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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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ein kleiner weißer Kläffer sofort furchtbar zu bellen anfing,
erschien Krippenstapel um zu sehen, was los sei.

"Guten Morgen, Krippenstapel," sagte Dubslav.
"Ich bring' Ihnen Besuch."

"Sehr schmeichelhaft, Herr Baron."

"Ja, das sagen Sie; wenn's nur wahr ist. Aber
unter allen Umständen lassen Sie den Baron aus dem
Spiel ... Sehen Sie, meine Herren, mein Freund
Krippenstapel is ein ganz eignes Haus. Alltags nennt
er mich Herr von Stechlin (den Major unterschlägt er),
und wenn er ärgerlich ist, nennt er mich ,gnäd'ger Herr'.
Aber sowie ich mit Fremden komme, betitelt er mich Herr
Baron. Er will was für mich thun."

Krippenstapel, still vor sich hinschmunzelnd, hatte
mittlerweile die Thür zu der seiner Schulklasse gegenüber
gelegenen Wohnstube geöffnet und bat die Herren, ein¬
treten zu wollen. Sie nahmen auch jeder einen Stuhl in
die Hand, aber stützten sich nur auf die Lehne, während
das Gespräch zwischen Dubslav und dem Lehrer seinen
Fortgang nahm. "Sagen Sie, Krippenstapel, wird es
denn überhaupt gehen? Sie sollen uns natürlich alles
zeigen, und die Schule ist noch nicht aus."

"O, gewiß geht es, Herr von Stechlin."

"Ja, hören Sie, wenn der Hirt fehlt, rebelliert die
Herde ..."

"Nicht zu befürchten, Herr von Stechlin. Da war
mal ein Burgemeister, achtundvierziger Zeit, Namen will
ich lieber nicht nennen, der sagte: ,Wenn ich meinen
Stiefel ans Fenster stelle, regier' ich die ganze Stadt.'
Das war mein Mann."

"Richtig; den hab' ich auch noch gekannt. Ja, der
verstand es. Überhaupt immer in der Furcht des Herrn.
Dann geht alles am besten. Der Hauptregente bleibt
doch der Krückstock."

ein kleiner weißer Kläffer ſofort furchtbar zu bellen anfing,
erſchien Krippenſtapel um zu ſehen, was los ſei.

„Guten Morgen, Krippenſtapel,“ ſagte Dubslav.
„Ich bring' Ihnen Beſuch.“

„Sehr ſchmeichelhaft, Herr Baron.“

„Ja, das ſagen Sie; wenn's nur wahr iſt. Aber
unter allen Umſtänden laſſen Sie den Baron aus dem
Spiel ... Sehen Sie, meine Herren, mein Freund
Krippenſtapel is ein ganz eignes Haus. Alltags nennt
er mich Herr von Stechlin (den Major unterſchlägt er),
und wenn er ärgerlich iſt, nennt er mich ‚gnäd'ger Herr‘.
Aber ſowie ich mit Fremden komme, betitelt er mich Herr
Baron. Er will was für mich thun.“

Krippenſtapel, ſtill vor ſich hinſchmunzelnd, hatte
mittlerweile die Thür zu der ſeiner Schulklaſſe gegenüber
gelegenen Wohnſtube geöffnet und bat die Herren, ein¬
treten zu wollen. Sie nahmen auch jeder einen Stuhl in
die Hand, aber ſtützten ſich nur auf die Lehne, während
das Geſpräch zwiſchen Dubslav und dem Lehrer ſeinen
Fortgang nahm. „Sagen Sie, Krippenſtapel, wird es
denn überhaupt gehen? Sie ſollen uns natürlich alles
zeigen, und die Schule iſt noch nicht aus.“

„O, gewiß geht es, Herr von Stechlin.“

„Ja, hören Sie, wenn der Hirt fehlt, rebelliert die
Herde ...“

„Nicht zu befürchten, Herr von Stechlin. Da war
mal ein Burgemeiſter, achtundvierziger Zeit, Namen will
ich lieber nicht nennen, der ſagte: ‚Wenn ich meinen
Stiefel ans Fenſter ſtelle, regier' ich die ganze Stadt.‘
Das war mein Mann.“

„Richtig; den hab' ich auch noch gekannt. Ja, der
verſtand es. Überhaupt immer in der Furcht des Herrn.
Dann geht alles am beſten. Der Hauptregente bleibt
doch der Krückſtock.“

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[68/0075] ein kleiner weißer Kläffer ſofort furchtbar zu bellen anfing, erſchien Krippenſtapel um zu ſehen, was los ſei. „Guten Morgen, Krippenſtapel,“ ſagte Dubslav. „Ich bring' Ihnen Beſuch.“ „Sehr ſchmeichelhaft, Herr Baron.“ „Ja, das ſagen Sie; wenn's nur wahr iſt. Aber unter allen Umſtänden laſſen Sie den Baron aus dem Spiel ... Sehen Sie, meine Herren, mein Freund Krippenſtapel is ein ganz eignes Haus. Alltags nennt er mich Herr von Stechlin (den Major unterſchlägt er), und wenn er ärgerlich iſt, nennt er mich ‚gnäd'ger Herr‘. Aber ſowie ich mit Fremden komme, betitelt er mich Herr Baron. Er will was für mich thun.“ Krippenſtapel, ſtill vor ſich hinſchmunzelnd, hatte mittlerweile die Thür zu der ſeiner Schulklaſſe gegenüber gelegenen Wohnſtube geöffnet und bat die Herren, ein¬ treten zu wollen. Sie nahmen auch jeder einen Stuhl in die Hand, aber ſtützten ſich nur auf die Lehne, während das Geſpräch zwiſchen Dubslav und dem Lehrer ſeinen Fortgang nahm. „Sagen Sie, Krippenſtapel, wird es denn überhaupt gehen? Sie ſollen uns natürlich alles zeigen, und die Schule iſt noch nicht aus.“ „O, gewiß geht es, Herr von Stechlin.“ „Ja, hören Sie, wenn der Hirt fehlt, rebelliert die Herde ...“ „Nicht zu befürchten, Herr von Stechlin. Da war mal ein Burgemeiſter, achtundvierziger Zeit, Namen will ich lieber nicht nennen, der ſagte: ‚Wenn ich meinen Stiefel ans Fenſter ſtelle, regier' ich die ganze Stadt.‘ Das war mein Mann.“ „Richtig; den hab' ich auch noch gekannt. Ja, der verſtand es. Überhaupt immer in der Furcht des Herrn. Dann geht alles am beſten. Der Hauptregente bleibt doch der Krückſtock.“

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/75>, abgerufen am 22.11.2024.