen, wie und wodurch sie gewonnen war. Die Macht der Krone und mit ihr das Ansehen des Gesetzes wuchs rasch im Lande auf Kosten eines übermächtigen Adels, besonders seit der Vermählung des Königs mit Margarethe von England, die in allen Kämpfen wenigstens, in denen es sich um Befestigung des königlichen Ansehens handelte, ihrem jungen Gemahl den Beistand und die Mitwirkung des englischen
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Zitationshilfe: | Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_tweed_1860/146>, abgerufen am 22.07.2024. |