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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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Und wenn ich dann bedenke, daß meine Globsower da
mitthun und ganz gemütlich die Werkzeuge liefern für die
große Generalweltanbrennung, ja, hören Sie, meine Herren,
das giebt mir einen Stich. Und ich muß Ihnen sagen,
ich wollte, jeder kriegte lieber einen halben Morgen Land
von Staats wegen und kaufte sich zu Ostern ein Ferkelchen,
und zu Martini schlachteten sie ein Schwein und hätten
den Winter über zwei Speckseiten, jeden Sonntag eine
ordentliche Scheibe, und alltags Kartoffeln und Grieben."

"Aber Herr von Stechlin," lachte Lorenzen, "das ist
ja die reine Neulandtheorie. Das wollen ja die Sozial¬
demokraten auch."

"Ach was, Lorenzen, mit Ihnen ist nicht zu reden ...
Übrigens Prosit ... wenn Sie's auch eigentlich nicht
verdienen."


Das Frühstück zog sich lange hin, und das dabei
geführte Gespräch nahm noch ein paarmal einen Anlauf
ins Politische hinein; Lorenzen aber, der kleine Schraubereien
gern vermeiden wollte, wich jedesmal geschickt aus und
kam lieber auf die Stechliner Kirche zu sprechen. Er war
aber auch hier vorsichtig und beschränkte sich, unter An¬
lehnung an Tucheband, auf Architektonisches und Histo¬
risches, bis Dubslav, ziemlich abrupt, ihn fragte: "Wissen
Sie denn, Lorenzen, auf unserm Kirchenboden Bescheid?
Krippenstapel hat mich erst heute wissen lassen, daß wir
da zwei vergoldete Bischöfe mit Krummstab haben. Oder
vielleicht sind es auch bloß Äbte." Lorenzen wußte nichts
davon, weshalb ihm Dubslav gutmütig mit dem Finger
drohte.

So ging das Gespräch. Aber kurz vor zwei mußte
dem allem ein Ende gemacht werden. Engelke kam und
meldete, daß die Pferde da und die Mantelsäcke bereits
aufgeschnallt seien. Dubslav ergriff sein Glas, um auf
ein frohes Wiedersehn anzustoßen. Dann erhob man sich.

6 *

Und wenn ich dann bedenke, daß meine Globſower da
mitthun und ganz gemütlich die Werkzeuge liefern für die
große Generalweltanbrennung, ja, hören Sie, meine Herren,
das giebt mir einen Stich. Und ich muß Ihnen ſagen,
ich wollte, jeder kriegte lieber einen halben Morgen Land
von Staats wegen und kaufte ſich zu Oſtern ein Ferkelchen,
und zu Martini ſchlachteten ſie ein Schwein und hätten
den Winter über zwei Speckſeiten, jeden Sonntag eine
ordentliche Scheibe, und alltags Kartoffeln und Grieben.“

„Aber Herr von Stechlin,“ lachte Lorenzen, „das iſt
ja die reine Neulandtheorie. Das wollen ja die Sozial¬
demokraten auch.“

„Ach was, Lorenzen, mit Ihnen iſt nicht zu reden ...
Übrigens Proſit ... wenn Sie's auch eigentlich nicht
verdienen.“


Das Frühſtück zog ſich lange hin, und das dabei
geführte Geſpräch nahm noch ein paarmal einen Anlauf
ins Politiſche hinein; Lorenzen aber, der kleine Schraubereien
gern vermeiden wollte, wich jedesmal geſchickt aus und
kam lieber auf die Stechliner Kirche zu ſprechen. Er war
aber auch hier vorſichtig und beſchränkte ſich, unter An¬
lehnung an Tucheband, auf Architektoniſches und Hiſto¬
riſches, bis Dubslav, ziemlich abrupt, ihn fragte: „Wiſſen
Sie denn, Lorenzen, auf unſerm Kirchenboden Beſcheid?
Krippenſtapel hat mich erſt heute wiſſen laſſen, daß wir
da zwei vergoldete Biſchöfe mit Krummſtab haben. Oder
vielleicht ſind es auch bloß Äbte.“ Lorenzen wußte nichts
davon, weshalb ihm Dubslav gutmütig mit dem Finger
drohte.

So ging das Geſpräch. Aber kurz vor zwei mußte
dem allem ein Ende gemacht werden. Engelke kam und
meldete, daß die Pferde da und die Mantelſäcke bereits
aufgeſchnallt ſeien. Dubslav ergriff ſein Glas, um auf
ein frohes Wiederſehn anzuſtoßen. Dann erhob man ſich.

6 *
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[83/0090] Und wenn ich dann bedenke, daß meine Globſower da mitthun und ganz gemütlich die Werkzeuge liefern für die große Generalweltanbrennung, ja, hören Sie, meine Herren, das giebt mir einen Stich. Und ich muß Ihnen ſagen, ich wollte, jeder kriegte lieber einen halben Morgen Land von Staats wegen und kaufte ſich zu Oſtern ein Ferkelchen, und zu Martini ſchlachteten ſie ein Schwein und hätten den Winter über zwei Speckſeiten, jeden Sonntag eine ordentliche Scheibe, und alltags Kartoffeln und Grieben.“ „Aber Herr von Stechlin,“ lachte Lorenzen, „das iſt ja die reine Neulandtheorie. Das wollen ja die Sozial¬ demokraten auch.“ „Ach was, Lorenzen, mit Ihnen iſt nicht zu reden ... Übrigens Proſit ... wenn Sie's auch eigentlich nicht verdienen.“ Das Frühſtück zog ſich lange hin, und das dabei geführte Geſpräch nahm noch ein paarmal einen Anlauf ins Politiſche hinein; Lorenzen aber, der kleine Schraubereien gern vermeiden wollte, wich jedesmal geſchickt aus und kam lieber auf die Stechliner Kirche zu ſprechen. Er war aber auch hier vorſichtig und beſchränkte ſich, unter An¬ lehnung an Tucheband, auf Architektoniſches und Hiſto¬ riſches, bis Dubslav, ziemlich abrupt, ihn fragte: „Wiſſen Sie denn, Lorenzen, auf unſerm Kirchenboden Beſcheid? Krippenſtapel hat mich erſt heute wiſſen laſſen, daß wir da zwei vergoldete Biſchöfe mit Krummſtab haben. Oder vielleicht ſind es auch bloß Äbte.“ Lorenzen wußte nichts davon, weshalb ihm Dubslav gutmütig mit dem Finger drohte. So ging das Geſpräch. Aber kurz vor zwei mußte dem allem ein Ende gemacht werden. Engelke kam und meldete, daß die Pferde da und die Mantelſäcke bereits aufgeſchnallt ſeien. Dubslav ergriff ſein Glas, um auf ein frohes Wiederſehn anzuſtoßen. Dann erhob man ſich. 6 *

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/90>, abgerufen am 22.11.2024.