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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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geblieben sein, um Stimmen einzufangen. Unser alter
braver Kortschädel nämlich, der allgemein beliebt war, ist
diesen Sommer gestorben, und da will nun Gundermann,
der sich auf den Konservativen hin ausspielt, aber keiner
ist, im Trüben fischen. Er intrigiert. Ich habe das in
einem Gespräch, das ich mit ihm hatte, ziemlich deutlich
herausgehört, und Lorenzen hat es mir bestätigt."

"Ich kann mir denken," sagte Rex, "daß gerade
Lorenzen gegen ihn ist. Aber dieser Gundermann, für
den ich weiter nichts übrig habe, hat doch wenigstens die
richtigen Prinzipien."

"Ach, Rex, ich bitte Sie," sagte Czako, "richtige Prin¬
zipien! Geschmacklosigkeiten hat er und öde Redensarten.
Dreimal hab' ich ihn sagen hören: ,Das wäre wieder
Wasser auf die Mühlen der Sozialdemokratie.' So was
sagt kein anständiger Mensch mehr, und jedenfalls setzt
er nicht hinzu: ,daß er das Wasser abstellen wolle.' Das
ist ja eine schreckliche Wendung."

Unter diesen Worten waren sie bis an den hoch¬
überwölbten Teil der Kastanienallee gekommen.

Engelke, der gleich frühmorgens ein allerschönstes
Wetter in Aussicht gestellt hatte, hatte recht behalten; es
war ein richtiger Oktobertag, klar und frisch und milde
zugleich. Die Sonne fiel hie und da durch das noch
ziemlich dichte Laub, und die Reiter freuten sich des
Spieles der Schatten und Lichter. Aber noch anmutiger
gestaltete sich das Bild, als sie bald danach in einen
Seitenweg einmündeten, der sich durch eine flache, nur
hie und da von Wasserlachen durchzogene Wiesenlandschaft
hinschlängelte. Die großen Heiden und Forsten, die das
eigentlich Charakteristische dieses nordöstlichen Grafschafts¬
winkels bilden, traten an dieser Stelle weit zurück, und
nur ein paar einzelne, wie vorgeschobene Koulissen wirkende
Waldstreifen wurden sichtbar.

Alle drei hielten an, um das Bild auf sich wirken

geblieben ſein, um Stimmen einzufangen. Unſer alter
braver Kortſchädel nämlich, der allgemein beliebt war, iſt
dieſen Sommer geſtorben, und da will nun Gundermann,
der ſich auf den Konſervativen hin ausſpielt, aber keiner
iſt, im Trüben fiſchen. Er intrigiert. Ich habe das in
einem Geſpräch, das ich mit ihm hatte, ziemlich deutlich
herausgehört, und Lorenzen hat es mir beſtätigt.“

„Ich kann mir denken,“ ſagte Rex, „daß gerade
Lorenzen gegen ihn iſt. Aber dieſer Gundermann, für
den ich weiter nichts übrig habe, hat doch wenigſtens die
richtigen Prinzipien.“

„Ach, Rex, ich bitte Sie,“ ſagte Czako, „richtige Prin¬
zipien! Geſchmackloſigkeiten hat er und öde Redensarten.
Dreimal hab' ich ihn ſagen hören: ‚Das wäre wieder
Waſſer auf die Mühlen der Sozialdemokratie.‘ So was
ſagt kein anſtändiger Menſch mehr, und jedenfalls ſetzt
er nicht hinzu: ‚daß er das Waſſer abſtellen wolle.‘ Das
iſt ja eine ſchreckliche Wendung.“

Unter dieſen Worten waren ſie bis an den hoch¬
überwölbten Teil der Kaſtanienallee gekommen.

Engelke, der gleich frühmorgens ein allerſchönſtes
Wetter in Ausſicht geſtellt hatte, hatte recht behalten; es
war ein richtiger Oktobertag, klar und friſch und milde
zugleich. Die Sonne fiel hie und da durch das noch
ziemlich dichte Laub, und die Reiter freuten ſich des
Spieles der Schatten und Lichter. Aber noch anmutiger
geſtaltete ſich das Bild, als ſie bald danach in einen
Seitenweg einmündeten, der ſich durch eine flache, nur
hie und da von Waſſerlachen durchzogene Wieſenlandſchaft
hinſchlängelte. Die großen Heiden und Forſten, die das
eigentlich Charakteriſtiſche dieſes nordöſtlichen Grafſchafts¬
winkels bilden, traten an dieſer Stelle weit zurück, und
nur ein paar einzelne, wie vorgeſchobene Kouliſſen wirkende
Waldſtreifen wurden ſichtbar.

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[85/0092] geblieben ſein, um Stimmen einzufangen. Unſer alter braver Kortſchädel nämlich, der allgemein beliebt war, iſt dieſen Sommer geſtorben, und da will nun Gundermann, der ſich auf den Konſervativen hin ausſpielt, aber keiner iſt, im Trüben fiſchen. Er intrigiert. Ich habe das in einem Geſpräch, das ich mit ihm hatte, ziemlich deutlich herausgehört, und Lorenzen hat es mir beſtätigt.“ „Ich kann mir denken,“ ſagte Rex, „daß gerade Lorenzen gegen ihn iſt. Aber dieſer Gundermann, für den ich weiter nichts übrig habe, hat doch wenigſtens die richtigen Prinzipien.“ „Ach, Rex, ich bitte Sie,“ ſagte Czako, „richtige Prin¬ zipien! Geſchmackloſigkeiten hat er und öde Redensarten. Dreimal hab' ich ihn ſagen hören: ‚Das wäre wieder Waſſer auf die Mühlen der Sozialdemokratie.‘ So was ſagt kein anſtändiger Menſch mehr, und jedenfalls ſetzt er nicht hinzu: ‚daß er das Waſſer abſtellen wolle.‘ Das iſt ja eine ſchreckliche Wendung.“ Unter dieſen Worten waren ſie bis an den hoch¬ überwölbten Teil der Kaſtanienallee gekommen. Engelke, der gleich frühmorgens ein allerſchönſtes Wetter in Ausſicht geſtellt hatte, hatte recht behalten; es war ein richtiger Oktobertag, klar und friſch und milde zugleich. Die Sonne fiel hie und da durch das noch ziemlich dichte Laub, und die Reiter freuten ſich des Spieles der Schatten und Lichter. Aber noch anmutiger geſtaltete ſich das Bild, als ſie bald danach in einen Seitenweg einmündeten, der ſich durch eine flache, nur hie und da von Waſſerlachen durchzogene Wieſenlandſchaft hinſchlängelte. Die großen Heiden und Forſten, die das eigentlich Charakteriſtiſche dieſes nordöſtlichen Grafſchafts¬ winkels bilden, traten an dieſer Stelle weit zurück, und nur ein paar einzelne, wie vorgeſchobene Kouliſſen wirkende Waldſtreifen wurden ſichtbar. Alle drei hielten an, um das Bild auf ſich wirken

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/92>, abgerufen am 23.11.2024.