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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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steht halb auf, was noch das beste war, und da seh' ich,
wie sie ihm eine Nase dreht und die Zungenspitze 'raus¬
steckt; so was von spitzer Zunge hab' ich mein Lebtag noch
nicht gesehen. Die reine Eva. Für die Potiphar ist sie
mir noch zu jung. Und als ich nu dazwischentrete, da
kriegt ja nu der arme Junge das Zittern, und weil ich
nicht recht wußte, was ich sagen sollte, ging ich bloß hin
und klappte den Waschtischdeckel auf, wo der Spruch stand,
und sah ihn scharf an. Und da wurde er ganz blaß.
Aber das Balg lachte."

"Ja, liebe Frau von Gundermann, das ist so; Jugend
hat keine Tugend."

"Ich weiß doch nicht; ich bin auch einmal jung ge¬
wesen ..."

"Ja, Damen ..."


Während Frau von Gundermann in ihrem Gespräch
in der Fensternische mit derartigen Intimitäten kam und
den guten Pastor Lorenzen abwechselnd in Verlegenheit
und dann auch wieder in stille Heiterkeit versetzte, hatte sich
Dubslav mit Hauptmann von Czako in eine schräg gegen¬
über gelegene Ecke zurückgezogen, wo eine altmodische
Causeuse stand, mit einem Marmortischchen davor. Auf
dem Tische zwei Kaffeetassen samt aufgeklapptem Liqueur¬
kasten, aus dem Dubslav eine Flasche nach der andern
herausnahm. "Jetzt, wenn man von Tisch kommt, muß
es immer ein Cognac sein. Aber ich bekenne Ihnen,
lieber Hauptmann, ich mache die Mode nicht mit; wir
aus der alten Zeit, wir waren immer ein bißchen fürs
Süße. Creme de Cacao, na, natürlich, das is Damen¬
schnaps, davon kann keine Rede sein; aber Pomeranzen
oder, wie sie jetzt sagen, Curacao, das ist mein Fall.
Darf ich Ihnen einschenken? Oder vielleicht lieber Dan¬
ziger Goldwasser? Kann ich übrigens auch empfehlen."

ſteht halb auf, was noch das beſte war, und da ſeh' ich,
wie ſie ihm eine Naſe dreht und die Zungenſpitze 'raus¬
ſteckt; ſo was von ſpitzer Zunge hab' ich mein Lebtag noch
nicht geſehen. Die reine Eva. Für die Potiphar iſt ſie
mir noch zu jung. Und als ich nu dazwiſchentrete, da
kriegt ja nu der arme Junge das Zittern, und weil ich
nicht recht wußte, was ich ſagen ſollte, ging ich bloß hin
und klappte den Waſchtiſchdeckel auf, wo der Spruch ſtand,
und ſah ihn ſcharf an. Und da wurde er ganz blaß.
Aber das Balg lachte.“

„Ja, liebe Frau von Gundermann, das iſt ſo; Jugend
hat keine Tugend.“

„Ich weiß doch nicht; ich bin auch einmal jung ge¬
weſen ...“

„Ja, Damen ...“


Während Frau von Gundermann in ihrem Geſpräch
in der Fenſterniſche mit derartigen Intimitäten kam und
den guten Paſtor Lorenzen abwechſelnd in Verlegenheit
und dann auch wieder in ſtille Heiterkeit verſetzte, hatte ſich
Dubslav mit Hauptmann von Czako in eine ſchräg gegen¬
über gelegene Ecke zurückgezogen, wo eine altmodiſche
Cauſeuſe ſtand, mit einem Marmortiſchchen davor. Auf
dem Tiſche zwei Kaffeetaſſen ſamt aufgeklapptem Liqueur¬
kaſten, aus dem Dubslav eine Flaſche nach der andern
herausnahm. „Jetzt, wenn man von Tiſch kommt, muß
es immer ein Cognac ſein. Aber ich bekenne Ihnen,
lieber Hauptmann, ich mache die Mode nicht mit; wir
aus der alten Zeit, wir waren immer ein bißchen fürs
Süße. Creme de Cacao, na, natürlich, das is Damen¬
ſchnaps, davon kann keine Rede ſein; aber Pomeranzen
oder, wie ſie jetzt ſagen, Curaçao, das iſt mein Fall.
Darf ich Ihnen einſchenken? Oder vielleicht lieber Dan¬
ziger Goldwaſſer? Kann ich übrigens auch empfehlen.“

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[47/0054] ſteht halb auf, was noch das beſte war, und da ſeh' ich, wie ſie ihm eine Naſe dreht und die Zungenſpitze 'raus¬ ſteckt; ſo was von ſpitzer Zunge hab' ich mein Lebtag noch nicht geſehen. Die reine Eva. Für die Potiphar iſt ſie mir noch zu jung. Und als ich nu dazwiſchentrete, da kriegt ja nu der arme Junge das Zittern, und weil ich nicht recht wußte, was ich ſagen ſollte, ging ich bloß hin und klappte den Waſchtiſchdeckel auf, wo der Spruch ſtand, und ſah ihn ſcharf an. Und da wurde er ganz blaß. Aber das Balg lachte.“ „Ja, liebe Frau von Gundermann, das iſt ſo; Jugend hat keine Tugend.“ „Ich weiß doch nicht; ich bin auch einmal jung ge¬ weſen ...“ „Ja, Damen ...“ Während Frau von Gundermann in ihrem Geſpräch in der Fenſterniſche mit derartigen Intimitäten kam und den guten Paſtor Lorenzen abwechſelnd in Verlegenheit und dann auch wieder in ſtille Heiterkeit verſetzte, hatte ſich Dubslav mit Hauptmann von Czako in eine ſchräg gegen¬ über gelegene Ecke zurückgezogen, wo eine altmodiſche Cauſeuſe ſtand, mit einem Marmortiſchchen davor. Auf dem Tiſche zwei Kaffeetaſſen ſamt aufgeklapptem Liqueur¬ kaſten, aus dem Dubslav eine Flaſche nach der andern herausnahm. „Jetzt, wenn man von Tiſch kommt, muß es immer ein Cognac ſein. Aber ich bekenne Ihnen, lieber Hauptmann, ich mache die Mode nicht mit; wir aus der alten Zeit, wir waren immer ein bißchen fürs Süße. Creme de Cacao, na, natürlich, das is Damen¬ ſchnaps, davon kann keine Rede ſein; aber Pomeranzen oder, wie ſie jetzt ſagen, Curaçao, das iſt mein Fall. Darf ich Ihnen einſchenken? Oder vielleicht lieber Dan¬ ziger Goldwaſſer? Kann ich übrigens auch empfehlen.“

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/54>, abgerufen am 08.05.2024.