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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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Dubslav geriet in eine kleine Verlegenheit, weil er
sich einer solchen Gründlichkeit nicht gewärtigt hatte.
"Herr von Quast war einmal hier, aber in Wahlange¬
legenheiten. Und mit den Urkunden ist es gründlich vor¬
bei, seit Wrangel hier alles niederbrannte. Wenn ich
von Wrangel spreche, mein' ich natürlich nicht unsern
,Vater Wrangel', der übrigens auch keinen Spaß ver¬
stand, sondern den Schillerschen Wrangel ... Und außer¬
dem, Herr von Rex, ist es so schwer für einen Laien.
Aber Sie, Krippenstapel, was meinen Sie?"

Rex, über den plötzlich etwas von Dienstlichkeit ge¬
kommen war, zuckte zusammen. Er hatte sich an Herrn
von Stechlin gewandt, wenn nicht als an einen Wissenden,
so doch als an einen Ebenbürtigen, und daß jetzt Krippen¬
stapel aufgefordert wurde, das entscheidende Wort in dieser
Angelegenheit zu sprechen, wollte ihm nicht recht passend
erscheinen. Überhaupt, was wollte diese Figur, die doch
schon stark die Karikatur streifte. Schon der Bericht über
die Bienen und namentlich was er über die Haltung der
Königin und den Prince-Consort gesagt hatte, hatte so
merkwürdig anzüglich geklungen, und nun wurde dies
Schulmeister-Original auch noch aufgefordert, über bauliche
Fragen und aus welchem Jahrhundert die Kirche stamme,
sein Urteil abzugeben. Er hatte wohlweislich nach Quast
und Adler gefragt, und nun kam Krippenstapel! Wenn
man durchaus wollte, konnte man das alles patriarchalisch
finden; aber es mißfiel ihm doch. Und leider war
Krippenstapel -- der zu seinen sonstigen Sonderbarkeiten
auch noch den ganzen Trotz des Autodidakten gesellte --
keineswegs angethan, die kleinen Unebenheiten, in die das
Gespräch hineingeraten war, wieder glatt zu machen. Er
nahm vielmehr die Frage ,Krippenstapel, was meinen Sie'
ganz ernsthaft auf und sagte:

"Wollen verzeihen, Herr von Rex, wenn ich unter
Anlehnung an eine neuerdings erschienene Broschüre des

Dubslav geriet in eine kleine Verlegenheit, weil er
ſich einer ſolchen Gründlichkeit nicht gewärtigt hatte.
„Herr von Quaſt war einmal hier, aber in Wahlange¬
legenheiten. Und mit den Urkunden iſt es gründlich vor¬
bei, ſeit Wrangel hier alles niederbrannte. Wenn ich
von Wrangel ſpreche, mein' ich natürlich nicht unſern
‚Vater Wrangel‘, der übrigens auch keinen Spaß ver¬
ſtand, ſondern den Schillerſchen Wrangel ... Und außer¬
dem, Herr von Rex, iſt es ſo ſchwer für einen Laien.
Aber Sie, Krippenſtapel, was meinen Sie?“

Rex, über den plötzlich etwas von Dienſtlichkeit ge¬
kommen war, zuckte zuſammen. Er hatte ſich an Herrn
von Stechlin gewandt, wenn nicht als an einen Wiſſenden,
ſo doch als an einen Ebenbürtigen, und daß jetzt Krippen¬
ſtapel aufgefordert wurde, das entſcheidende Wort in dieſer
Angelegenheit zu ſprechen, wollte ihm nicht recht paſſend
erſcheinen. Überhaupt, was wollte dieſe Figur, die doch
ſchon ſtark die Karikatur ſtreifte. Schon der Bericht über
die Bienen und namentlich was er über die Haltung der
Königin und den Prince-Conſort geſagt hatte, hatte ſo
merkwürdig anzüglich geklungen, und nun wurde dies
Schulmeiſter-Original auch noch aufgefordert, über bauliche
Fragen und aus welchem Jahrhundert die Kirche ſtamme,
ſein Urteil abzugeben. Er hatte wohlweislich nach Quaſt
und Adler gefragt, und nun kam Krippenſtapel! Wenn
man durchaus wollte, konnte man das alles patriarchaliſch
finden; aber es mißfiel ihm doch. Und leider war
Krippenſtapel — der zu ſeinen ſonſtigen Sonderbarkeiten
auch noch den ganzen Trotz des Autodidakten geſellte —
keineswegs angethan, die kleinen Unebenheiten, in die das
Geſpräch hineingeraten war, wieder glatt zu machen. Er
nahm vielmehr die Frage ‚Krippenſtapel, was meinen Sie‘
ganz ernſthaft auf und ſagte:

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Anlehnung an eine neuerdings erſchienene Broſchüre des

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[73/0080] Dubslav geriet in eine kleine Verlegenheit, weil er ſich einer ſolchen Gründlichkeit nicht gewärtigt hatte. „Herr von Quaſt war einmal hier, aber in Wahlange¬ legenheiten. Und mit den Urkunden iſt es gründlich vor¬ bei, ſeit Wrangel hier alles niederbrannte. Wenn ich von Wrangel ſpreche, mein' ich natürlich nicht unſern ‚Vater Wrangel‘, der übrigens auch keinen Spaß ver¬ ſtand, ſondern den Schillerſchen Wrangel ... Und außer¬ dem, Herr von Rex, iſt es ſo ſchwer für einen Laien. Aber Sie, Krippenſtapel, was meinen Sie?“ Rex, über den plötzlich etwas von Dienſtlichkeit ge¬ kommen war, zuckte zuſammen. Er hatte ſich an Herrn von Stechlin gewandt, wenn nicht als an einen Wiſſenden, ſo doch als an einen Ebenbürtigen, und daß jetzt Krippen¬ ſtapel aufgefordert wurde, das entſcheidende Wort in dieſer Angelegenheit zu ſprechen, wollte ihm nicht recht paſſend erſcheinen. Überhaupt, was wollte dieſe Figur, die doch ſchon ſtark die Karikatur ſtreifte. Schon der Bericht über die Bienen und namentlich was er über die Haltung der Königin und den Prince-Conſort geſagt hatte, hatte ſo merkwürdig anzüglich geklungen, und nun wurde dies Schulmeiſter-Original auch noch aufgefordert, über bauliche Fragen und aus welchem Jahrhundert die Kirche ſtamme, ſein Urteil abzugeben. Er hatte wohlweislich nach Quaſt und Adler gefragt, und nun kam Krippenſtapel! Wenn man durchaus wollte, konnte man das alles patriarchaliſch finden; aber es mißfiel ihm doch. Und leider war Krippenſtapel — der zu ſeinen ſonſtigen Sonderbarkeiten auch noch den ganzen Trotz des Autodidakten geſellte — keineswegs angethan, die kleinen Unebenheiten, in die das Geſpräch hineingeraten war, wieder glatt zu machen. Er nahm vielmehr die Frage ‚Krippenſtapel, was meinen Sie‘ ganz ernſthaft auf und ſagte: „Wollen verzeihen, Herr von Rex, wenn ich unter Anlehnung an eine neuerdings erſchienene Broſchüre des

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/80>, abgerufen am 24.11.2024.