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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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dung ,sich beschäftigen', das ist mir denn doch zu prosaisch.
Wenn es sich um solche Dinge wie Liebe handelt (wiewohl
ich über Liebe nicht viel günstiger denke wie über Poesie,
bloß daß Liebe doch noch mehr Unheil anrichtet, weil sie
noch allgemeiner auftritt) -- wenn es sich um Dinge wie
Liebe handelt, so darf man nicht sagen, ,ich habe mich
damit beschäftigt'. Liebe ist doch schließlich immer was
Forsches, sonst kann sie sich ganz und gar begraben lassen,
und da möcht' ich denn doch etwas von dir hören, was
ein bischen wie Leidenschaft aussieht. Es braucht ja
nicht gleich was Schreckliches zu sein. Aber so ganz ohne
Stimulus, wie man, glaub' ich, jetzt sagt, so ganz ohne
so was geht es nicht; alle Menschheit ist darauf gestellt,
und wo's einschläft, ist so gut wie alles vorbei. Nun
weiß ich zwar recht gut, es geht auch ohne uns, aber
das ist doch alles bloß etwas, was einem von Verstandes
wegen aufgezwungen wird; das egoistische Gefühl, das
immer unrecht, aber auch immer recht hat, will von dem
allem nichts wissen und besteht darauf, daß die Stechline
weiterleben, wenn es sein kann, in aeternum. Ewig
weiterleben; -- ich räume ein, es hat ein bischen was
Komisches, aber es giebt wenig ernste Sachen, die nicht
auch eine komische Seite hätten ... Also dich ,beschäf¬
tigen' diese Dinge. Kannst du Namen nennen? Auf
wem haben Eurer Hoheit Augen zu ruhen geruht?"

"Papa, Namen darf ich noch nicht nennen. Ich bin
meiner Sache noch nicht sicher genug, und das ist auch
der Grund, warum ich Wendungen gebraucht habe, die
dir nüchtern und prosaisch erschienen sind. Ich kann dir
aber sagen, ich hätte mich lieber anders ausgedrückt; nur
darf ich es noch nicht. Und dann weiß ich ja auch, daß
du selber einen abergläubischen Zug hast und ganz auf¬
richtig davon ausgehst, daß man sich sein Glück verreden
kann, wenn man zu früh oder zu viel davon spricht."

"Brav, brav. Das gefällt mir. So ist es. Wir

dung ‚ſich beſchäftigen‘, das iſt mir denn doch zu proſaiſch.
Wenn es ſich um ſolche Dinge wie Liebe handelt (wiewohl
ich über Liebe nicht viel günſtiger denke wie über Poeſie,
bloß daß Liebe doch noch mehr Unheil anrichtet, weil ſie
noch allgemeiner auftritt) — wenn es ſich um Dinge wie
Liebe handelt, ſo darf man nicht ſagen, ‚ich habe mich
damit beſchäftigt‘. Liebe iſt doch ſchließlich immer was
Forſches, ſonſt kann ſie ſich ganz und gar begraben laſſen,
und da möcht' ich denn doch etwas von dir hören, was
ein bischen wie Leidenſchaft ausſieht. Es braucht ja
nicht gleich was Schreckliches zu ſein. Aber ſo ganz ohne
Stimulus, wie man, glaub' ich, jetzt ſagt, ſo ganz ohne
ſo was geht es nicht; alle Menſchheit iſt darauf geſtellt,
und wo's einſchläft, iſt ſo gut wie alles vorbei. Nun
weiß ich zwar recht gut, es geht auch ohne uns, aber
das iſt doch alles bloß etwas, was einem von Verſtandes
wegen aufgezwungen wird; das egoiſtiſche Gefühl, das
immer unrecht, aber auch immer recht hat, will von dem
allem nichts wiſſen und beſteht darauf, daß die Stechline
weiterleben, wenn es ſein kann, in aeternum. Ewig
weiterleben; — ich räume ein, es hat ein bischen was
Komiſches, aber es giebt wenig ernſte Sachen, die nicht
auch eine komiſche Seite hätten ... Alſo dich ‚beſchäf¬
tigen‘ dieſe Dinge. Kannſt du Namen nennen? Auf
wem haben Eurer Hoheit Augen zu ruhen geruht?“

„Papa, Namen darf ich noch nicht nennen. Ich bin
meiner Sache noch nicht ſicher genug, und das iſt auch
der Grund, warum ich Wendungen gebraucht habe, die
dir nüchtern und proſaiſch erſchienen ſind. Ich kann dir
aber ſagen, ich hätte mich lieber anders ausgedrückt; nur
darf ich es noch nicht. Und dann weiß ich ja auch, daß
du ſelber einen abergläubiſchen Zug haſt und ganz auf¬
richtig davon ausgehſt, daß man ſich ſein Glück verreden
kann, wenn man zu früh oder zu viel davon ſpricht.“

„Brav, brav. Das gefällt mir. So iſt es. Wir

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[60/0067] dung ‚ſich beſchäftigen‘, das iſt mir denn doch zu proſaiſch. Wenn es ſich um ſolche Dinge wie Liebe handelt (wiewohl ich über Liebe nicht viel günſtiger denke wie über Poeſie, bloß daß Liebe doch noch mehr Unheil anrichtet, weil ſie noch allgemeiner auftritt) — wenn es ſich um Dinge wie Liebe handelt, ſo darf man nicht ſagen, ‚ich habe mich damit beſchäftigt‘. Liebe iſt doch ſchließlich immer was Forſches, ſonſt kann ſie ſich ganz und gar begraben laſſen, und da möcht' ich denn doch etwas von dir hören, was ein bischen wie Leidenſchaft ausſieht. Es braucht ja nicht gleich was Schreckliches zu ſein. Aber ſo ganz ohne Stimulus, wie man, glaub' ich, jetzt ſagt, ſo ganz ohne ſo was geht es nicht; alle Menſchheit iſt darauf geſtellt, und wo's einſchläft, iſt ſo gut wie alles vorbei. Nun weiß ich zwar recht gut, es geht auch ohne uns, aber das iſt doch alles bloß etwas, was einem von Verſtandes wegen aufgezwungen wird; das egoiſtiſche Gefühl, das immer unrecht, aber auch immer recht hat, will von dem allem nichts wiſſen und beſteht darauf, daß die Stechline weiterleben, wenn es ſein kann, in aeternum. Ewig weiterleben; — ich räume ein, es hat ein bischen was Komiſches, aber es giebt wenig ernſte Sachen, die nicht auch eine komiſche Seite hätten ... Alſo dich ‚beſchäf¬ tigen‘ dieſe Dinge. Kannſt du Namen nennen? Auf wem haben Eurer Hoheit Augen zu ruhen geruht?“ „Papa, Namen darf ich noch nicht nennen. Ich bin meiner Sache noch nicht ſicher genug, und das iſt auch der Grund, warum ich Wendungen gebraucht habe, die dir nüchtern und proſaiſch erſchienen ſind. Ich kann dir aber ſagen, ich hätte mich lieber anders ausgedrückt; nur darf ich es noch nicht. Und dann weiß ich ja auch, daß du ſelber einen abergläubiſchen Zug haſt und ganz auf¬ richtig davon ausgehſt, daß man ſich ſein Glück verreden kann, wenn man zu früh oder zu viel davon ſpricht.“ „Brav, brav. Das gefällt mir. So iſt es. Wir

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/67>, abgerufen am 23.11.2024.