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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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eingereicht. Und natürlich gegen beide. Warum müssen
es immer Ballons sein? Und wenn schon, na, dann
lieber solche wie diese. Die lass' ich mir gefallen." Und
dabei hob er die Bocksbeutelflasche.

"Wie diese," bestätigte Czako.

"Ja, Czako, Sie sind ganz der Mann, meinen Papa
in seiner Idiosynkrasie zu bestärken."

"Idiosynkrasie," wiederholte der Alte. "Wenn ich
so was höre. Ja, Woldemar, da glaubst du nun wieder
wunder was Feines gesagt zu haben. Aber es ist doch
bloß ein Wort. Und was bloß ein Wort ist, ist nie was
Feines, auch wenn es so aussieht. Dunkle Gefühle, die
sind fein. Und so gewiß die Vorstellung, die ich mit
dieser lieben Flasche hier verbinde, für mich persönlich
was Celestes hat ... kann man Celestes sagen? ..."
Lorenzen nickte zustimmend, "so gewiß hat die Vorstellung,
die sich für mich an diese Globsower Riesenbocksbeutel¬
flaschen knüpft, etwas Infernalisches."

"Aber Papa."

"Still, unterbrich mich nicht, Woldemar. Denn ich
komme jetzt eben an eine Berechnung, und bei Berech¬
nungen darf man nicht gestört werden. Über hundert
Jahre besteht nun schon diese Glashütte. Und wenn ich
nun so das jedesmalige Jahresprodukt mit hundert multi¬
pliziere, so rechne ich mir alles in allem wenigstens eine
Million heraus. Die schicken sie zunächst in andre Fa¬
briken, und da destillieren sie flott drauf los und zwar
allerhand schreckliches Zeug in diese grünen Ballons
hinein: Salzsäure, Schwefelsäure, rauchende Salpetersäure.
Das ist die schlimmste, die hat immer einen rotgelben
Rauch, der einem gleich die Lunge anfrißt. Aber wenn
einen der Rauch auch zufrieden läßt, jeder Tropfen brennt
ein Loch, in Leinwand oder in Tuch, oder in Leder, über¬
haupt in alles; alles wird angebrannt und angeätzt. Das
ist das Zeichen unsrer Zeit jetzt, ,angebrannt und angeätzt'.

eingereicht. Und natürlich gegen beide. Warum müſſen
es immer Ballons ſein? Und wenn ſchon, na, dann
lieber ſolche wie dieſe. Die laſſ' ich mir gefallen.“ Und
dabei hob er die Bocksbeutelflaſche.

„Wie dieſe,“ beſtätigte Czako.

„Ja, Czako, Sie ſind ganz der Mann, meinen Papa
in ſeiner Idioſynkraſie zu beſtärken.“

„Idioſynkraſie,“ wiederholte der Alte. „Wenn ich
ſo was höre. Ja, Woldemar, da glaubſt du nun wieder
wunder was Feines geſagt zu haben. Aber es iſt doch
bloß ein Wort. Und was bloß ein Wort iſt, iſt nie was
Feines, auch wenn es ſo ausſieht. Dunkle Gefühle, die
ſind fein. Und ſo gewiß die Vorſtellung, die ich mit
dieſer lieben Flaſche hier verbinde, für mich perſönlich
was Celeſtes hat ... kann man Celeſtes ſagen? ...“
Lorenzen nickte zuſtimmend, „ſo gewiß hat die Vorſtellung,
die ſich für mich an dieſe Globſower Rieſenbocksbeutel¬
flaſchen knüpft, etwas Infernaliſches.“

„Aber Papa.“

„Still, unterbrich mich nicht, Woldemar. Denn ich
komme jetzt eben an eine Berechnung, und bei Berech¬
nungen darf man nicht geſtört werden. Über hundert
Jahre beſteht nun ſchon dieſe Glashütte. Und wenn ich
nun ſo das jedesmalige Jahresprodukt mit hundert multi¬
pliziere, ſo rechne ich mir alles in allem wenigſtens eine
Million heraus. Die ſchicken ſie zunächſt in andre Fa¬
briken, und da deſtillieren ſie flott drauf los und zwar
allerhand ſchreckliches Zeug in dieſe grünen Ballons
hinein: Salzſäure, Schwefelſäure, rauchende Salpeterſäure.
Das iſt die ſchlimmſte, die hat immer einen rotgelben
Rauch, der einem gleich die Lunge anfrißt. Aber wenn
einen der Rauch auch zufrieden läßt, jeder Tropfen brennt
ein Loch, in Leinwand oder in Tuch, oder in Leder, über¬
haupt in alles; alles wird angebrannt und angeätzt. Das
iſt das Zeichen unſrer Zeit jetzt, ‚angebrannt und angeätzt‘.

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[82/0089] eingereicht. Und natürlich gegen beide. Warum müſſen es immer Ballons ſein? Und wenn ſchon, na, dann lieber ſolche wie dieſe. Die laſſ' ich mir gefallen.“ Und dabei hob er die Bocksbeutelflaſche. „Wie dieſe,“ beſtätigte Czako. „Ja, Czako, Sie ſind ganz der Mann, meinen Papa in ſeiner Idioſynkraſie zu beſtärken.“ „Idioſynkraſie,“ wiederholte der Alte. „Wenn ich ſo was höre. Ja, Woldemar, da glaubſt du nun wieder wunder was Feines geſagt zu haben. Aber es iſt doch bloß ein Wort. Und was bloß ein Wort iſt, iſt nie was Feines, auch wenn es ſo ausſieht. Dunkle Gefühle, die ſind fein. Und ſo gewiß die Vorſtellung, die ich mit dieſer lieben Flaſche hier verbinde, für mich perſönlich was Celeſtes hat ... kann man Celeſtes ſagen? ...“ Lorenzen nickte zuſtimmend, „ſo gewiß hat die Vorſtellung, die ſich für mich an dieſe Globſower Rieſenbocksbeutel¬ flaſchen knüpft, etwas Infernaliſches.“ „Aber Papa.“ „Still, unterbrich mich nicht, Woldemar. Denn ich komme jetzt eben an eine Berechnung, und bei Berech¬ nungen darf man nicht geſtört werden. Über hundert Jahre beſteht nun ſchon dieſe Glashütte. Und wenn ich nun ſo das jedesmalige Jahresprodukt mit hundert multi¬ pliziere, ſo rechne ich mir alles in allem wenigſtens eine Million heraus. Die ſchicken ſie zunächſt in andre Fa¬ briken, und da deſtillieren ſie flott drauf los und zwar allerhand ſchreckliches Zeug in dieſe grünen Ballons hinein: Salzſäure, Schwefelſäure, rauchende Salpeterſäure. Das iſt die ſchlimmſte, die hat immer einen rotgelben Rauch, der einem gleich die Lunge anfrißt. Aber wenn einen der Rauch auch zufrieden läßt, jeder Tropfen brennt ein Loch, in Leinwand oder in Tuch, oder in Leder, über¬ haupt in alles; alles wird angebrannt und angeätzt. Das iſt das Zeichen unſrer Zeit jetzt, ‚angebrannt und angeätzt‘.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/89>, abgerufen am 22.11.2024.