Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

Bild:
<< vorherige Seite
Fünftes Kapitel.

Rex und Czako waren so müde, daß sie sich, wenn
nötig, über Spuk und Ratten weggeschlafen hätten. Aber
es war nicht nötig, nichts war da, was sie hätte stören
können. Kurz vor acht erschien das alte Faktotum mit
einem silbernen Deckelkrug, aus dem der Wrasen heißen
Wassers aufstieg, einem der wenigen Renommierstücke,
über die Schloß Stechlin verfügte. Dazu bot Engelke den
Herren einen guten Morgen und stattete seinen Wetter¬
bericht ab: Es gebe gewiß einen schönen Tag, und der
junge Herr sei auch schon auf und gehe mit dem alten
um das Rundell herum.

So war es denn auch. Woldemar war schon gleich
nach sieben unten im Salon erschienen, um mit seinem
Vater, von dem er wußte, daß er ein Frühauf war, ein
Familiengespräch über allerhand difficile Dinge zu führen.
Aber er war entschlossen, seinerseits damit nicht anzufangen,
sondern alles von der Neugier und dem guten Herzen
des Vaters zu erwarten. Und darin sah er sich auch nicht
getäuscht.

"Ah, Woldemar, das ist recht, daß du schon da bist.
Nur nicht zu lang im Bett. Die meisten Langschläfer
haben einen Knacks. Es können aber sonst ganz gute
Leute sein. Ich wette, dein Freund Rex schläft bis neun."

"Nein, Papa, der gerade nicht. Wer wie Rex ist,
kann sich das nicht gönnen. Er hat nämlich einen Verein

Fünftes Kapitel.

Rex und Czako waren ſo müde, daß ſie ſich, wenn
nötig, über Spuk und Ratten weggeſchlafen hätten. Aber
es war nicht nötig, nichts war da, was ſie hätte ſtören
können. Kurz vor acht erſchien das alte Faktotum mit
einem ſilbernen Deckelkrug, aus dem der Wraſen heißen
Waſſers aufſtieg, einem der wenigen Renommierſtücke,
über die Schloß Stechlin verfügte. Dazu bot Engelke den
Herren einen guten Morgen und ſtattete ſeinen Wetter¬
bericht ab: Es gebe gewiß einen ſchönen Tag, und der
junge Herr ſei auch ſchon auf und gehe mit dem alten
um das Rundell herum.

So war es denn auch. Woldemar war ſchon gleich
nach ſieben unten im Salon erſchienen, um mit ſeinem
Vater, von dem er wußte, daß er ein Frühauf war, ein
Familiengeſpräch über allerhand difficile Dinge zu führen.
Aber er war entſchloſſen, ſeinerſeits damit nicht anzufangen,
ſondern alles von der Neugier und dem guten Herzen
des Vaters zu erwarten. Und darin ſah er ſich auch nicht
getäuſcht.

„Ah, Woldemar, das iſt recht, daß du ſchon da biſt.
Nur nicht zu lang im Bett. Die meiſten Langſchläfer
haben einen Knacks. Es können aber ſonſt ganz gute
Leute ſein. Ich wette, dein Freund Rex ſchläft bis neun.“

„Nein, Papa, der gerade nicht. Wer wie Rex iſt,
kann ſich das nicht gönnen. Er hat nämlich einen Verein

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0064" n="[57]"/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b #g">Fünftes Kapitel.</hi><lb/>
          </head>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <p>Rex und Czako waren &#x017F;o müde, daß &#x017F;ie &#x017F;ich, wenn<lb/>
nötig, über Spuk und Ratten wegge&#x017F;chlafen hätten. Aber<lb/>
es war nicht nötig, nichts war da, was &#x017F;ie hätte &#x017F;tören<lb/>
können. Kurz vor acht er&#x017F;chien das alte Faktotum mit<lb/>
einem &#x017F;ilbernen Deckelkrug, aus dem der Wra&#x017F;en heißen<lb/>
Wa&#x017F;&#x017F;ers auf&#x017F;tieg, einem der wenigen Renommier&#x017F;tücke,<lb/>
über die Schloß Stechlin verfügte. Dazu bot Engelke den<lb/>
Herren einen guten Morgen und &#x017F;tattete &#x017F;einen Wetter¬<lb/>
bericht ab: Es gebe gewiß einen &#x017F;chönen Tag, und der<lb/>
junge Herr &#x017F;ei auch &#x017F;chon auf und gehe mit dem alten<lb/>
um das Rundell herum.</p><lb/>
          <p>So war es denn auch. Woldemar war &#x017F;chon gleich<lb/>
nach &#x017F;ieben unten im Salon er&#x017F;chienen, um mit &#x017F;einem<lb/>
Vater, von dem er wußte, daß er ein Frühauf war, ein<lb/>
Familienge&#x017F;präch über allerhand difficile Dinge zu führen.<lb/>
Aber er war ent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;einer&#x017F;eits damit nicht anzufangen,<lb/>
&#x017F;ondern alles von der Neugier und dem guten Herzen<lb/>
des Vaters zu erwarten. Und darin &#x017F;ah er &#x017F;ich auch nicht<lb/>
getäu&#x017F;cht.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Ah, Woldemar, das i&#x017F;t recht, daß du &#x017F;chon da bi&#x017F;t.<lb/>
Nur nicht zu lang im Bett. Die mei&#x017F;ten Lang&#x017F;chläfer<lb/>
haben einen Knacks. Es können aber &#x017F;on&#x017F;t ganz gute<lb/>
Leute &#x017F;ein. Ich wette, dein Freund Rex &#x017F;chläft bis neun.&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Nein, Papa, der gerade nicht. Wer wie Rex i&#x017F;t,<lb/>
kann &#x017F;ich das nicht gönnen. Er hat nämlich einen Verein<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[57]/0064] Fünftes Kapitel. Rex und Czako waren ſo müde, daß ſie ſich, wenn nötig, über Spuk und Ratten weggeſchlafen hätten. Aber es war nicht nötig, nichts war da, was ſie hätte ſtören können. Kurz vor acht erſchien das alte Faktotum mit einem ſilbernen Deckelkrug, aus dem der Wraſen heißen Waſſers aufſtieg, einem der wenigen Renommierſtücke, über die Schloß Stechlin verfügte. Dazu bot Engelke den Herren einen guten Morgen und ſtattete ſeinen Wetter¬ bericht ab: Es gebe gewiß einen ſchönen Tag, und der junge Herr ſei auch ſchon auf und gehe mit dem alten um das Rundell herum. So war es denn auch. Woldemar war ſchon gleich nach ſieben unten im Salon erſchienen, um mit ſeinem Vater, von dem er wußte, daß er ein Frühauf war, ein Familiengeſpräch über allerhand difficile Dinge zu führen. Aber er war entſchloſſen, ſeinerſeits damit nicht anzufangen, ſondern alles von der Neugier und dem guten Herzen des Vaters zu erwarten. Und darin ſah er ſich auch nicht getäuſcht. „Ah, Woldemar, das iſt recht, daß du ſchon da biſt. Nur nicht zu lang im Bett. Die meiſten Langſchläfer haben einen Knacks. Es können aber ſonſt ganz gute Leute ſein. Ich wette, dein Freund Rex ſchläft bis neun.“ „Nein, Papa, der gerade nicht. Wer wie Rex iſt, kann ſich das nicht gönnen. Er hat nämlich einen Verein

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/64
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. [57]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/64>, abgerufen am 23.11.2024.