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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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noch eine Stunde, und wenn wir's forcieren wollen, keine
halbe."

Und während er noch so sprach, bog er rechts ein
und ritt auf das Forsthaus zu.

Woldemar hatte die Mitte zwischen Rex und Czako
gehabt; jetzt ritten diese beiden nebeneinander. Czako war
neugierig und hätte gern Fritz herangerufen, um dies und
das über Katzler und Frau zu hören. Aber er sah ein,
daß das nicht ginge. So blieb ihm nichts als ein
Meinungsaustausch mit Rex.

"Sehn Sie," hob er an, "unser Freund Woldemar,
trabt er da nicht hin, wie wenn er dem Glücke nach¬
jagte? Glauben Sie mir, da steckt 'ne Geschichte dahinter.
Er hat die Frau geliebt oder liebt sie noch. Und dies
merkwürdige Interesse für den in Sicht stehenden Erden¬
bürger. Übrigens vielleicht ein Mädchen. Was meinen
Sie dazu, Rex?"

"Ach Czako, Sie wollen ja doch nur hören, was
Ihrer eignen frivolen Natur entspricht. Sie haben keinen
Glauben an reine Verhältnisse. Sehr mit Unrecht. Ich
kann ihnen versichern, es giebt dergleichen."

"Nun ja, Sie, Rex. Sie, der sich Frühgottesdienste
leistet. Aber Stechlin ..."

"Stechlin ist auch eine sittliche Natur. Sittlichkeit
ist ihm angeboren, und was er von Natur mitbrachte,
das hat sein Regiment weiter in ihm ausgebildet."

Czako lachte. "Nun hören Sie, Rex, Regimenter
kenn' ich doch auch. Es giebt ihrer von allen Arten,
aber Sittlichkeitsregimenter kenn' ich noch nicht."

"Es giebt's ihrer aber. Zum mindesten hat's ihrer
immer gegeben, sogar solche mit Askese."

"Nun ja,Cromwell und die Puritaner. Aber, long, long
ago
'. Verzeihen Sie die abgedudelte Phrase. Aber wenn
sich's um so feine Dinge wie Askese handelt, muß man
notwendig einen englischen Brocken einschalten. In Wirk¬

noch eine Stunde, und wenn wir’s forcieren wollen, keine
halbe.“

Und während er noch ſo ſprach, bog er rechts ein
und ritt auf das Forſthaus zu.

Woldemar hatte die Mitte zwiſchen Rex und Czako
gehabt; jetzt ritten dieſe beiden nebeneinander. Czako war
neugierig und hätte gern Fritz herangerufen, um dies und
das über Katzler und Frau zu hören. Aber er ſah ein,
daß das nicht ginge. So blieb ihm nichts als ein
Meinungsaustauſch mit Rex.

„Sehn Sie,“ hob er an, „unſer Freund Woldemar,
trabt er da nicht hin, wie wenn er dem Glücke nach¬
jagte? Glauben Sie mir, da ſteckt ’ne Geſchichte dahinter.
Er hat die Frau geliebt oder liebt ſie noch. Und dies
merkwürdige Intereſſe für den in Sicht ſtehenden Erden¬
bürger. Übrigens vielleicht ein Mädchen. Was meinen
Sie dazu, Rex?“

„Ach Czako, Sie wollen ja doch nur hören, was
Ihrer eignen frivolen Natur entſpricht. Sie haben keinen
Glauben an reine Verhältniſſe. Sehr mit Unrecht. Ich
kann ihnen verſichern, es giebt dergleichen.“

„Nun ja, Sie, Rex. Sie, der ſich Frühgottesdienſte
leiſtet. Aber Stechlin ...“

„Stechlin iſt auch eine ſittliche Natur. Sittlichkeit
iſt ihm angeboren, und was er von Natur mitbrachte,
das hat ſein Regiment weiter in ihm ausgebildet.“

Czako lachte. „Nun hören Sie, Rex, Regimenter
kenn’ ich doch auch. Es giebt ihrer von allen Arten,
aber Sittlichkeitsregimenter kenn’ ich noch nicht.“

„Es giebt’s ihrer aber. Zum mindeſten hat’s ihrer
immer gegeben, ſogar ſolche mit Askeſe.“

„Nun ja,Cromwell und die Puritaner. Aber, long, long
ago
‘. Verzeihen Sie die abgedudelte Phraſe. Aber wenn
ſich’s um ſo feine Dinge wie Askeſe handelt, muß man
notwendig einen engliſchen Brocken einſchalten. In Wirk¬

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[88/0095] noch eine Stunde, und wenn wir’s forcieren wollen, keine halbe.“ Und während er noch ſo ſprach, bog er rechts ein und ritt auf das Forſthaus zu. Woldemar hatte die Mitte zwiſchen Rex und Czako gehabt; jetzt ritten dieſe beiden nebeneinander. Czako war neugierig und hätte gern Fritz herangerufen, um dies und das über Katzler und Frau zu hören. Aber er ſah ein, daß das nicht ginge. So blieb ihm nichts als ein Meinungsaustauſch mit Rex. „Sehn Sie,“ hob er an, „unſer Freund Woldemar, trabt er da nicht hin, wie wenn er dem Glücke nach¬ jagte? Glauben Sie mir, da ſteckt ’ne Geſchichte dahinter. Er hat die Frau geliebt oder liebt ſie noch. Und dies merkwürdige Intereſſe für den in Sicht ſtehenden Erden¬ bürger. Übrigens vielleicht ein Mädchen. Was meinen Sie dazu, Rex?“ „Ach Czako, Sie wollen ja doch nur hören, was Ihrer eignen frivolen Natur entſpricht. Sie haben keinen Glauben an reine Verhältniſſe. Sehr mit Unrecht. Ich kann ihnen verſichern, es giebt dergleichen.“ „Nun ja, Sie, Rex. Sie, der ſich Frühgottesdienſte leiſtet. Aber Stechlin ...“ „Stechlin iſt auch eine ſittliche Natur. Sittlichkeit iſt ihm angeboren, und was er von Natur mitbrachte, das hat ſein Regiment weiter in ihm ausgebildet.“ Czako lachte. „Nun hören Sie, Rex, Regimenter kenn’ ich doch auch. Es giebt ihrer von allen Arten, aber Sittlichkeitsregimenter kenn’ ich noch nicht.“ „Es giebt’s ihrer aber. Zum mindeſten hat’s ihrer immer gegeben, ſogar ſolche mit Askeſe.“ „Nun ja,Cromwell und die Puritaner. Aber, long, long ago‘. Verzeihen Sie die abgedudelte Phraſe. Aber wenn ſich’s um ſo feine Dinge wie Askeſe handelt, muß man notwendig einen engliſchen Brocken einſchalten. In Wirk¬

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/95>, abgerufen am 25.11.2024.